# taz.de -- Ukrainekrieg vor dem UN-Gerichtshof: „Groteske Lügen“ | |
> Die Ukraine erhebt in Den Haag schwere Vorwürfe gegen Moskau. Damit wird | |
> auch das internationale Rechtssystem auf die Probe gestellt. | |
Bild: Den Internationalen Gerichtshof beschäftigt derzeit Russlands Angriffskr… | |
Amsterdam taz | Mit eindringlichen Appellen seitens der ukrainischen | |
Delegation haben am Montag die Anhörungen vor dem Internationalen | |
Gerichtshof (IGH) in Den Haag begonnen. Die ukrainische Regierung hatte das | |
Gericht kurz [1][nach Beginn der russischen Invasion am 24. Februar] | |
angerufen, um mit vorläufigen Maßnahmen ein Ende des Kriegs zu erwirken. | |
Oksana Zolotaryova, die die Ukraine beim höchsten juristischen Organ der UN | |
vertritt, erklärte in ihrem Abschluss-Statement: „Die Ukraine benötigt mehr | |
Unterstützung von ihren Alliierten in aller Welt. Das schließt dieses | |
Gericht mit ein.“ | |
Die vier geforderten Maßnahmen beinhalten ein sofortiges Aussetzen der | |
russischen Militär-Operationen, deren selbsterklärtes Ziel es ist, | |
[2][einen angeblichen Genozid in den ukrainischen Gebieten Luhansk und | |
Donezk zu verhindern]. Zudem sollen militärische oder irreguläre bewaffnete | |
Einheiten keine weiteren Schritte gegen die Ukraine unternehmen, um | |
besagten vermeintlichen Genozid zu verhindern oder zu bestrafen. Die | |
Russische Föderation soll sich weiterer eskalierender Schritte enthalten | |
und den Gerichtshof fortan mit regelmäßigen Berichten darüber informieren, | |
wie sie das Urteil implementiert. | |
Die leeren Plätze, auf denen die russische Delegation hätte Platz nehmen | |
sollen, markierten einen deutlichem Kontrast zu diesen Zielen. Gründe für | |
die Abwesenheit waren dem Gerichtshof nicht mitgeteilt worden. „Dass die | |
Stühle leer sind, spricht Bände“, so der ukrainische Gesandte Anton | |
Korynevych. „Sie sind nicht hier im Gericht, sondern auf dem Schlachtfeld | |
und führen einen Angriffskrieg gegen mein Land.“ Ob am Dienstag | |
Vertreter*innen der Russischen Föderation zu ihrer Anhörung erscheinen, | |
ist offen. | |
Der Gerichtshof will sein Urteil „so schnell wie möglich“ treffen, einen | |
Termin gibt es dafür aber bislang nicht. Eine Aussprache des International | |
Court of Justice ist theoretisch bindend, aber in der Praxis leisten | |
verurteilte Staaten dem längst nicht immer Folge. Auch im Fall der | |
russischen Föderation wäre dies überraschend. Das Gericht könnte den Fall | |
dem UN-Sicherheitsrat vorlegen, der theoretisch die Implementierung des | |
Urteils beschließen kann. Auch das ist jedoch wegen eines möglichen | |
russischen Vetos sehr unwahrscheinlich. | |
Im Zentrum der Anhörungen am Montag stand die UN-Konvention zur Prävention | |
und Bestrafung eines Genozids von 1948. Der Kreml rechtfertigt die | |
sogenannte „spezielle Militär-Operation“ in der Ukraine mit der Behauptung, | |
der russischsprachigen Bevölkerung in Luhansk und Donezk drohe seitens der | |
ukrainischen Regierung ein Völkermord. „Eine groteske Lüge“, so der Anwalt | |
David Zionts. | |
Zionts argumentierte, die russische Strategie der militärischen Aggression, | |
die mit dem Schutz angeblich bedrohter Bevölkerungsgruppen begründet werde, | |
folge dem von der Krim und dem Donbass bekannten Muster. „In den | |
vergangenen acht Jahren gab es keinen einzigen Hinweis auf einen Genozid.“ | |
Seine Kollegin Marney Cheek folgerte: „Das Vorgehen der Russischen | |
Föderation stellt die Genozid-Konvention auf den Kopf. Sie missbraucht die | |
Rechte, die dieses Abkommen bietet.“ Die übrigen Mitglieder der | |
ukrainischen Delegation illustrierten in der Folge, dass die russische | |
Invasion mit „weit verbreiteten“ Kriegsverbrechen zu einer humanitären und | |
ökologischen Katastrophe führe und darum umgehend gestoppt werden müsse. | |
Besonders eindringlich war der Appell des US-Juristen Harold Hongju Koh, | |
der ebenfalls die Ukraine vertritt: „Dieser Fall ist ein Test, wer sich | |
durchsetzt: Russland oder die internationale Nachkriegs- Ordnung? Dies ist | |
genau das, was unser Rechtssystem verhindern soll. Wozu haben wir diese | |
Institutionen, wenn sie angesichts einer solch klaren Aggression nicht | |
deutlich Stellung beziehen?“ | |
7 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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