# taz.de -- Repressionen in El Salvador: Banden werden zum Politikum | |
> In El Salvador hetzt Präsident Nayib Bukele gegen Medien und | |
> Wissenschaft. Die Bevölkerung unterstützt sein hartes Vorgehen gegen die | |
> Jugendbanden. | |
Bild: El Salvadors Präsident Nayib Bukele | |
Es scheint so, also ob der salvadorianische Präsident Nayib Bukele seinen | |
schlechten Umgang mit Publizist*innen und kritischen | |
Wissenschaftler*ìnnen von seinem mexikanischen Amtskollegen Andrés | |
Manuel López Obrador gelernt hat. Doch während es der Mexikaner bei | |
Beschimpfungen belässt, macht Bukele Nägel mit Köpfen. | |
Vergangene Woche bezeichnete er den Anthropologen und Buchautor Juan José | |
Martínez auf Twitter als „Abfall“ und zitierte völlig aus dem Zusammenhang | |
gerissene Äußerungen des Wissenschaftlers über Jugendbanden. Wenige Tage | |
zuvor hatte das von seiner Partei dominierte Parlament ein Gesetz | |
beschlossen, nachdem jeder zu einer hohen Haftstrafe verurteilt werden | |
kann, der Texte, Bilder, Graffiti oder andere visuelle Ausdrucksformen der | |
Gangs veröffentlicht, diese herstellt oder deren Herstellung ermöglicht. | |
Das klingt ziemlich irre, schließlich sind die „Mara Salvatrucha“ und deren | |
Gegner „Barrio 18“ aus dem Alltag El Salvadors nicht wegzudenken. Kaum ein | |
Tag vergeht, in dem nicht über sie berichtet wird. [1][Doch für Bukele, der | |
als Dauer-Twitterer mit Basecap auf hip macht und zugleich skrupellos | |
durchregiert, sind die Banden zu einem Politikum geworden.] Nach seiner | |
Wahl war es um die „Pandillas“ zunächst ruhig geworden. | |
Die Zahl der Toten in dem Land, das zu den gefährlichsten weltweit zählt, | |
sank. Recherchen des Nachrichtenportals El Faro zufolge gab es einen Deal | |
zwischen Bukele und den Banden: keine Gewalt, dafür bessere Bedingungen für | |
die Gefangenen und „Wohltaten“ für die Gangs in Freiheit. | |
## Journalisten werden ausspioniert | |
Nicht erst seit dieser Veröffentlichung hat der Staatschef El Faro im | |
Visier. Schon zu Beginn von Bukeles Amtszeit Anfang 2019 wurden | |
Mitarbeiter*innen des Mediums mit der Abhörsoftware Pegasus | |
ausspioniert. Immer wieder hetzt der Präsident gegen das Portal. Die | |
Kolleg*innen werden indes nicht müde, seinen autoritären Führungsstil zu | |
kritisieren. Aus Protest gegen das neue Gesetz machten sie für 24 Stunden | |
ihr Portal dicht. Die Pakte der Regierung aufzudecken, sei nun ein | |
Verbrechen, erklärten sie. | |
Oscar Martínez, Chefredakteur von El Faro, könnte das schnell zu spüren | |
bekommen. [2][Er hat zusammen mit seinem Bruder Juan José das auch in | |
Deutschland erschienene Buch „Man nannte ihn El Niño de Hollywood“ über d… | |
Pandilleros geschrieben.] | |
Um Juan José Martínez zu denunzieren, zitierte Bukele ihn mit Sätzen wie: | |
„Die Jugendbanden erfüllen eine notwendige soziale Rolle.“ Damit lässt si… | |
hetzen, zumal der Staatschef seit dem Ende des Pakts und den darauf | |
folgenden tödlichen Gewaltexzessen hart gegen die Gangs vorgeht: mehr als | |
12.000 teilweise willkürliche Verhaftungen, Ausnahmezustand, Misshandlungen | |
in den Gefängnissen bis hin zum Essensentzug. Martínez bezeichnet er als | |
„Referenz der internationalen Gemeinschaft“, also als Vertreter | |
ausländischer Mächte, die ihm und dem salvadorianischen Volk Schlechtes | |
wollen. | |
Mit dieser Argumentation ist er in der Region nicht allein. Sowohl Mexikos | |
konservativ-sozialer Präsident López Obrador als auch das nicaraguanische | |
Herrscherpaar Daniel Ortega und Rosario Murillo bemühen dieses | |
nationalistische Narrativ, um ihre Anhänger*innen zusammenzuschweißen. | |
## Kritik aus Europa als kolonialistische Einmischung | |
In Nicaragua wurden Oppositionelle zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, | |
weil sie angeblich internationale Interventionen provozieren wollten, und | |
López Obrador bezeichnete jüngst Kritiken des Europaparlaments an den | |
vielen Journalist*innenmorden als kolonialistische Einmischung. | |
Ähnlich reagierte Bukele auf Kritik aus dem Ausland am | |
menschenrechtswidrigen Umgang mit den Bandenmitgliedern. Wenn die | |
internationale Gemeinschaft den „Terroristen“ in Haft Essen geben wolle, | |
könne sie gerne kommen, sagte er. Er würde deshalb keinem Schulkind die | |
Nahrung entziehen. Das Spiel mit den Ressentiments funktioniert gut. Rund | |
80 Prozent der Bevölkerung stehen hinter Bukele und unterstützen sein | |
hartes Vorgehen gegen die Jugendbanden. | |
19 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Gewalt-in-El-Salvador/!5841680 | |
[2] /Buch-ueber-Mara-Gangs-in-Zentralamerika/!5652287 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
## TAGS | |
Latin Affairs | |
El Salvador | |
Mexiko | |
Lateinamerika | |
Feinde der Pressefreiheit | |
Bandenkriminalität | |
El Salvador | |
El Salvador | |
Latin Affairs | |
Alltag | |
Latin Affairs | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Präsidentschaftswahl in El Salvador: Der beliebte Diktator | |
Am Sonntag will Präsident Nayib Bukele wiedergewählt werden. Sechs Menschen | |
erzählen, wie sich ihr Leben seit seinem Amtsantritt verändert hat. | |
Gewalt in El Salvador: Der Präsident und der Deal | |
Im März verübten Banden ein Massaker in El Salvador. Nun zeigen Recherchen: | |
Es war ein Racheakt, weil Präsident Bukele einen Pakt gebrochen hatte. | |
USA-Feindlichkeit in Lateinamerika: Putinfreunde unter Latino-Linken | |
In linken Kreisen in Lateinamerika weist man nicht Russland, sondern dem | |
Westen die Schuld am Ukrainekrieg zu. Der Antiamerikanismus sitzt tief. | |
Die mexikanische Drogenmafia im Film: Reiche, Schöne, Kriminelle | |
Die Netflixserie „Narcos: Mexico“ bekommt keine vierte Staffel. Sie solle | |
sich laut Produzent Carlo Bernard nicht wiederholen. | |
Präsident von Mexiko: López Obrador auf autoritärem Kurs | |
Andrés Manuel López Obrador eignet sich zunehmend einen autoritären | |
nationalistischen Diskurs an – und hetzt gegen Medien und | |
Menschenrechtsvertreter. |