# taz.de -- Schriftsteller:innen zum Ukrainekrieg: Kultur ist Putin egal | |
> Der PEN lud in Leipzig zu einem Podium über den Krieg. Nicht leicht, eine | |
> ukrainische Autorin zu finden, die noch mit Russen reden möchte. | |
Bild: Themen auf der Buchmesse Pop Up in Leipzig: Bücher – und der russische… | |
„Es widersteht mir, eine neue theoretische Formel für den Krieg zu finden. | |
Ich weiß nur, dass der Krieg etwas Ungeheuerliches ist“, sagt der | |
[1][Historiker Karl Schlögel] am Beginn der Veranstaltung „Nein zu Putins | |
Krieg“, die am Samstagabend auf der Popup-Buchmesse im Leipziger Werk 2 | |
stattfindet. | |
Der Schriftstellerverband PEN hat dazu eingeladen und laut Moderatorin | |
Cornelia Zetzsche war es gar nicht so einfach, eine:n ukrainische:n | |
Schriftsteller:in zu finden, die bereit war, sich hier mit einem | |
russischen und einer belarussischen Kolleg:in zum Gespräch hinzusetzen. | |
Diese Anfrage sei „unverschämt“, habe sie unter anderem als Antwort | |
erhalten. Die Ukrainerin Marjana Gaponenko, die tatsächlich gekommen ist, | |
sagt, sie verstehe, dass man aufgebracht sei. „Aber wir dürfen unseren Hass | |
auf Putin nicht auf unser Mitstreiter projizieren. Es geht hier nicht um | |
Politik, sondern ums Menschsein.“ | |
Aber welche Rolle kann die Literatur noch spielen, wenn Krieg ist? | |
„Literatur versagt immer, wenn ein Krieg beginnt“, sagt der russische | |
[2][Autor Michail Schischkin.] „Die deutsche Literatur konnte Auschwitz | |
nicht stoppen.“ Doch ihr käme später eine wichtige Rolle zu, erklärt er. | |
„Hass und Schmerz kann man nur mit der Kultur überwinden. Da werden wir die | |
Literatur brauchen.“ | |
Gaponenko betont, als es um die Frage geht, ob als nächstes das | |
Weltkulturerbe in Lwiw von der russischen Armee zerstört werden wird: | |
„Kultur ist Putin egal. Genauso wie das menschliche Leben.“ | |
Auch diese Veranstaltung – [3][wie so viele in den letzten Wochen] – widmet | |
sich der Frage, was man machen kann. Als Mensch und als Kulturschaffende. | |
Dass man nichts machen kann, sei sowohl wahr als auch falsch, findet die | |
belarussische Linguistin Volha Hapeyeva. „Wahr, weil sie mich nicht hören, | |
wenn ich auf die Straße gehe und fordere: Aufhören!“ Aber viele Autorinnen | |
und Lyrikerinnen hätten in den letzten Jahren, zum Beispiel nach der | |
Annektierung der Krim darüber geschrieben. „Aber wer hört auf | |
Schriftsteller?“, fragt Schuchkin mehrmals an dem Abend. | |
## Keine Pazifistin mehr | |
Die Grenzen des Wortes und des Dialogs während eines Kriegs werden in | |
dieser Diskussion immer offensichtlicher. Zwar fragt Hapeyeva, wieso | |
überhaupt noch Waffen hergestellt werden, aber Schlögel betont, dass der | |
Dialog, der immer wieder versucht wurde, indem sich in Moskau Politiker an | |
den langen Tisch Putins saßen, nichts gebracht habe. „Der PEN hat die | |
Aufgabe sich für einen Krieg gegen den Krieg aufzustellen “, sagt der | |
Historiker und verweist auf die Geschichte, in der der PEN für einen | |
kämpferischer Antifaschismus stand. | |
Der PEN in der Ukraine und andere Literaturinstitutionen des Landes haben | |
längst eine Totalboykott russischer Bücher und Verlage gefordert. Der | |
Übersetzer Juri Durkot, der live aus Lwiw zugeschaltet wird, sagt, dass er | |
in einer normalen Welt gegen Verbote wäre. Aber die Welt sei nicht mehr | |
normal. „Bei den zeitgenössischen Autoren in Russland, die den Krieg | |
unterstützt haben – und das sind wirklich sehr viele – ist es eine Frage | |
der Selbsthygiene. Bei allen anderen ist es eine Frage des | |
Fingerspitzengefühls.“ | |
Gaponenko meint, dass sie zur Zeit nicht schreiben könne. „Ich kann erst | |
dann schreiben, wenn wir diesen Krieg gewonnen haben.“ Sie könnte nicht | |
einmal weiterleben, wenn Putin die Ukraine annektieren würde. Und so bittet | |
sie um mehr Waffen aus Deutschland und von der Nato. „Ich habe das nie | |
gedacht, dass ich das ich als Schriftstellerin sage, aber ich bin keine | |
Pazifistin mehr.“ | |
21 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Juliane Streich | |
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