# taz.de -- Grüne und Linke im Saarland: Ruinöse Machtkämpfe | |
> Der Zoff bei den Linken sowie den Grünen an der Saar weist Parallelen | |
> auf: in die Jahre gekommene Protagonisten streiten um wenige Posten. | |
Bild: Neustart ohne den alten Übervater: Lisa Becker für die Grünen | |
Zehn Tage vor der Landtagswahl treffen im Studio des Saarländischen | |
Rundfunks die SpitzenkandidatInnen der sechs aussichtsreichsten Parteien | |
zur großen TV-Diskussionsrunde ein. Für Gesprächsstoff sorgt an diesem Tag | |
Oskar Lafontaine. Der mit Abstand bekannteste saarländische Politiker hat | |
am Morgen [1][seine Linken-Mitgliedschaft aufgekündigt]. „Oskars“ Botschaft | |
und Timing könnte der Linken den sicher geglaubten Wiedereinzug [2][in den | |
nächsten Landtag vermasseln]. Doch die Linken-Spitzenkandidatin Barbara | |
Spaniol, 58, macht gute Miene zum bösen Spiel: „Ohne ihn würde es die Linke | |
gar nicht geben, wir haben ihm sehr viel zu verdanken“, sagt sie und | |
versichert, „seine Verdienste sind bekannt, sie werden auch bleiben. Ich | |
wünsche ihm alles, alles Gute!“ | |
Spaniols Würdigung ist bemerkenswert, weil „Oskar“ persönlich im letzten | |
November ihren Rauswurf aus der Landtagsfraktion betrieben hatte. Mit ihren | |
freundlichen Worten versucht die dienstälteste Linken-Landtagsabgeordnete | |
das vorläufige Ende einer Schlammschlacht schönzureden, in der sie zwischen | |
die Fronten geraten war. Für die Linken-Frontfrau wird der Wahlabend nun | |
zur Zitterpartie. Mit seinem Schritt kommt Lafontaine einem | |
Parteiausschluss zuvor, erfüllt sogar die Aufforderung des von dem | |
Linken-Bundestagsabgeordneten Thomas Lutze geführten Landesvorstands. | |
Dieser Crash ist der vorläufige Höhepunkt eines jahrelangen parteiinternen | |
Machtkampfs zweier Egomanen. | |
Es dürfte den Linken ein schwacher Trost sein, dass auch die Grünen im | |
Saarland ähnliche Probleme hatten. Auch die frühere saarländische | |
Regierungspartei hat vor der Öffentlichkeit einen ruinösen parteiinternen | |
Machtkampf zelebriert. Hubert Ulrich, 64, der mehrfach gefallene und | |
wiederauferstandene ehemalige Landesvorsitzende, wollte im vergangenen Jahr | |
[3][sein persönliches Comeback als Spitzenkandidat zur Bundestagswahl | |
erzwingen], ohne Rücksicht auf Verluste. | |
Am Ende langer Querelen stand die Partei am Tag der Bundestagswahl im | |
Saarland ohne rechtsgültige KandidatInnenliste da; Grüne waren dort | |
schlicht unwählbar. Inzwischen hat ein „Grünes Bündnis Saar“ frustrierte | |
Parteimitglieder eingesammelt und neue Mehrheiten bei den | |
KandidatInnenaufstellungen organisiert. Mit neuen KandidatInnen treten sie | |
zur Landtagswahl an. Ob die aus Ulrichs Schatten heraustreten können, | |
entscheidet sich am Sonntag. Es könnte eng werden für sie. | |
## Verbrannte Erde hinterlassen | |
Der Zoff bei Linken und Grünen an der Saar weist Parallelen auf. In beiden | |
Parteien sind ihre [4][in die Jahre gekommenen Protagonisten] nur | |
widerwillig abgetreten. Lafontaine und Ulrich hinterlassen verbrannte Erde. | |
In beiden Parteien zogen die Kontrahenten vor Schieds- und bei den Linken | |
sogar vor ordentliche Gerichte, um parteiinterne Wahlergebnisse zu kippen. | |
Lafontaine rief vor der letzten Bundestagswahl gar dazu auf, auf keinen | |
Fall die KandidatInnen der eigenen Partei zu wählen. | |
Lafontaine und die Mehrheit der Landtagsfraktion hatte dem | |
Spitzenkandidaten Lutze systematischen Betrug bei der Aufstellung von | |
Kandidatinnenlisten und Fälschung von Mitgliederlisten vorgeworfen. Die | |
Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Lutze wegen des Verdachts der | |
Urkundenfälschung. Das Verfahren wurde eingestellt. [5][Nicht Lutze, | |
sondern sein ehemaliger Mitarbeiter Mekan Kolasinac stehe im Verdacht], die | |
Beitragsquittungen gefälscht zu haben, so die Ermittlungsbehörde. Lutze | |
fühlt sich entlastet, Lafontaine sieht sich in seinen Betrugsvorwürfen | |
bestätigt. Schließlich sei Kolasinac damals Lutzes Mitarbeiter gewesen. | |
## Enge Verflechtungen | |
Vielleicht sind es die engen persönlichen Verflechtungen der Menschen im | |
kleinen Saarland, die übersichtliche Anzahl an aktiven Parteimitgliedern, | |
bei denen einzelne Führungspersonen derart große Bedeutung erreichen | |
können. Vor allem in den kleinen Parteien verstärkt sich dieser Effekt, | |
weil sie nur wenige aussichtsreiche Positionen zu vergeben haben. Die | |
Konkurrenzkämpfe werden mit Härte ausgetragen. | |
Bei der Landtagswahl sollen es jetzt für die Linken die erfahrene Spaniol | |
und für die Grünen die Nachwuchspolitikerin Lisa Becker, 31, richten. | |
Spaniol empfiehlt ihre Partei als soziales Korrektiv in der | |
Landtagsopposition. Die Grüne Becker will die Energie- und Verkehrswende | |
voranbringen. Beide warnen sie vor Stillstand, sollte auch in den nächsten | |
fünf Jahren eine Große Koalition das Saarland regieren, gleich ob unter der | |
Führung der CDU oder der SPD. Lafontaine jedenfalls ist raus, und auf | |
taz-Nachfrage versichert die Grüne Becker, mit ihr werde es definitiv auch | |
kein Comeback von Hubert Ulrich geben. | |
24 Mar 2022 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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