# taz.de -- Polizeiwache am Kottbusser Tor: „Das wird den Kotti verändern“ | |
> Das neue Bündnis „Kotti für alle“ wehrt sich gegen eine Polizeiwache im | |
> Neuen Kreuzberger Zentrum. Diese löse die Probleme des Platzes nicht. | |
Bild: Blick auf die Brücke des NKZ | |
taz: Herr Hunger, am Freitag will das neu gegründete Bündnis „Kotti für | |
alle“ gegen die [1][geplante Polizeiwache im Neuen Kreuzberger Zentrum] | |
(NKZ) demonstrieren. Welches Problem haben Sie mit der Wache? | |
Lino Hunger: Die Wache dient der Profilierung einer Innensenatorin, die | |
sich als stark beweisen möchte, ohne dass dadurch Probleme gelöst würden. | |
Dafür wird dann viel Geld draufgehen, das für die Verbesserung der | |
Infrastruktur am Platz viel dringender gebraucht würde. Es ist auch nicht | |
zu sehen, dass die schon seit Jahren verstärkte Polizeipräsenz die | |
Situation am Kotti verbessern würde. Aufgrund der Einstufung als | |
kriminalitätsbelasteter Ort kann die Polizei hier anlasslos und | |
verdachtsunabhängig kontrollieren. Sie wählt dabei aus rassistischen | |
Motiven aus, wen sie diesen teils demütigen Maßnahmen unterzieht. Wir haben | |
die Sorge, dass sich dieses Racial Profiling durch die Dauerpräsenz immens | |
verstärken wird. | |
Was befürchten Sie noch? | |
Senatorin Spranger plant zusätzlich eine umfassende [2][Überwachung des | |
Platzes mit Videokameras]. Wir wissen, dass dafür eine Änderung des | |
Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes nötig wäre. Wir haben die | |
ernsthafte Sorge, dass der Kotti mit seinem dramatischen Ruf hier als | |
Rammbock dienen soll, um der Totalüberwachung öffentlicher Orte in Berlin | |
Tür und Tor zu öffnen. | |
Welche symbolische Bedeutung hätte eine Wache an diesem Ort? | |
Der Ort ist so gewählt, dass er den Charakter des Kotti massiv verändern | |
wird. Diese Platzierung über der Adalbertstraße auf der Galerie des NKZ | |
bietet den vollen Überblick und soll durchaus symbolträchtig sein. So wie | |
die Wache da über unsere Köpfe hinweg hingezimmert wird, so thront sie dann | |
über uns, und zwar direkt neben dem Café Kotti, in dem sich viele | |
alternative Menschen treffen – aber sicherlich nicht mehr, wenn nebenan die | |
Beamten ein- und ausgehen. Dabei war der Kotti immer das Herz von Kreuzberg | |
36. Ein politischer Ort für Demonstrationen, aber auch für die | |
Organisierung und den Widerstand der Mieter:innen und Anwohnenden. | |
Könnte eine dauerhafte Polizeipräsenz deren Sicherheitsgefühl nicht | |
stärken? | |
[3][Das Sicherheitsgefühl ist für viele Anwohnende gestört] – das nehmen | |
wir durchaus zur Kenntnis. Aber das drückt sich nicht so sehr durch eine | |
aktuelle Bedrohungslage aus, die durch eine Polizeipräsenz besiegt wäre, | |
sondern vor allem dadurch, dass die hier konzentrierten und offen zu Tage | |
tretenden sozialen Probleme den Menschen sehr nah an ihren Wohnbereich | |
gehen. Es gibt Obdachlose, die in den Häusern Unterschlupf suchen, | |
Drogenabhängige, viel Schmutz. Es gäbe viele soziale Ansätze, die im | |
Gegensatz zum Einsatz staatlicher Gewalt wirklich helfen könnten. Es | |
bräuchte beispielsweise Notunterkünfte für Menschen, damit sie nicht in | |
Treppenhäusern schlafen müssen; öffentliche Toiletten, damit nicht überall | |
Unrat hinterlassen wird; und vor allem einen diskriminierungsfreien Zugang | |
zu Gesundheitsversorgung, Substitutions- und Suchthilfeprogrammen – auch | |
für nichtdeutsche Bürger:innen. All das würde einen Großteil der Probleme | |
lösen, die die Wohnqualität am Kotti einschränken. | |
Was wünschen sich die Anwohner:innen und Initiativen von „Kotti für | |
alle“ anstelle einer Wache? | |
Zunächst sollte der Senat, wenn er irgendeine Lösung für den Kotti finden | |
möchte, aufhören, die Anwohnenden und Gewerbetreibenden zu ignorieren, | |
sondern sie beteiligen. Viele sind seit Jahren engagiert, sie einzubinden | |
drängt sich regelrecht auf. So haben etwa die „Kotti-Runden“ schon vor | |
Jahren sehr ausführliche und konkrete Konzepte und Forderungen entwickelt. | |
Das könnte man ja mal ernst nehmen. Doch was wir sehen, ist ein | |
sicherheitspolitisches Durchregieren von Frau Spranger. So wurde der | |
[4][Mieterrat des NKZ] übergangen, der eigentlich mit der Gewobag ein | |
vertraglich zugesichertes Mitspracherecht bei der Vergabe von | |
Geweberäumlichkeiten hat, auch der Bezirk erfuhr erst im Nachhinein von den | |
Plänen. Dabei würden wir gern darüber reden, wie dieser Ort am besten | |
genutzt werden könnte, um den Bedürfnissen der Anwohner:innen und | |
Nutzer:innen zu entsprechen. Als nichtkommerzieller Begegnungsort würden | |
sich die Räume hervorragend eignen. | |
18 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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