# taz.de -- Lesung aus Essay „Verfluchte Neuzeit“: Die Moderne und ihre Geg… | |
> Karl-Heinz Ott liest in Hamburg, Lüneburg und Hannover aus seinem Essay | |
> „Verfluchte Neuzeit“. Darin beschäftigt er sich mit reaktionärem Denken. | |
Bild: „Ja zum Leben“: Demonstration gegen das Recht auf Abtreibung in Madri… | |
HAMBURG taz | „Kann man die Neuzeit verdammen? Die Neuzeit als ganze?“ Das | |
fragt der Essayist Karl-Heinz Ott ganz zu Beginn und sucht dann erst mal | |
ein paar wichtige Begriffe zu klären: Was ist das eigentlich genau, diese | |
Neuzeit? Dasselbe wie [1][die Moderne]? Und was haben beide mit der | |
Aufklärung zu tun? | |
Vielleicht noch wichtiger: Was soll nach ihr kommen, es kann schließlich | |
nichts neuer sein als neu – oder doch? Dass aber ein Ende nahe sei, ihr | |
eigenes Ende, diagnostiziert der vielfach ausgezeichnete Autor, das sei | |
immer mit im „Bild der Neuzeit“. Die steht für Freiheit, so Ott, und damit | |
in zunehmend mehr Augen für „Bodenlosigkeit“. | |
Beziehungsweise: „Was die einen [2][als Freiheit rühmen], verdammen die | |
anderen als Sinnlosigkeit.“ Manche dieser anderen krakeelen heute auf | |
höchst politischen „Spaziergängen“ herum und beanspruchen, selbst für ei… | |
abstrakte Freiheit zu streiten: von vermeintlich überbordender politischer | |
Korrektheit oder auch schlicht vom Infektionen erschwerenden | |
Mund-Nasen-Schutz. Zunehmend führen sie ihre Attacken aber auch vom | |
Schreibtisch aus, sitzen gar auf Ministerposten. | |
Ist der Protestantismus Schuld am allgemeinen Verfall; eine Sicht, die Ott | |
[3][bei den Romantikern] Novalis und Eichendorff findet, aber auch dem nach | |
Rechts offenen Staatsrechtler Carl Schmitt? Oder ist die radikale | |
protestantische Grüppchenbildung, weiß Gott nicht nur in Nordamerika, | |
vielmehr eine weitere Ausformung des „reaktionären Denkens“? | |
Und welche Rolle kommt denn nun den vielfach französischen | |
Vertreter*innen des Poststrukturalismus zu, aus nicht immer berufenem | |
Mund zuletzt wieder so gerne [4][für allerlei Übel verantwortlich] gemacht, | |
vom Verschwörungsglauben bis hin zu [5][emanzipatorisch verbrämter | |
pädosexualisierter Gewalt]? Anders als manche*r Kritiker*in hat Ott | |
Foucault wenigstens gelesen (und verstanden wohl auch). | |
So alt wie die Moderne sei auch ihr Gegenteil, so Ott, und gewinnen könne | |
die Vernunft nur, wenn sie ihre Gegner kenne. Erneut hat er ein enorm | |
belesenes, materialreiches Buch vorgelegt. Dessen Relevanz sich eigentlich | |
auch Menschen erschließen sollte, denen manches von Otts früheren Themen – | |
etwa Musik und Leben Georg-Friedrich Händels oder „Hölderlins Geister“ – | |
allzu speziell erschienen sein mag. | |
16 Apr 2022 | |
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[1] /Ausstellung-zu-Marx-und-Wagner-in-Berlin/!5831104 | |
[2] /Bewegung-gegen-Wokeness-in-Forschung/!5805602 | |
[3] /Urspruenge-der-Impfskepsis/!5818070 | |
[4] https://www.ruhrbarone.de/dreadlock-streit-laecherlich-machen-und-warnen/20… | |
[5] https://www.derstandard.de/story/2000125803352/paedophilie-vorwuerfe-gegen-… | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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