# taz.de -- Lafontaine tritt aus Linkspartei aus: Maximaler Schaden | |
> Oskar Lafontaines Austritt ist nicht nur wenig stilsicher, sondern zeigt | |
> auch seine Egozentrik. Denn in zehn Tagen wird im Saarland gewählt. | |
Bild: Oskar Lafontaine bei seiner Rede im Saarländischen Landtag am 16.März | |
Oskar Lafontaine war einer der talentiertesten Politiker der | |
Bundesrepublik: ein rhetorisches Naturereignis unter lauter politischen | |
Sachbearbeitern. Seine altersweise, [1][kluge Abschiedsrede im | |
Saarländischen Landtag] über Krieg und Frieden, bejubelt von fast allen | |
Fraktionen, versprühte noch mal etwas von diesem Glanz. Sie sollte etwas | |
Historisches sein. Die letzte Rede eines Staatsmanns. | |
Ein Staatsmann? Dazu fehlte Lafontaine immer das Entscheidende. Wo | |
Disziplin und Verantwortungsbewusstsein nötig waren, war bei ihm ein | |
maßloses Ego. Lafontaine hatte als Politiker immer etwas von [2][Jekyll & | |
Hyde]. Das Großartige siedelte direkt neben dem Kleinlichen, das | |
Mitreißende neben dem Zerstörerischen. | |
Um das ganze Bild zu sehen, muss man neben seine Landtagsrede seine | |
Erklärung [3][zum Austritt aus der Linkspartei] legen. Dort klagt er, | |
[4][dass ihm in dem chaotischen saarländischen Landesverband der | |
Linkspartei bitteres Unrecht geschehen] sei. Als wäre er selbst ein | |
Unbeteiligter und nicht Teil jener endlosen Querelen dort, die schon lange | |
kein Außenstehender mehr durchblickt. „Nach dem sozialen Profil sollen | |
jetzt auch noch die friedenspolitischen Grundsätze der Linken abgeräumt | |
werden“ klagt er, der einsame Rufer in der Wüste. Es herrscht Verrat, | |
allerorten. Dieses Austrittsschreiben ist ein Dokument jener | |
Selbstgerechtigkeit, die immer Grenze und Scheitern von Lafontaine | |
markierten. | |
So bleibt am Ende dieser Karriere etwas Klägliches. Seine schwindende | |
Bedeutung ließ sich an den Namen seiner Gegner ablesen: Helmut Kohl, | |
Gerhard Schröder, Dietmar Bartsch, und schließlich Thomas Lutze. Dass er | |
zehn Tage vor der Wahl im Saarland austritt, ist eine Art politisches | |
Dum-Dum-Geschoss. Er will maximalen Schaden in der Linkspartei anrichten. | |
## Austritt als Farce | |
Verdrießlich stimmt an diesem Abgang auch, wie wenig stilsicher er ist. Es | |
ist eine Wiederholung seines Rücktritts als SPD-Chef 1999, fast exakt genau | |
vor genau 23 Jahren. Der Austritt nun ist ein Selbstzitat, das die | |
Egozentrik des Ganzen unterstreicht. 1999 war Lafontaines Abgang eine Art | |
Tragödie für die danach recht kopflose SPD-Linke. Der Austritt jetzt ist | |
Farce und müder Abklatsch. | |
Für die nach Wahlschlappe und Putins Krieg orientierungslose Linkspartei | |
ist all das nicht schön. Aber nur auf den ersten Blick. Es ist naheliegend, | |
zu vermuten, dass auch Wagenknecht und ihre Getreuen der Partei bald den | |
Rücken kehren können. Das kann der Linken im Bundestag sogar den | |
Fraktionsstatus kosten. Doch dieser Exodus kann sich trotz kurzfristiger | |
Schadensbilanz mittelfristig rechnen. Ob die Linkspartei ohne | |
Putin-Versteher, Corona-Zweifler und Populisten eine Zukunft hat, ist | |
ungewiss. Sicher ist aber: Mit ihnen hat sie keine. | |
17 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=J3ldigdj9y4 | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Der_seltsame_Fall_des_Dr._Jekyll_und_Mr._Hyde | |
[3] /Parteigruender-tritt-ab/!5842347 | |
[4] https://www.oskar-lafontaine.de/ | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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