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# taz.de -- Kriminalität in Mexiko: Gefährliches Reporterleben
> In Mexiko leben viele Journalist:innen unter prekären Bedingungen. Sie
> riskieren täglich, ermordet zu werden.
Bild: Zwei von sechs Kindern des ermordeten Journalisten Julio Valdivia währen…
[1][Julio Valdivia] wurde 44 Jahre alt. Man fand seinen Körper an den
Bahngleisen im Landkreis Tezonapa, einer abgelegenen Region im
mexikanischen Bundesstaat Veracruz, wo kriminelle Banden um die Vormacht
kämpfen. Neben der Leiche lag sein Motorrad, zehn Meter entfernt befand
sich der Kopf des Reporters der Lokalzeitung [2][El Mundo de Córdoba].
Bevor Valdivia vergangenen Mittwoch ermordet wurde, fuhr er selbst von
Tatort zu Tatort. 24 Stunden lang war er einsatzbereit, um über Morde und
andere Verbrechen zu berichten.
Warum der Journalist sterben musste? Er war bedroht worden, heißt es.
Vielleicht hat er zu schlecht über eine kriminelle Gruppe geschrieben,
vielleicht hat er auch einfach vergessen, die Aktion einer anderen Bande
entsprechend zu würden. Am Tag der Heiligen Drei Könige beispielsweise
zwangen ihn Kriminelle, darüber zu berichten, wie sie in zahlreichen
Gemeinden Spielzeug an Kinder verteilen.
Reporter, die für notas rojas – Berichte über Blut und Verbrechen –
zuständig sind, seien gezwungen, solche Geschichten zu schreiben, erklärt
der Reporter Miguel Ángel León Carmona nach dem Tod Valdivias auf der
Plattform [3][Pié de Página].
## Gefährlichste Region für Medienschaffende
Auch León Carmona lebt in Veracruz, nach Angaben von Reporter ohne Grenzen
die gefährlichste Region für Medienschaffende in Lateinamerika. 25
Journalistinnen und Journalisten starben dort in den letzten acht Jahren
eines gewaltsamen Todes, insgesamt wurden in Mexiko seit dem Jahr 2000 über
130 ermordet. Oft sind es Kolleginnen oder Kollegen wie Valdivia, die dem
Terror der Mafia, korrupter Politiker und gewalttätiger Polizisten zum
Opfer fallen: Menschen, die in ihrer Heimat als Berichterstatter in
extremer Form den kriminellen Machtverhältnissen ausgesetzt sind.
Und die oft unter sehr prekären Bedingungen leben. Der Fotograf Rubén
Espinosa bekam für ein Titelfoto, das möglicherweise der Hintergrund seiner
Ermordung war, 500 Pesos, circa 22 Euro. León Carmona weist darauf hin,
dass Valdivia monatlich 4.000 Pesos verdient hat. Etwa 170 Euro. Seine Frau
muss nun zwei Halbwaisen ernähren, ihr fehlte selbst das Geld für die
Blumen für die Beerdigung.
Ein ermordeter mexikanischer Journalist, eine Witwe, die sich allein mit
ihrem kleinen Sohn durchschlagen muss – das war auch der Stoff, aus dem die
US-Autorin [4][Jeanine Cummins den Roman „American Dirt“] gestrickt hat.
Nach dessen Erscheinen Anfang des Jahres entspann sich eine teilweise
skurrile Debatte über die Frage, ob eine weiße Autorin über Gewaltopfer,
Geflüchtete und andere Personen aus Mexiko und Mittelamerika schreiben
darf oder – vorsichtiger ausgedrückt – sollte.
Der Vorwurf: kulturelle Aneignung. Von einem „Trauma-Porno“ war die Rede,
eine Bezeichnung, die folgerichtig auch auf diese Kolumne zutreffen könnte.
Zum Teil konzentrierte sich die Kritik aber auch auf die Qualität des
Thrillers, etwa auf die Klischees, die die Autorin mit ihren
Protagonistinnen reproduzierte. Ohnehin gehe es nicht so sehr darum, wer
die Geschichte erzählt, sondern wer sie verkauft, erklärte der
US-mexikanische Autor Ilan Stavens zu Recht.
## Für einen schlechten Preis
Julio Valdivia war kein Protagonist eines Thrillers. Er recherchierte
Geschichten und musste sie zu einem schlechten Preis verkaufen. Er war
einer der vielen Kolleginnen und Kollegen, die unter prekären Bedingungen
arbeiten, täglich ihr Leben riskieren – und Informationen liefern, die in
überregionalen und internationalen Berichten, wenn überhaupt, bestenfalls
unter dem Satz „lokalen Medien zufolge“ auftauchen. Ohne sie könnten wir
die kriminellen Mikrostrukturen nicht verstehen und nicht darüber
berichten. Ohne sie gäbe es die Krimis nicht, die große Preise abräumen.
Darüber kann der gute Wille nicht hinwegtäuschen, Menschenrechtsverbrechen
offenlegen zu wollen. Sollten wir nicht eher über Ausbeutung und
ökonomische Aneignung sprechen?
15 Sep 2020
## LINKS
[1] /!5707844/
[2] https://www.diarioelmundo.com.mx/
[3] https://piedepagina.mx/
[4] /Kontroverse-um-kulturelle-Aneignung/!5679941/
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
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Mexiko
Gewalt
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