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# taz.de -- Podcast „Feel the News“: Emotional reagieren
> Der Podcast von Juliane und Sascha Lobo möchte nicht kommentieren.
> Sondern über Gefühle angesichts der Nachrichtenlage reden. Das gelingt
> teilweise.
Bild: Die Lobos verlieren sich etwas im Zoff des deutschen Bürgertums
In einer Zeit, in der Menschen Jodtabletten horten, weil sie Angst haben,
dass russische Bomben eine Reaktorkatastrophe auslösen, und in der
Tiktok-Videos erklären, wie man als Laie einen beidseitigen
Lungendurchschuss medizinisch versorgt – braucht es da wirklich noch einen
Meinungspodcast?
Der Krieg in der Ukraine überschattet gerade alle anderen Themen. Der
Podcast „Feel the News“ von Studio Bummens will dabei nicht die
Nachrichtenlage kommentieren, sondern über Gefühle reden. „Wir reagieren
nicht objektiv, sondern emotional“, heißt es im Trailer. Also sprechen die
Journalistin und Podcasterin Juliane Lobo und ihr Mann, [1][der Blogger und
Autor Sascha Lobo], einmal pro Woche über ein Thema, das „Deutschland
bewegt.“ Oder in diesem Fall extrem aufwühlt.
Viele Menschen, sowohl qualifizierte als auch unqualifizierte, füllen
gerade klassische und soziale Medien mit Berichterstattung, Einschätzungen
und Meinungen zum Krieg. Andere versuchen Zerstreuung zu bieten,
Unterhaltung für Leute, die die beunruhigenden Gedanken in ihrem Kopf
übertönen wollen. Man kann fragen: Bringt es etwas, wenn das Ehepaar Lobo
die allgemeine Gefühlslage diskutiert, auch wenn die beiden genauso wenige
Antworten auf die bohrenden Zukunftsfragen haben wie alle anderen?
## Intime Gruppentherapie
Die erste Folge von „Feel the News“ heißt „Gestern Atomangst, heute
Benzinwut“. Darin reden Juliane und Sascha Lobo verständlicherweise vor
allem über ein Gefühl: Angst. Sie versuchen, wirklich ihre persönlichen
Emotionen zu teilen. Juliane erzählt, dass sie keinen Begriff für das hat,
was gerade passiert: „Mich hat es einfach total getriggert, ich kenne diese
Angst vor dem Krieg in der Form nicht.“ Sascha erzählt, wie ihm als
Jugendlichem im Sportverein Geflüchtete aus Ex-Jugoslawien vom Krieg
erzählt haben.
Das Konzept des Podcasts geht an solchen Stellen auf, und „Feel the News“
wird zu einer Art Safespace, zur intimen Gruppentherapie: Es ist Platz für
irrationale Gefühle. Als Zuhörer:in fühlt man sich weniger allein, denn
es werden kollektive Ängste ausgesprochen. Man hört: Andere fühlen das
auch.
Dieser tastende, wertungsfreie Ton, der „Feel the News“ tatsächlich
angenehm von anderen „Meinungsangeboten“ abhebt, wird leider nicht
durchgehalten. Immer wieder driftet Sascha Lobo ins
Weltmännisch-Oberlehrerhafte ab und beginnt, die ganz großen Zusammenhänge
erklären zu wollen.
Zum Beispiel, dass der ukrainische Präsident Selenski „virtuos mit den
sozialen Medien umgeht“ und Putin mit seiner Propaganda wie ein
„tollwütiger Hund“ agiere. Dass Wut auch nur verdrängte Angst sei.
## Plötzlich Predigt
Gegen Ende geht es um das virale Video von Tobias Hans, worin der
saarländische Ministerpräsident die hohen Spritpreise beklagt. Die träfen
schließlich nicht nur „Geringverdiener“, sondern auch „Fleißige“.
Und plötzlich verwandelt sich „Feel the News“ in eine Predigt. Den Rest der
Zeit ärgert sich Sascha Lobo über die Doppelmoral der linksliberalen
Twitter-Community, über Altbauwohnungen und Jan Böhmermann („die moralische
Instanz für Abiturientendeutschland“). Juliane Lobo unterstützt die Thesen
ihres Ehemannes, der jetzt zum ersten Mal im Podcast wirklich emotional
wirkt.
Die kaum ausräumbare Kritik an „Feel the News“: Es geht fast ausschließli…
um deutsche Gefühle. Um vage Ängste um den Wohlstand der Zukunft. Klar,
auch berechtigt. Nicht aber vergleichbar mit dem, was Menschen in der
Ukraine gerade erleben müssen. Man hätte auch ihnen im Podcast Raum geben
können.
Und während sich die Lobos etwas im Zoff des deutschen Bürgertums
verlieren, zeigt „Feel the News“ auch [2][eine Schwäche von Paar-Podcasts]:
voraus galoppierender Konsens. Man merkt den Hosts an, dass sie sich über
die Themen schon ausgiebig unterhalten haben. Als Zuhörer:in wird man
zur dritten Person am Tisch, auf die das Ehepaar einredet, bis man
aufgibt.Denn wenn die Lobos selbst etwas wütend macht, scheinen plötzlich
nicht mehr alle Gefühle berechtigt zu sein.
14 Mar 2022
## LINKS
[1] /Portraet-Sascha-Lobo/!5134551
[2] /Podcast-Paardiologie/!5624749
## AUTOREN
Emeli Glaser
## TAGS
Podcast-Guide
Nachrichten
Psychologie
True Crime
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Miniserie
Charlotte Roche
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