| # taz.de -- Putin und das Völkerrecht: Moskaus abwegige Rechtfertigung | |
| > Völkerrechtlich lässt sich der russische Angriff nicht rechtfertigen. | |
| > Putins Behauptung, in Donezk und Luhansk drohe ein Genozid, ist absurd. | |
| Bild: Russische Panzer an der russisch-ukrainischen Grenze in der Rostov-Region… | |
| Freiburg taz | Die Invasion Russlands in die Ukraine ist ein illegaler | |
| Angriffskrieg. Russland versucht zwar, die Militäroperation völkerrechtlich | |
| zu rechtfertigen, doch die Argumente sind dünn und abwegig. | |
| Grundsätzlich gilt [1][nach der UN-Charta ein Gewaltverbot zwischen den | |
| Staaten]. Krieg wird nicht mehr als Fortsetzung der Politik mit anderen | |
| Mitteln akzeptiert. Russlands Präsident Wladimir Putin hat die russische | |
| Militäroperation in der Ukraine in seiner Fernsehansprache aber damit | |
| begründet, dass Russland von den Volksrepubliken Donezk und Luhansk um | |
| Hilfe gebeten wurde. | |
| Er habe daraufhin gemäß Artikel 51 der UN-Charta eine Militäroperation | |
| angeordnet. Artikel 51 erlaubt den ausnahmsweisen Einsatz von Gewalt zur | |
| Selbstverteidigung. Auf dieser Grundlage können auch andere Staaten einem | |
| angegriffenen Staat militärisch bei der Selbstverteidigung helfen. | |
| Die zentrale Schwachstelle von Putins Argumentation ist, dass er die | |
| Volksrepubliken Donezk und Luhansk als völkerrechtlich relevante Staaten | |
| behandelt. Bis vorige Woche gehörten die Gebiete allerdings noch eindeutig | |
| zur Ukraine – auch wenn die ukrainische Regierung seit April 2014 dort | |
| keine Kontrolle mehr ausüben konnte. | |
| ## Die Mär vom angeblichen Völkermord | |
| Die mit verdeckter russischer Hilfe errichteten Volksrepubliken hatten zwar | |
| faktisch staatsähnliche Macht, wurden aber international nicht als Staaten | |
| akzeptiert. Auch Russland hat sie erst am Montag (also kurz vor der | |
| Invasion) anerkannt. | |
| Völkerrechtlich ist es nur unter sehr engen Bedingungen möglich, dass sich | |
| Teile eines Staates abspalten, um einen eigenen Staat zu bilden. So genügt | |
| es nicht, dass sich eine Mehrheit der betroffenen Bevölkerung für eine | |
| Sezession ausspricht. Deshalb wurde auch eine Abspaltung Kataloniens von | |
| Spanien nicht anerkannt. Entsprechende [2][Volksabstimmungen in den | |
| Republiken Donezk und Luhansk] wurden international nicht akzeptiert. | |
| Völkerrechtlich anerkannt wird eine Sezession nur, wenn es eine | |
| schwerwiegende Unterdrückungssituation abzuwenden gilt – etwa einen | |
| drohenden Völkermord. Diese Sichtweise wird grundsätzlich auch von Russland | |
| geteilt, das sogar die Abspaltung des Kosovo von Serbien ablehnte. | |
| Wohl auch deshalb wurde von russischer Seite in den letzten Tagen immer | |
| wieder ein angeblicher „Genozid“ an der Bevölkerung in den Republiken | |
| Donezk und Luhansk angeführt. Dabei handelt es sich aber um offensichtliche | |
| Schutzbehauptungen. Militärische Auseinandersetzungen um die Kontrolle des | |
| Gebietes hatten keinesfalls das Ziel, die Bevölkerung der Volksrepubliken | |
| zu vernichten. | |
| ## Putin will Führung der Ukraine stürzen | |
| Die Hilfsbitten der international nicht anerkannten Volksrepubliken können | |
| also die russischen Militärmaßnahmen gegen die Ukraine nicht rechtfertigen. | |
| Zudem gab es auch gar keinen aktuellen Angriff der Ukraine auf die | |
| Volksrepubliken. | |
| Selbst Putin blieb in seiner Fernsehansprache vage. „Das Ziel der | |
| russischen Spezialoperationen ist es, die Menschen zu schützen, die acht | |
| Jahre lang vom Kiewer Regime misshandelt und ermordet wurden.“ Kein Wort | |
| von einem gegenwärtigen Angriff durch den ukrainischen Staat. Auch deshalb | |
| darf Russland hier keine legale Hilfe bei der Selbstverteidigung leisten. | |
| Besonders verstörend ist das Ziel, das Putin für die Militäroperationen | |
| ausgab. Russland werde „versuchen, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu | |
| entnazifizieren und diejenigen vor Gericht zu bringen, die zahlreiche | |
| blutige Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, einschließlich russischer | |
| Bürger, begangen haben“. | |
| Hier geht es eindeutig nicht mehr darum, die Volksrepubliken Donezk und | |
| Luhansk gegen einen Angriff des ukrainischen Staates zu verteidigen. | |
| Vielmehr will Russland die gewählte Führung der Ukraine stürzen, die es als | |
| „heutige Neonazis“ bezeichnet. Außerdem spricht Putin der Ukraine faktisch | |
| das Recht auf militärische Bewaffnung ab. | |
| Dass Russland „ständig von der Ukraine bedroht wird“, wie Putin sagte, ist | |
| angesichts des monatelangen russischen Truppenaufmarsches an der | |
| ukrainischen Grenze eine völlige Verdrehung der tatsächlichen Lage. Selbst | |
| ein Nato-Beitritt der Ukraine (der überhaupt nicht auf der Tagesordnung | |
| steht) wäre in keiner Weise geeignet, eine militärische Aktion Russlands | |
| gegen die Ukraine zu rechtfertigen. | |
| 24 Feb 2022 | |
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| Christian Rath | |
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