| # taz.de -- Neue Comedy-Serie „Oh Hell“: Deutsche Serie mal in lustig | |
| > In Sachen Comedy sah die deutsche Serienlandschaft bisher karg aus. Doch | |
| > „Oh Hell“ mit Schauspielhoffnung Mala Emde glänzt mit überraschendem | |
| > Witz. | |
| Bild: Mala Emde als Helene, die oft nur „Hell“ genannt wird | |
| So sehr in den vergangenen Jahren angesichts von „Dark“, „Babylon Berlin�… | |
| oder [1][„Bad Banks“] von einem Boom deutscher Serien oder einer massiven | |
| Qualitätssteigerung im Vergleich zum sonstigen Krimi- und Vorabendeinerlei | |
| die Rede war, so einseitig schien dieser vermeintliche Trend lange zu sein. | |
| Während aufwendige Prestige-Produktionen immer häufiger zu überzeugen | |
| wussten, sah die Lage in Sachen Serien-Humor lange unverändert bescheiden | |
| aus. Man sehe sich nur die alljährlichen Nominierungen [2][für den | |
| Deutschen Comedypreis] an. Doch das muss nicht so bleiben, wie nun „Oh | |
| Hell“ beweist. | |
| Im Zentrum der achtteiligen, von Johannes Boss erdachten Serie steht die | |
| 24-jährige Helene (Mala Emde), die seit jeher von den meisten nur Hell | |
| genannt wird. Sie fühlt sich nach eigener Aussage eher, als sei sie 51. | |
| Grund könnte eine gewisse Rastlosigkeit sein, die schon in ihrer Kindheit | |
| dazu führte, dass bei ihr ADHS und sogar eine Manie diagnostiziert wurden. | |
| Eher ziellos und unstet ist Hells Leben jedenfalls auch als Erwachsene, und | |
| Dinge – wie sie selbst sagt – zu verkacken, ist längst eine ihrer | |
| Spezialitäten. Den Job im Kindergarten verliert sie schon nach ein paar | |
| Wochen wieder, nicht nur, aber auch weil sie eine ganze Ameisenkolonie hat | |
| einziehen lassen. Mit einer Kippe einen Waldbrand auszulösen ist ihr auch | |
| schon gelungen. Selbst die Ehe ihrer Eltern hat sie letztlich auf dem | |
| Gewissen. | |
| ## Das Verkacken vertuschen | |
| Immerhin: „Das Tolle daran, wenn du immer verkackst, ist: Du bist | |
| unglaublich kompetent darin, dein Verkacken zu vertuschen.“ Und tatsächlich | |
| gelingt es ihr selbst dann noch, ihren Vater (Knut Berger) davon zu | |
| überzeugen, sie würde weiterhin Jura studieren, als er unangekündigt bei | |
| der Examensfeier auftaucht, während sie gerade im Callcenter Gartenbedarf | |
| verkauft. | |
| Gegenüber ihrer langjährigen, aber nicht guten Freundin Maike (Salka Weber) | |
| irgendwelche Fassaden aufrecht zu erhalten, ist dagegen deutlich schwerer, | |
| denn die kennt sie als erfolgreiche Influencerin und Startup-Unternehmerin | |
| mit dem Widerspruch von Schein und Sein durchaus aus. | |
| Als Hell mal wieder aus dem Stegreif biografische Unwahrheiten improvisiert | |
| und von einem Musiker als neuem Freund berichtet, will Maike ihn natürlich | |
| kennen lernen. Der Cello-Lehrer Oskar (Edin Hasanović), wahllos gefunden | |
| über einen Abreißzettel, könnte Abhilfe schaffen. Doch das | |
| Verkack-Potential ist natürlich wieder groß… | |
| Erste Tendenzen dafür, dass auch in der deutschen Fernseh- und | |
| Streaminglandschaft Witz, Charme und Leichtigkeit nicht unmöglich sind, gab | |
| es zuletzt bereits bei Serien wie „Mapa“, [3][„All You Need“] oder aktu… | |
| auch „Doppelhaushälfte“ zu beobachten. Doch „Oh Hell“ ist ein ganz neu… | |
| Kaliber. | |
| ## Fast so gut wie „Fleabag“ | |
| Eine gleichermaßen verpeilte wie patente (Anti-)Heldin wie Hell, die ihre | |
| eigene Geschichte auch aus dem Off kommentiert, und stilsicher umgesetzte | |
| und in die Handlung integrierte Abstecher in deren Phantasievorstellungen | |
| oder Erinnerungen kennt man sonst eher aus britischen Produktionen wie | |
| „Pure“ und natürlich „Fleabag“. An deren Qualität kommt „Oh Hell“… | |
| unerwartet nahe heran. | |
| Boss, der auch schon an „jerks“ beteiligt war und eher für vermeintlichen | |
| Männer-Humor von Christian Ulmen oder Benjamin von Stuckrad-Barre bekannt | |
| ist, gelingt eine erfreulich glaubwürdige, unperfekte und dreidimensionale | |
| Protagonistin, an der man sich – auch dank des energievollen und perfekt | |
| getimten Spiels von Mala Emde, spätestens seit „Und morgen die ganze Welt“ | |
| ohnehin die große deutsche Schauspiel-Hoffnung, kaum sattsehen kann. | |
| Sie und ihr Umfeld sind gerade so weit überzeichnet, dass genug Raum bleibt | |
| für oft brüllend komische Gags, aber nie die Bodenhaftung oder die | |
| tragischen Untertöne verloren gehen. Die Dialoge sitzen, der Humor wird | |
| (selbst bei vermeintlich einfachen Zielen wie Instagram-Achtsamkeit) nie | |
| plump und das Tempo stimmt in jeder einzelnen der knapp 30-minütigen, von | |
| Lisa Miller und Simon Ostermann inszenierten Folgen. | |
| „Oh Hell“ ist ein großes Vergnügen – und eine Ausnahmeerscheinung unter | |
| deutschen Serien. Es macht Hoffnung darauf, dass es dabei nicht bleiben | |
| wird. | |
| 18 Mar 2022 | |
| ## LINKS | |
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| ## AUTOREN | |
| Patrick Heidmann | |
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