# taz.de -- Präsident von Mexiko: López Obrador auf autoritärem Kurs | |
> Andrés Manuel López Obrador eignet sich zunehmend einen autoritären | |
> nationalistischen Diskurs an – und hetzt gegen Medien und | |
> Menschenrechtsvertreter. | |
Bild: Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador | |
Sanjuana Martínez fühlt sich bedroht. „Sie wollen mich moralisch töten“, | |
sagte jüngst die Leiterin der staatlichen mexikanischen Nachrichtenagentur | |
Notimex. Ausnahmsweise sind es nicht wie sonst in [1][Mexiko üblich | |
Kriminelle oder korrupte Politiker], die der Journalistin ans Leder wollen. | |
Ihre Angst speist sich aus Kritiken von Artículo 19, einer internationalen | |
Organisation für Pressefreiheit mit einem Sitz in Mexiko-Stadt. | |
Gemeinsam mit einem Universitätsinstitut und dem Nachrichtenprogramm | |
Aristegui Noticias hatte Artículo 19 aufgedeckt, dass Notimex in sozialen | |
Medien gezielt Journalistinnen und Journalisten denunziert, die die | |
staatliche Agentur kritisieren. | |
Die Chefin habe Mitarbeitende angewiesen, entsprechende Denunziationen über | |
gefälschte Twitter-Accounts zu verbreiten, so der Vorwurf. Alles Lüge, | |
entgegnet Martínez. Es gehe nur darum, die Regierung schlechtzumachen. | |
Dabei habe es nie eine so große Pressefreiheit gegeben wie heute. | |
Nun ja. Sicher würde Präsident Andrés Manuel López Obrador keinen Artikel | |
zensieren, aber es vergeht kaum ein Tag, an dem [2][er nicht namentlich | |
Reporterinnen, Reporter oder Medienhäuser öffentlich an den Pranger] | |
stellt. | |
## KritikerInnen als „Marionetten“ | |
Ob ein Kollege die Migrationspolitik kritisiert, eine Kollegin die | |
Energiepläne hinterfragt oder eine Zeitung [3][mit den vielen Coronatoten] | |
aufmacht, sie alle sind für den Staatschef Teil einer Kampagne, die zum | |
Ziel hat, ihn zu stürzen. Der sich links einordnende Präsident nennt sie | |
etwa „Heuchler“ oder „Marionetten“ des alten Regimes. | |
Solche verbalen Angriffe können in einem Land, in dem [4][ständig | |
Medienschaffende bedroht und ermordet] werden, lebensgefährlich sein. | |
Darauf hat Artículo 19 vor Kurzem hingewiesen. Vielleicht war auch das ein | |
Grund dafür, dass López Obrador die Organisation jetzt scharf angegriffen | |
hat. | |
Besonders aber hat ihn geärgert, dass das US-Außenministerium in seinem | |
Menschenrechtsbericht die Vorwürfe gegen seine Notimex-Freundin Martínez – | |
„eine konsequente Journalistin“ – erwähnte und sich dabei auf Artículo … | |
bezog. | |
Die Organisation werde von Washington finanziert und agiere im | |
US-Interesse, tobte er und stellte klar: „Alle, die mit Artículo 19 zu tun | |
haben, gehören der konservativen Bewegung an, die gegen uns ist.“ Die ihm | |
nahestehende, ehemals regierungskritische Tageszeitung La Jornada titelte: | |
„Bezahlt von den USA nährt Artículo 19 den Putsch in Mexiko.“ | |
## Zunehmend autoritär | |
Dass einer, der traditionelle patriarchale Familienbilder verteidigt, | |
rücksichtslos auf fossile Energie setzt und eine konsequente | |
Austeritätspolitik vertritt, seine Gegner als Konservative beschimpft, ist | |
etwas verwirrend. Gefährlich aber ist es, dass sich [5][López Obrador | |
zunehmend einen autoritären nationalistischen Diskurs] aneignet, der | |
schwerwiegende Konsequenzen haben kann. | |
In Nicaragua oder Venezuela lieferten „internationale Geldgeber“ den | |
Vorwand, um gegen kritische Stimmen vorzugehen, im Ecuador des ehemaligen | |
Präsidenten Rafael Correa wurden so Organisationen kriminalisiert, die sich | |
gegen die zerstörerische Erdölförderung im Amazonas gewehrt hatten. | |
Auch in [6][Mexiko geht es nicht nur um die Presse]. Neulich hetzte López | |
Obrador in ähnlicher Weise gegen Menschenrechtsverteidiger. Wie Artículo | |
19, das unter anderem von der US-Entwicklungsagentur USAID unterstützt | |
wird, hängen viele Nichtregierungsorganisationen von staatlicher, | |
kirchlicher oder privater internationaler Finanzierung ab. | |
Angesichts eines Präsidenten, der auf einen paternalistischen Staat setzt | |
und Finanztöpfe für selbst organisiertes Handeln am liebsten ganz | |
abschaffen würde, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Das birgt | |
zweifellos auch Risiken, aber die zivilgesellschaftlichen Organisationen | |
agieren meist unabhängig. Nach der Hetze gegen Artículo 19 solidarisierten | |
sich viele von ihnen mit den Angegriffenen und wiesen auf ihre eigene | |
Bedrohung hin. Sie haben allen Grund dazu. | |
13 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Kriminalitaet-und-Gewalt-in-Mexiko/!5747129 | |
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[4] /Journalistin-ueber-Gewalt-in-Mexiko/!5729095 | |
[5] /Mexikos-Praesident-Lopez-Obrador/!5657957 | |
[6] /Kriminalitaet-in-Mexiko/!5709721 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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