# taz.de -- Fazit zur Leipziger Pop-up-Buchmesse: Gelungene Selbstbehauptung | |
> Die Pop-up-Buchmesse in Leipzig war ein Erfolg. Wäre sie auch dauerhaft | |
> eine Alternative zur eigentlichen Messe? Die Antwort der Verlage ist | |
> klar. | |
Bild: Zurück zum Eigentlichen, den Büchern: Szene von der Pop-up-Buchmesse am… | |
Das Werk 2 ist ein Veranstaltungsort im Leipziger Stadtteil Connewitz. | |
Trommelkurse finden hier sonst statt, Theateraufführungen und Konzerte. | |
Über einen grob gepflasterten Zugang geht man auf die tausend Quadratmeter | |
große Haupthalle zu. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde sie erbaut, in der | |
DDR wurden hier Werkstoffprüfmaschinen gefertigt, worunter man sich nicht | |
recht etwas vorstellen kann, was aber in den vergangenen Tagen ganz gut | |
passte, weil in Büchern ja irgendwie auch die Werkstoffe einer Gesellschaft | |
geprüft werden. Hier, in dieser Halle, schlug in den vergangenen Tagen nun | |
also das Herz der deutschen Verlagsszene. | |
Es war dann doch noch eine ziemliche Buchmessen-Atmosphäre, die man sich in | |
der vergangenen Woche in Leipzig abholen konnte. Der Nobelpreisträger | |
Abdulrazak Gurnah kam. Im Literaturhaus lasen Stars wie Joshua Cohen. Nach | |
dem Österreich-Empfang schüttelten viele über Karl Markus Gauß den Kopf; | |
der Preisträger für Europäische Verständigung hatte in diesen emotional und | |
intellektuell herausfordernden Kriegszeiten offenbar ziemlich breitbeinig | |
einen vor allem auf sich selbst bezogenen Auftritt hingelegt. | |
Gossip, Begegnungen und kleine Sticheleien also. In diesen Coronazeiten | |
gibt man sich da auch mit einem beschränkten Angebot zufrieden. Und vor | |
allem fand im Werk 2 eben die sogenannte Pop-up-Buchmesse statt, auf der, | |
spontan nach der Absage der eigentlichen Buchmesse ins Leben gerufen, | |
sechzig Verlage ihre Bücher präsentierten. | |
Zurück zum Eigentlichen, zu den Büchern – dieser Eindruck wehte einen an, | |
sobald man die Halle betrat. Auf simplen Tischen ohne aufwendige | |
Messebauten hatten die Verlage ihre Bücher ausgelegt, eine kleine Fahne | |
zeigte den Verlagsnamen an, Verlagsmitarbeiter*innen standen hinter | |
den Tischen und gaben Auskunft, und in den Reihen zwischen den Tischen | |
arbeiteten sich die Besucher*innen durch die Programme, alle mit Maske | |
und die meisten den Blick gesenkt auf die jeweiligen Auslagen. | |
Für Zweistundenslots waren die Karten verkauft worden. Diese Zeit wollten | |
sie nutzen. Etwas von einem Flohmarkt hatte das Ganze, auf jeden Fall etwas | |
von einem Marktplatz. | |
## Wohlwollen und Respekt | |
Auch wenn die schiere Masse an Angeboten, die einen auf einer regulären | |
Messe geradezu überwältigen kann, auf der Pop-up-Messe selbstverständlich | |
nicht gegeben war, bekam man doch einen Einblick in die Vielfalt der | |
Verlagsangebote. An einem markanten Eckplatz begrüßte einen das ikonische | |
Gelb [1][des wieder neu gegründeten März Verlags]. Bei Suhrkamp hatte eine | |
Lektorin gute Laune, weil sie das alles an einen Soziologentag erinnerte. | |
Aufbau, Klett-Cotta, C. H. Beck, Hanser, Wagenbach, Wallstein, Matthes & | |
Seitz und Mare waren auch da. Annette Wassermann von Wagenbach wusste von | |
„Wohlwollen und Respekt“ zu berichten, die den Verlagen seitens der | |
Besucher*innen entgegengebracht wurden. | |
Mit etwas Abstand betrachtet, erzählte die Veranstaltung auch von dem | |
Selbstbehauptungswillen einer Branche, in der sich viele Menschen stark mit | |
dem, was sie machen, identifizieren und die es einfach braucht, dass | |
zweimal im Jahr, zu den Buchmessenzeiten, auch in der breiteren | |
Öffentlichkeit über Bücher diskutiert wird. | |
Was man auch sagen kann, ist, dass das alles sehr professionell organisiert | |
war. Das war nicht nur eine sympathische, aber auch chaotische | |
Indie-Veranstaltung, das war eine mit viel Know-how durchgezogene | |
Bücherschau. Das Ticketing, das Logo, die Pressearbeit, auch das | |
Hygienekonzept, das war schon alles gut durchdacht. 10.000 zahlende Gäste | |
waren an den drei Tagen da. | |
## Verlegerische Selbsthilfe | |
Wäre die Pop-up- also sogar eine Alternative zur großen Leipziger | |
Buchmesse? „Auf gar keinen Fall“, sagt Leif Greinus vom Verlag Voland & | |
Quist, wenn man ihn das fragt. Zusammen mit Gunnar Cynybulk, der Verleger | |
bei Aufbau und Ullstein war und nun den [2][von ihm gegründeten Kanon | |
Verlag] leitet, hatte Greinus die Idee für die Pop-up-Messe. Greinus | |
betont: „Wir stellen die eigentliche Messe nicht infrage.“ | |
Was man als Verlag brauche, seien die zufälligen Begegnungen mit am | |
Buchstand vorbeiströmenden, möglichst vielen Menschen. Bei Lesungen, so | |
wichtig die wiederum seien, treffe man doch vor allem auf das anvisierte | |
Zielpublikum. | |
Gunnar Cynybulk ergänzt das, er sieht die Pop-up-Messe, bei allem | |
erkennbaren Stolz, sie in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt zu haben, | |
als „Überbrückungshilfe“ und auch als verlegerische „Selbsthilfe“, bi… | |
hoffentlich wieder die Leipziger Buchmesse im großen Format stattfinden | |
kann. Dass es eine Nachfrage nach einer Messe, ja sogar ein Bedürfnis | |
vonseiten der Leserinnen und Leser gibt, diese Gewissheit konnte man gut | |
mit nach Hause nehmen. | |
20 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
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