| # taz.de -- Gewalt gegen Medienschaffende in Mexiko: Journalisten im Fadenkreuz | |
| > Ein mexikanischer TV-Reporter verstirbt nach einer Festnahme auf dem Weg | |
| > ins Krankenhaus. Die Polizei weist jede Schuld von sich. | |
| Bild: Hier starb der Journalist Juan Nelcio Espinoza: Gefängnis von Piedras Ne… | |
| Was geschah mit Juan Nelcio Espinoza Menera? Folgt man den Angaben der | |
| Polizei, starb der mexikanische Journalist am vergangenen Freitag auf dem | |
| Weg ins Krankenhaus, weil er Atemprobleme hatte. Schenkt man den | |
| Angehörigen des Mannes Glauben, wurde er von den Sicherheitskräften brutal | |
| ermordet. Fest steht nur eins: Der Reporter des Onlinesenders Valedor TV in | |
| der Grenzstadt Piedras Negras wurde bei einer Kontrolle festgenommen, | |
| während Kriminelle gerade bewaffnet Polizisten angriffen. Die Beamten | |
| brachten ihn zur Staatsanwaltschaft und danach ins Krankenhaus. Dort | |
| konnten die Ärzte nur noch seinen Tod feststellen. | |
| Espinoza, bekannt unter dem Namen „El Valedor“, sei zusammen mit einem | |
| weiteren Journalisten unterwegs gewesen und habe in betrunkenem Zustand | |
| Polizisten verbal und körperlich angegangen, erklärte das Innenministerium. | |
| Nach der Festnahme habe er plötzlich Probleme beim Atmen bekommen. Kein | |
| Wort verlor die Behörde über mögliche Gewaltanwendungen der Polizei. | |
| Lorenzo Menera, ein Angehöriger des Gestorbenen, sprach dagegen auf einer | |
| Pressekonferenz von Folter und zeigt zahlreiche Fotos eines geschundenen | |
| Körpers, die diese Vorwürfe beweisen. „Wenn Journalisten Themen | |
| recherchieren, die der Regierung lästig sind oder mit dem organisierten | |
| Verbrechen zu tun haben, werden sie bedroht, eingeschüchtert oder sogar | |
| ermordet“, erklärt ein Sprecher auf einer Demonstration gegen den tödlichen | |
| Angriff. Der Reporter hatte kurz vor seiner Festnahme über die Schießereien | |
| in Piedras Negras berichtet. | |
| Dass sofort die Frage nach den Hintergründen des Falls aufkommt, liegt | |
| nahe. Mexiko zählt zu den gefährlichsten Ländern für Medienschaffende. 133 | |
| Journalistinnen und Journalisten starben seit 2000 eines gewaltsamen Todes, | |
| dieses Jahr waren es mindestens vier. Meist wurden sie Opfer von | |
| Kriminellen, Polizisten oder Militärs, die mit dem organisierten Verbrechen | |
| kooperierten. | |
| ## Kriminelle Verbindungen | |
| Nach dem Tod Espinozas forderte deshalb das UN-Hochkommissariat für | |
| Menschenrechte eine „schnelle, effektive, unparteiische und vollständige | |
| Aufklärung des Vorfalls“. Es müsse geprüft werden, ob die Tat auf die | |
| publizistische Arbeit Espinozas zurückzuführen sei, ergänzte die | |
| mexikanische Menschenrechtskommission am Dienstag. Offensichtlich habe es | |
| Ungereimtheiten von Seiten der Behörden gegeben, die in den Fall involviert | |
| seien. | |
| Wer in Städten wie Piedras Negras mit wem und gegen wen agiert, ist schwer | |
| zu sagen. Häufig kooperieren Polizeieinheiten und Zollbeamte mit einer | |
| kriminellen Organisation und gehen deshalb gegen andere vor. In den | |
| Grenzregionen zu den USA kämpfen Kartelle mit besonderer Härte um die | |
| Kontrolle der „plaza“, wie die Orte genannt werden, in denen sie Drogen | |
| schmuggeln, Schutzgeld erpressen und anderen Geschäften nachgehen. | |
| Als „El Valedor“ festgenommen wurde, tobten in Piedras Negras seit Tagen | |
| bewaffnete Kämpfe. Presseberichten zufolge versucht das „Nordost-Kartell“, | |
| das aus der Mafiaorganisation „Zetas“ entstanden ist, die „plaza“ wieder | |
| unter seine Kontrolle zu bekommen. Die Wochenzeitung Proceso weist darauf | |
| hin, dass Lorenzo Merena, der die Folterbilder vorstellte, zuletzt als | |
| Bürgermeisterkandidat in Piedras Negras kandidierte. Dessen Bruder sei ein | |
| Chef der „Zetas“, schreibt der in diesen Themen sehr kompetente Proceso. | |
| Ob der Tod Espinozas in einem Zusammenhang mit diesem Szenario steht, ist | |
| völlig unklar. Häufig benutzen Ermittler vermeintliche kriminelle | |
| Verbindungen, um andere Hintergründe von Angriffen auf Medienschaffende zu | |
| verschleiern. So etwa im Fall des vor fünf Jahren ermordeten Fotografen | |
| Rubén Espinosa. | |
| ## Fotograf ermordet in Wohnung aufgefunden | |
| Der Journalist wurde neben vier toten Frauen in einer Wohnung in | |
| Mexiko-Stadt gefunden, die Strafverfolger ermittelten sofort im Kontext von | |
| Drogen und Prostitution. Espinosa, der für den Proceso arbeitete, war | |
| jedoch zuvor aus dem Bundesstaat Veracruz in die Hauptstadt geflohen, weil | |
| er mit dem Tod bedroht worden war. | |
| Er hatte die korrupten Geschäfte des dortigen Gouverneurs Javier Duarte, | |
| der sich mittlerweile wegen Geldwäsche und Bildung einer kriminellen | |
| Vereinigung im Gefängnis befindet, öffentlich kritisiert und sich dafür | |
| eingesetzt, dass der Mord an seiner Journalistenkollegin Regina Martínez | |
| aufgeklärt wird. Warum Espinoza, die politische Aktivistin Nadia Vera sowie | |
| drei weitere Frauen sterben mussten, ist bis heute unklar. | |
| 26 Aug 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Wolf-Dieter Vogel | |
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