Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Serie „Pachinko“ bei AppleTV+: Ein Ringen um Heimat
> Die neue Serie „Pachinko“ ist eine koreanische Familien-Serie. Die feine,
> kunstvolle Erzählung legt Wert auf wichtige Erinnerungen.
Bild: Minha Kim, Inji Jeong und Steve Sanghyun Noh in „Pachinko“
Dem Begriff Familiensaga haftet etwas Altmodisches an. Denkt man an ihn im
Kontext von Fernsehserien, kommen einem „Fackeln im Sturm“ oder „Das Erbe
der Guldenburgs“ in den Sinn, Achtziger Jahre-Kitsch und
generationsübergreifende Gefühlsduseligkeiten. Selbst wem [1][neuere
Produktionen wie „Downton Abbey“] einfallen, outet sich nicht gerade als
Hipster. Auch „Pachinko“, zu sehen ab dem 25. März bei AppleTV+, unterzieht
das Genre nun keiner radikalen Neuerfindung. Aber qualitativ wird es hier
auf ein ganz neues Niveau gehoben.
Erzählt wird in „Pachinko“ die Geschichte einer koreanisch-stämmigen
Familie über mehrere Generationen im 20. Jahrhundert, von 1915 bis 1989. Im
Zentrum steht dabei Sunya, die als Mädchen (Jeon Yu-na, eine umwerfende
Kinderdarstellerin) in einem Fischerdörfchen bei Busan unter japanischer
Besatzung aufwächst. Als junge Frau (Kim Min-ha) weckt der ebenso elegante
wie zwielichtige Fischhändler Koh Hansu (Lee Min-ho, ein Superstar in
Korea) ihr Interesse, der – wie sich herausstellen wird – mit der Yaukza
verbandelt ist.
Letztlich allerdings verlässt sie die Heimat mit dem zurückhaltenden
Pfarrer Baek Isak (Steve Sanghyun Noh) und zieht nach Osaka, wo sie auch
Jahrzehnte später noch lebt. Dort betreibt ihr Sohn Baek Mozasu (Soji Arai)
eine gut laufende Automatenspielhalle (ihren Titel verdankt die Serie dem
in Japan beliebten, Flipper-artigen Arcade-Spiel Pachinko), während ihr
Enkel Solomon (Jin Ha, der sich nach Serien wie „Devs“ endgültig für
Größeres empfiehlt), der eigentlich schon als Jugendlicher in die USA
ausgewandert war und an der Wall Street erfolgreich ist, aus beruflichen
Gründen für einige Zeit nach Japan zurückkehrt und natürlich auch Zeit mit
seiner Großmutter (Oscar-Gewinnerin Youn Yuh-jung ist so etwas wie die
Seele der Serie) verbringt.
Anders als der gleichnamige Roman der koreanisch-amerikanischen
Schriftstellerin Min Jin Lee erzählt die Serien-Adaption von „Pachinko“
diese beinahe ein ganzes Jahrhundert abdeckende Geschichte nun nicht
chronologisch, sondern schiebt die verschiedenen Zeitebenen ineinander.
Rückblenden, Zeitsprünge und aufgebrochene Handlungsstränge sind dieser
Tage in Serien allgegenwärtig und oft unnötig beziehungsweise bloß dazu da,
von Schwächen in der Story abzulenken. Nicht so in diesem Fall: selten
wurde so fein und kunstvoll ein erzählerisches Netz über verschiedene
Jahrzehnte gewebt, das nicht nur tatsächlich das Gefühl einer
zusammenhängenden Familienchronik entstehen lässt, sondern auch deutlich
macht, wie wichtig Erinnerung und Vermächtnis in dieser Geschichte und für
diese Figuren sind.
## Verhältnis zwischen Korea und Japan
Im fantastischen Vorspann der Serie tanzen alle Schauspieler*innen in
ihren jeweiligen Kostümen zusammen zu „Let’s Live For Today“ von The Gra…
Roots und machen so gleich zu Beginn jeder Episode klar, wie eng
Vergangenheit und Gegenwart hier miteinander verknüpft sind und dass die
Erfahrungen einer Figur auch Jahrzehnte später noch auf andere Generationen
nachwirken.
Trotz sich stetig wandelnder politischer und gesellschaftlicher Umstände
bleiben die Themen, die in „Pachinko“ auf den verschiedenen Zeitebenen
verhandelt werden, immer ähnliche; es geht um Ausgrenzungserfahrungen und
ein Ringen um Heimat, um Trauer und um Liebe, aber eben auch ganz konkret
um historische Ereignisse (eine Folge etwa ist dem großen Kantō-Erdbeben
von 1923 und dem darauf folgenden Massenmord an mehreren hundert
Koreaner*innen gewidmet) und das bis heute belastete Verhältnis
zwischen Korea und Japan.
Es ist bemerkenswert, wie Showrunnerin und Autorin Soo Hugh über acht
Folgen stets alle Fäden mit scheinbarer Leichtigkeit beisammen hält und die
Geschichte trotz ihrer epischen Weite nie ausufern lässt. Das exzellente
Ensemble und [2][die beiden Regisseure – der in Korea] geborene Kogonada,
dessen Film „After Yang“ gerade in den USA gefeiert wurde, und Justin Chon,
dessen Melodrama „Blue Bayou“ aktuell in deutschen Kinos läuft – leisten…
„Pachinko“ kaum weniger eindrucksvolle Arbeit. Gemeinsam gelingt ihnen ein
emotional dichtes und bemerkenswert intimes Meisterwerk mit Bildern und
Dialogen von betörender Schönheit. Eine Familiensaga, die ihresgleichen
sucht.
24 Mar 2022
## LINKS
[1] /Britische-Serie-Downton-Abbey/!5076801
[2] /Koreanische-Filme-im-Forum/!5168245
## AUTOREN
Patrick Heidmann
## TAGS
TV-Serien
Apple
Serien
Serien-Guide
Korea
Disney
Christian Ulmen
TV-Serien
Miniserie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Marvel-Serie bei Disney+: Der Held aus der zweiten Reihe
Die neue Marvel-Serie „Moon Knight“ setzt auf neue Erzählmuster und
Figuren. So bleibt die Geschichte unerwartbar – aber auch kompliziert.
Neue Comedy-Serie „Oh Hell“: Deutsche Serie mal in lustig
In Sachen Comedy sah die deutsche Serienlandschaft bisher karg aus. Doch
„Oh Hell“ mit Schauspielhoffnung Mala Emde glänzt mit überraschendem Witz.
Sky-Serie „Funeral for a Dog“: Wer von den beiden?
Die Serie „Funeral for a Dog“ erzählt von einer Dreiecksbeziehung. Dabei
nutzt sie Referenzen auf thematische Vorbilder.
Britische Miniserie „Landscapers“: Bieder und verschroben
Die auf Sky zu sehende Serie „Landscapers“ zeigt ein Ehepaar in einer
Scheinwelt. Es flüchtet davor, dass es zwei Menschen getötet haben soll.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.