Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Serie „WeCrashed“ bei Apple TV: Work-Life-Bullshit
> Die Serie „WeCrashed“ erzählt von Aufstieg und Fall des exzentrischen
> „WeWork“-Gründers Adam Neumann – und zerpflückt toxische Start-Up-Kul…
Bild: Anne Hathaway und Jared Leto in der Miniserie „WeCrashed“
Was die großen Firmen des Silicon Valley so groß macht, ist meist nicht der
Nutzen ihrer Produkte. Ob Facebook, Paypal oder Apple: Was die dort
ansässigen Konzerne in die Welt trägt, ist viel eher das Lebensgefühl, das
die Konsument*innen mit ihnen verbinden. Erfolgreiches Marketing, das
auf die Emotionen der Kundschaft abzielt ist dabei sicherlich keine
Erfindung aus San Francisco. Aber dort wurde es auf die Spitze getrieben
und um eins erweitert: den Kult um charismatische CEOs.
Adam Neumann verkörpert diesen Silicon-Valley-Trend. Und das, obwohl sein
Unternehmen „WeWork“ weder dort gegründet wurde noch streng genommen dem
Tech-Bereich zuzurechnen ist – es bietet vor allem [1][Coworking] Büros für
Soloselbstständige weltweit an (in Berlin gibt es acht Standorte). Gründer
Adam Neumann rangiert irgendwo zwischen Genie und Wahnsinnigem. Über den
furiosen Aufstieg und Fall des „WeWork“-Gründers gibt es jetzt eine
grandiose Miniserie. Ironischerweise bei Apple TV, dem Streamingdienst des
Apple-Konzerns, dessen Steve Jobs eine eben solche Lichtgestalt der
Industrie darstellt.
Was die acht Episoden von „WeCrashed“ so unterhaltsam macht, ist Neumanns
Exzentrik, dargestellt von Jared Leto. Den Schauspieler kennt man, passend
zur Rolle, für seine gleichsam nervtötende wie faszinierende
Affektiertheit. Wie zuletzt in [2][„House of Gucci“] trägt Leto auch hier
einen starken Akzent vor sich her – Neumann stammt aus Israel. Der
Start-Up-Gründer ist rhetorisch talentiert und zieht wahlweise
Geldgeber*innen, Geschäftspartner*innen oder Mitarbeitende mit
dreisten Bluffs, verheißungsvollen Versprechungen und verlockenden
Zukunftsvisionen in seinen Bann.
Showrunner Lee Eisenberg und Drew Crevello lassen das Spektakel
dramaturgisch klug mit dem „Crash“ beginnen. Im Herbst 2019 entscheidet der
Vorstand des Unternehmens, Neumann zu entlassen. Zuvor ist der Börsengang
von „WeWork“ gescheitert. Weniger als zehn Jahre nach seiner Gründung wurde
das Unternehmen mit unglaublichen 47 Milliarden bewertet – was sich bei der
für diesen Schritt notwendigen Offenlegung der Finanzen aber als großer
Irrtum erwies. In Wahrheit erzielte es – bestenfalls – kaum Profit, Neumann
und Ehefrau Rebekah (Anne Hathaway) nutzten Firmengelder mitunter für die
Erfüllung ihrer ganz persönlichen Ziele.
## Neoliberale Märchen
Sympathie empfindet man zwar keine für den Geschäftsmann, der seine
Angestellten mit niedrigen Löhnen abspeiste und statt nachhaltigem Wachstum
stets nur die Traumvorstellungen, die sein eigenes Ego am laufenden Band
hervorbrachte, als oberste Priorität seines unternehmerischen Strebens
kannte. Jedoch fasziniert die Frage, ob Neumann, der selbst einen Teil
seiner Kindheit in einem Kibbuz verbrachte, womöglich selbst glaubte, mit
seinen Büroräumen ein Gefühl von Gemeinschaft und Verbundenheit zu erzeugen
– oder ob doch bloßer Erfolgswille dahinter steckte. Beantwortet wird die
Frage am Ende nicht.
Mit einem Zeitsprung von zwölf Jahren in die Vergangenheit zeichnet
„WeCrashed“ nach, was zum Abstieg führte und setzt dabei gleichsam zu einer
genauen Charakterstudie an. 2007 ist Neumann ein erfolgloser Geschäftsmann,
der mit kuriosen Erfindungen – wie einklappbaren Stilettos – versucht, den
Durchbruch zu schaffen. Schon da zeichnet sich eine Eigenschaft ab, die ihm
zu seinem Erfolg verhelfen soll: Der unbedingte Glaube an seine eigenen
Fähigkeiten, und die absolute Intoleranz gegenüber jeglichem „Nein“.
Bestärkt wird sein Selbstvertrauen durch Rebekah – ihres Zeichens
erfolglose Schauspielerin, Yoga-Lehrerin und Cousine von Gwyneth Paltrow.
Sie ist es, die ihn dazu ermuntert, sich voll und ganz einer Idee zu
verschreiben, und „WeWork“ gleichsam mit einer spirituellen Botschaft
aufzuladen. Arbeit, die sich nicht wie Arbeit anfühlt – so lautet das leere
Versprechen von „WeWork“: Neue Kontakte knüpfen, in inspirierender Umgebung
sich selbst verwirklichen, ein neues Lebensgefühl – das ist es, was das
Unternehmen zu bieten behauptet. Nicht etwa bloß einen überteuerten
Schreibtisch.
„WeCrashed“ ist sowohl eine absonderliche Liebesgeschichte zwischen zwei
ebenso absonderlichen Figuren – als auch eine minutiöse Analyse eines
vermeintlich progressiven Neoliberalismus, wo sich Unternehmen mit
gesellschaftspolitischen Ambitionen schmücken, die letztlich Worthülsen
bleiben.
22 Mar 2022
## LINKS
[1] /Hindernisse-beim-Co-Working/!5711527
[2] /Modekrimi-House-of-Gucci-im-Kino/!5815901
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Miniserie
Apple
Silicon Valley
Start-Up
Unternehmen
Start-ups
Serien-Guide
ZDF
Christian Ulmen
Podcast-Guide
## ARTIKEL ZUM THEMA
Coworkingspace Start-up in der Krise: Wework ist pleite
Zuletzt war Wework mit 777 Standorten aktiv, nun ist's vorbei. Das Start-up
vermietete Bürogebäude, doch aktuelle Trends gehen in eine andere Richtung.
Kanadische Tüftlerlegende: Vor dem Apfel kam die Brombeere
Matt Johnson erzählt in „BlackBerry“ (Wettbewerb) vom Aufstieg und Fall des
Konzerns, der das erste Smartphone der Welt hervorbrachte.
Onlinemarketing-Sause in Hamburg: Rockstars in den Messehallen
In Hamburg trifft sich der digitale Kapitalismus. Für den Glamour muss aber
ein Held des 90er-Jahre-Hollywood-Kinos sorgen.
Serie „The Dropout“ bei Disney+: Falsche Helden des Silicon Valley
Die Disney+-Serie „The Dropout“ handelt vom Skandal um Tech-Unternehmerin
Elizabeth Holmes. Sie nährt den Silicon-Valley-Mythos.
ZDF-Film „Honecker und der Pastor“: Jeder macht Fehler
Jan Josef Liefers erzählt in einem Spielfilm, wie das Ehepaar Honecker 1990
bei einer Pfarrersfamilie unterkam. Und zeigt zugleich, was gelebte
Barmherzigkeit ist.
Neue Comedy-Serie „Oh Hell“: Deutsche Serie mal in lustig
In Sachen Comedy sah die deutsche Serienlandschaft bisher karg aus. Doch
„Oh Hell“ mit Schauspielhoffnung Mala Emde glänzt mit überraschendem Witz.
Podcast „Feel the News“: Emotional reagieren
Der Podcast von Juliane und Sascha Lobo möchte nicht kommentieren. Sondern
über Gefühle angesichts der Nachrichtenlage reden. Das gelingt teilweise.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.