| # taz.de -- Ukraine-Streit bei „konkret“: Grenzen ziehen | |
| > Die Kreml-nahe Haltung der linken Zeitschrift „konkret“ spaltet die | |
| > Autor:innenschaft. Dreißig von ihnen haben sich nun öffentlich | |
| > distanziert. | |
| Bild: Die „konkret“-Märzausgabe, die für Streit sorgte | |
| Muss man, wenn man für eine Zeitschrift schreibt, immer mit allen Texten | |
| übereinstimmen, die in derselben erscheinen? Bis zu einem gewissen Punkt | |
| nein, findet Alex Feuerherdt, der bis vor Kurzem für die konkret schrieb. | |
| Doch nun wurde nicht nur seiner Meinung nach dieser Punkt überschritten. Er | |
| ist eine:r der 17 Erstunterzeichner:innen der vor zwei Wochen | |
| veröffentlichten Erklärung „Warum wir nicht mehr für Konkret schreiben“. | |
| Mittlerweile haben insgesamt um die 30 Autor:innen unterschrieben. | |
| Das monatlich erscheinende Magazin, für das auch schon linke Stimmen wie | |
| Ulrike Meinhof schrieben, gibt es seit 1957. Selbst versteht es sich als | |
| „einzige linke Publikumszeitschrift Deutschlands“. Die | |
| Unterzeichner:innen der Erklärung sehen das Magazin mittlerweile eher | |
| in eine andere Richtung abdriften: in die „Nachbarschaft der AfD, des | |
| völkischen Flügels der Linkspartei oder Jürgen Elsässers Compact“, heißt | |
| es. | |
| „Man muss die Grenze ziehen, wenn man das Ganze gar nicht mehr verantworten | |
| kann“, sagt Feuerherdt. Bei den Unterzeichner:innen war es der | |
| redaktionelle Kurs zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der | |
| konkrete Anlass für die Beendigung der Autor:innenschaft bot sich mit | |
| der Märzausgabe der Zeitschrift, die am 25. Februar, das heißt einen Tag | |
| nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine erschien. Unter dem Titel: „Go | |
| East! Nato-Aggression gegen Russland“. | |
| ## Selbstkritik sieht anders aus | |
| „Wer ‚gegen den Westen‘ zum einzigen Entscheidungskriterium macht, kann | |
| sich jede Unverschämtheit herausnehmen und jede Barbarei zum Widerstandsakt | |
| verklären. Aus einem Organ der Kritik wird dann eine monatliche Junge Welt. | |
| Für die schreiben wir aus guten Gründen nicht. Für die Kopie dann halt auch | |
| nicht“, heißt es. Eine Kurzschlussreaktion sei es keinesfalls gewesen, | |
| meint Feuerherdt: „Zwischen der Märzausgabe und jetzt war ziemlich viel | |
| Zeit.“ | |
| In dieser habe man auf eine selbstkritische Auseinandersetzung innerhalb | |
| der Zeitschrift gehofft. Im April seien zwei kritische Texte erschienen: | |
| eine generelle Kritik von Lars Quadfasel daran, wie linke Kreise die | |
| Kreml-Politik rechtfertigen, und eine Replik JustIn Mondays auf die | |
| Titelgeschichte der Märzausgabe. In der Maiausgabe seien die beiden Autoren | |
| dann als Imperialisten beschimpft worden. „Mit Erschrecken mussten wir | |
| feststellen: Selbstkritik sieht anders aus“, sagt Feuerherdt. | |
| Die Entscheidung der Autor:innen zu gehen, habe sich schon über eine | |
| gewisse Zeit angebahnt. In den letzten zwei Jahren seien „schlechter linker | |
| Antiimperialismus“ und eine unkritische Haltung gegenüber Ländern wie | |
| Russland oder China immer stärker geworden, erzählt Olaf Kistenmacher – | |
| selbst lange Autor und Schlussredakteur bei konkret. Vor etwa zwei Jahren | |
| übernahm auch die Tochter des langjährigen, verstorbenen Herausgebers | |
| Hermann L. Gremliza – Friederike Gremliza – die Zeitschrift. Als | |
| verantwortliche Herausgeberin und Geschäftsführerin. | |
| Auf Anfrage der taz zu den inneren Streitigkeiten und politischen | |
| Haltungen, antwortet Gremliza: Alles was konkret dazu zu sagen habe, sei | |
| auf ihrer Website zu finden. Hier findet sich nach der Veröffentlichung der | |
| Erklärung eine kurze, von der Redaktion unterschriebene „Richtigstellung“. | |
| Darin heißt es, ein großer Teil der Unterzeichner:innen seien keine | |
| Autor:innen von konkret. Demnach sei die Erklärung selbst ein | |
| „Etikettenschwindel und Hochstapelei“. Außerdem sei sie „randvoll mit | |
| Halbwahrheiten und ganzen Lügen“ und „geprägt vom Willen zu einer | |
| politischen Hetze, die eine Antwort nicht verdient“. | |
| ## Verblüffende Übereinstimmungen mit Rechten | |
| Für Kistenmacher ist klar, dass die Richtigstellung von Gremliza selbst | |
| kommt. „Sie ist eine politische Bankrotterklärung“, findet Feuerherdt, | |
| stelle überhaupt nichts richtig und zeige, dass ihr Schritt der richtige | |
| gewesen sei. „Das sind nicht irgendwelche Leute, die gekündigt haben“, sagt | |
| Kistenmacher. | |
| „Sondern prägende Leute wie Lars Quadfasel, der zum Beispiel öfters die | |
| politische Leitkolumne übernommen hat. Wir haben nicht gesagt, die konkret | |
| weise generell eine Nähe zu AfD und Compact auf, sondern darauf hingewiesen | |
| – und das ist sachlich richtig –, dass es in der Frage, wie man sich zu | |
| Russland positioniert, verblüffende Übereinstimmungen gibt zwischen | |
| extremen Rechten und radikalen Linken.“ Zum Beispiel der Jungen Welt oder | |
| eben in den letzten Ausgaben der konkret. | |
| Auf der Liste der Unterzeichner:innen stehen auch Autor:innen wie | |
| Marit Hofmann – ehemalige Kulturredakteurin der konkret – die schon 2020, | |
| als Friederike Gremliza übernahm, gekündigt hatte. Auch ein großer Teil der | |
| Unterzeichner:innen haben in den vergangenen zwei Jahren kaum noch für | |
| die konkret geschrieben, hatten ihre Autor:innenschaft aber nie | |
| explizit niedergelegt. Alex Feuerherdt, Olaf Kistenmacher, Lars Quadfasel | |
| oder JustIn Monday hingegen waren zum Beispiel bis zu den letzten Ausgaben | |
| regelmäßig im Magazin vertreten. | |
| Kistenmacher schätzt, dass etwa ein Fünftel der Autor:innen bei konkret | |
| die Erklärung unterschrieben haben. Weitere stünden dahinter, doch: „Zu | |
| kündigen ist natürlich eine schwere Entscheidung. Viele Texte gehen | |
| eigentlich nur in der konkret. Einige Autor:innen können sich das nicht | |
| erlauben“, sagt er. Laut Feuerherdt hat sich nun jedenfalls eine Lücke in | |
| der linken Medienwelt aufgetan. Es bleibt offen, ob die ausgestiegenen | |
| Autor:innen ein neues Medium gründen wollen. Ein Text von Olaf | |
| Kistenmacher, den konkret nicht drucken wollte, ist jedenfalls bei Jungle | |
| World erschienen. | |
| 17 Jul 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Ruth Lang Fuentes | |
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