# taz.de -- USA-Feindlichkeit in Lateinamerika: Putinfreunde unter Latino-Linken | |
> In linken Kreisen in Lateinamerika weist man nicht Russland, sondern dem | |
> Westen die Schuld am Ukrainekrieg zu. Der Antiamerikanismus sitzt tief. | |
Bild: Vor der russischen Botschaft in Mexiko versammeln sich bisher eher Kritik… | |
Angel Guerra Cabrera macht sich Sorgen um die Pressevielfalt rund um die | |
russische Invasion in der Ukraine. „Millionen haben eine Welt im Kopf, die | |
nicht der Realität, sondern nur dem entspricht, was man ihnen zugeschnitten | |
hat“, schreibt der Kommentator der größten linken mexikanischen | |
Tageszeitung, der La Jornada. | |
Der Autor stört sich aber nicht etwa daran, dass in Russland ein Krieg | |
nicht Krieg genannt werden darf und eine kritische Berichterstattung 15 | |
Jahre Gefängnis einbringen kann. Nein, er kritisiert, dass im „westlichen | |
Kommunikationsapparat“ nicht gesagt werde, dass es Wladimir Putin um | |
„Entnazifizierung“ gehe. Zwar gebe es auch im Westen kritische Meinungen | |
zur Nato, aber die würden unsichtbar gemacht. | |
Natürlich könnte man Guerra Cabrera einfach als Kuriosität eines | |
vergammelten Antiimperialismus abhaken. Der Krieg zeigt jedoch, dass diese | |
Ewiggestrigen in Lateinamerika weiterhin beachtliche Teile des linken | |
Diskurses besetzen können – und dass der Boden für ihren ideologischen | |
Quatsch gut gedüngt ist. | |
Kaum eine Analyse kommt ohne den Verweis aus, dass eigentlich der | |
US-Imperialismus für den Krieg verantwortlich sei. So hält der Autor Carlos | |
Fazio das russische Militär zwar für aggressiv, widmet sich aber in einem | |
Kommentar fast nur den „Operationen Washingtons und seiner Vasallen in | |
Europa“. Da erscheint es selbstverständlich, dass Moskau den „Genozid an | |
der russischsprachigen Bevölkerung im Donbass“ stoppen muss. | |
Und als ob es die Massaker in Tschetschenien, Georgien oder Syrien nie | |
gegeben habe, wirbt der Schriftsteller Jorge Majfud in der | |
[1][argentinischen Zeitung] Pagina 12 um Verständnis dafür, dass angesichts | |
der vielen US-Interventionen ein „guter Teil der Linken weltweit“ Putin | |
unterstützt. | |
## Antisemitisch eingefärbte Anschuldigung | |
Der notorische Antisemit Alfredo Jalife-Rahme erklärt indes: „Die USA/Nato | |
bekämpfen Russland tangierend bis zum letzten ukrainischen Soldaten.“ Und | |
das seit dem Maidan-Aufstand, dessen Finanzierung die | |
„israelisch-US-amerikanische“ Vertreterin des US-Außenministeriums, | |
Victoria Nuland, klargemacht habe. Nulands jüdische Großeltern waren vor | |
circa 120 Jahren in die USA eingewandert. | |
Man mag Jalife-Rahme, der auch beim Progapandamedium „Russia Today“ | |
kommentiert, für verrückt halten. In der Jornada darf er regelmäßig seine | |
Kolumnen publizieren. | |
Dass die Guerras, Fazios und Jalife-Rahmes den Syrienkrieg in eine Reihe | |
mit US-Interventionen im Irak oder in Vietnam stellen, verdeutlicht das | |
intellektuelle Niveau, auf dem sie sich bewegen. | |
Doch angesichts des tiefsitzenden Antiamerikanismus bei vielen | |
Latino-Linken werden diese Thesen gerne angenommen. Wenn dann auch noch | |
Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro Putins „gerechte und mutige Sache“ | |
unterstützt, bleibt das Weltbild stabil. | |
## Zapatisten stehen auf Seiten der Ukraine | |
Zum Glück gibt es doch noch Linke, die diesen Irrsinn nicht unwidersprochen | |
hinnehmen. Etwa [2][den chilenischen Regierungschef Gabriel Boric], der | |
sich gegen Maduros Regime stellt und ohne Wenn und Aber den russischen | |
Angriffskrieg verurteilt. [3][Oder die Zapatisten.] Die indigenen Rebellen | |
aus Südmexiko fordern: „Russische Armee raus aus der Ukraine“. Sie stehen | |
in direktem Kontakt mit rebellischen ukrainischen Gruppen und | |
Kriegsgegner*innen in Russland. | |
Auch der mexikanische Journalist Temoris Grecko bemüht sich darum, das | |
aggressive expansive Bestreben Putins deutlich zu machen. Obwohl er sich | |
ebenso klar gegen US-Invasionen ausspricht, werfen ihm Kritiker vor, er | |
habe die Seiten gewechselt. Grecko reagiert gelassen. Er könne damit leben, | |
dass sie ihn exkommunizieren wollten, er habe ja auch nie darum gebeten, in | |
ihre Reihen aufgenommen zu werden. Besser ist das. | |
15 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Regisseur-ueber-Diktatur-in-Argentinien/!5831337 | |
[2] /Dichter-Chihuailaf-ueber-Chile/!5819246 | |
[3] /20-Jahre-Ya-Basta-Netzwerk/!5328944 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
## TAGS | |
Latin Affairs | |
Mexiko | |
Argentinien | |
Lateinamerika | |
Zapatisten | |
Wladimir Putin | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Ukraine | |
Venezuela | |
Geschichte | |
Mexiko | |
Latin Affairs | |
Spielfilm | |
Alltag | |
Latin Affairs | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Regierung und Opposition in Venezuela: Dialog soll wieder starten | |
Die venezolanische Regierung und die Opposition nehmen am Wochenende wieder | |
Gespräche auf. Gesucht wird ein gemeinsamer Weg aus der Krise. | |
Marxistischer Studentenbund Spartakus: In einer abstrakten Welt | |
Unser Autor war beim Veteranentreffen des Marxistischen Studentenbund | |
Spartakus. Beim Ukrainekrieg plädierte die Mehrheit für „Kompromisse“. | |
Migrantenkarawane zum Amerika-Gipfel: Ein Zeichen gegen ungewisses Warten | |
Migranten aus Lateinamerika machen sich von Südmexiko auf den Weg in die | |
USA. Dort wird beim Amerika-Gipfel ein Migrationsabkommen vereinbart. | |
Repressionen in El Salvador: Banden werden zum Politikum | |
In El Salvador hetzt Präsident Nayib Bukele gegen Medien und Wissenschaft. | |
Die Bevölkerung unterstützt sein hartes Vorgehen gegen die Jugendbanden. | |
Almodóvar-Film „Parallele Mütter“: Frauen mit schwerem Gepäck | |
In „Parallele Mütter“ erzählt Pedro Almodóvar von privaten Lügen und | |
politischen Irrungen. Mit dabei: Penélope Cruz, die mit gehetzer Eleganz | |
spielt. | |
Die mexikanische Drogenmafia im Film: Reiche, Schöne, Kriminelle | |
Die Netflixserie „Narcos: Mexico“ bekommt keine vierte Staffel. Sie solle | |
sich laut Produzent Carlo Bernard nicht wiederholen. | |
Politischer Starrsinn in Kuba: Proteste? Nicht bei uns! | |
Maykel Osorbo hat mit „Patria y vida“ den Soundtrack der Demonstrationen in | |
Kuba geliefert. Seit Mai sitzt er im Gefängnis. |