# taz.de -- Grüne Klimaziele und der Ukrainekrieg: Klimaschutz nach Kriegsbegi… | |
> Die Energieversorgung in Zeiten des Krieges stellt die Grünen vor ein | |
> Dilemma: LNG-Terminals zur Anlandung von Flüssiggas doch zustimmen? | |
Bild: Protest im Juli 2021 gegen den Chemo-Park und das geplante LNG-Terminal i… | |
BERLIN taz | Hätte der Parteitag nicht am letzten Sonntag stattgefunden, | |
sondern vier Tage später, hätte Kerstin Hansen nicht anders entschieden. | |
„Dieser Angriff auf die Ukraine ist unfassbar und zu verurteilen“, sagt die | |
Vorsitzende des Grünen-Kreisverbandes Dithmarschen, der an der Mündung der | |
Elbe in die Nordsee liegt. Aber auch nach Kriegsbeginn bleibt sie dabei: | |
„Ein [1][LNG-Terminal in Brunsbüttel] ist nicht die Lösung.“ Bewältigung | |
der Klimakrise und Kriegsgefahr dürften nicht gegeneinander abgewogen | |
werden. | |
Das sehen bei den Grünen allerdings nicht alle so – und damit sind wir | |
schon mitten in dem Dilemma, in das die Partei angesichts der russischen | |
Aggressionen in den letzten Wochen immer weiter geraten ist. LNG-Terminals, | |
das sind Hafenanlagen, an denen mit Flüssiggas geladene Tanker ihre Fracht | |
abladen können. | |
[2][Für Klimaschützer*innen sind sie eigentlich ein No-Go]: Die | |
Klimabilanz von Flüssiggas ist schlechter als die von Erdgas aus der | |
Pipeline, zumal dann, wenn es zuvor wie in den USA durch die | |
Fracking-Methode gewonnen wurde. „Neue Hafenterminals zur Anlandung von | |
Flüssigerdgas sollen nicht mehr genehmigt werden“, hieß es im | |
Bundestagswahlprogramm der Grünen. | |
Im Wahlkampf hatte aber noch kaum jemand damit gerechnet, dass Russland | |
wenige Monate später Krieg führen werde. Dass Deutschland sein Gas zu 55 | |
Prozent aus Russland bezieht, stellt sich in der neuen geopolitischen Lage | |
als ungünstig heraus. Angesichts des Kriegsbeginns kündigte | |
Wirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstag an, dass beim Gas die | |
„Einkaufswege vielfältiger“ werden müssen. „Dazu gehört, auch wenn es | |
manche nicht wahrnehmen wollen, der Aufbau von LNG-Terminals.“ | |
## Schleswig-Holsteins Grüne blieben beim Nein zum Terminal | |
Ende Januar hatte Habeck bereits im Bundestag vorsichtige Überlegungen in | |
diese Richtung angestellt. Das Problem bei der Infrastruktur: Europaweit | |
gibt es für Flüssiggas 36 Häfen, aber keinen in Deutschland. „Die beiden | |
Terminals, die Deutschland mal angedacht hat – Brunsbüttel und Stade –, | |
sind bisher nicht privat finanzierbar. Dieser Frage werden wir uns jetzt | |
energisch zuwenden“, sagte Habeck im Parlament. | |
Bei den Koalitionspartnern ist das weitgehend unumstritten, für die Grünen | |
wird das Thema aber zunehmend zum Problem. Ein häufiges Gegenargument: Der | |
Bau eines solchen Terminals dauere Jahre, helfe also in der aktuellen Krise | |
nicht. Vielmehr bremse es die Energiewende aus, wenn man jetzt noch Geld in | |
fossile Infrastruktur stecke, die bei ihrer Fertigstellung doch bestenfalls | |
schon überflüssig sein sollte. | |
In Schleswig-Holstein stellte der Grünen-Landesverband am Sonntag sein | |
Wahlprogramm für die Landtagswahl im Mai auf. Die Landesspitze warb zum | |
Thema Flüssiggas für eine Position im Sinne Habecks, die Abstimmung | |
gewonnen hat aber die Gegenseite um Basismitglieder wie Kerstin Hansen. Im | |
Programm heißt es jetzt: „Schleswig-Holstein braucht kein LNG-Terminal.“ | |
Den Beschluss hatte neben anderen Teilen der Parteibasis vor allem die | |
Grüne Jugend vorangetrieben. „Die Bundesregierung muss sehen, dass es | |
erheblichen lokalen Widerstand gibt. Die Leute vor Ort wollen das nicht. | |
Wir stehen auf der Seite dieses Protests“, sagte Timon Dzienus, | |
Bundessprecher der Grünen Jugend, noch am Mittwoch der taz. | |
## Entscheidend wird sein, ob der Bund Geld gibt | |
Mit dem Kriegsbeginn könnten allerdings die Chancen gestiegen sein, dass | |
sich jetzt doch Habeck durchsetzt. Aus der Grünen-Spitze heißt es am | |
Donnerstag: Mit den neuen Realitäten müsse man umgehen. | |
Finanzielle Unterstützung für Bauvorhaben sind der entscheidende Hebel, den | |
die Politik am Ende hat. Privaten Investoren erscheint der Terminalbau auf | |
eigene Faust bisher nämlich nicht als wirtschaftlich. Sollten die Grünen in | |
Schleswig-Holstein auch an der nächsten Landesregierung beteiligt sein, den | |
Parteitagsbeschluss umsetzen und nicht zahlen, käme es also vor allem | |
darauf an, ob der Bund Geld gibt. Die Hoheit darüber hat letztlich der | |
Bundestag. | |
Ob Habeck seine Fraktion dort schon auf seiner Seite hat? Fraktionsvize | |
Julia Verlinden, selbst Klimapolitikerin, äußert sich verhalten – schließt | |
aber auch nichts aus. „Priorität hat, dass wir uns von den fossilen | |
Energien unabhängig machen. Also: Ausbau der Erneuerbaren und | |
Energieeffizienzpotentiale nutzen. Außerdem müssen die Gasspeicher in den | |
kommenden Monaten gefüllt werden“, sagt sie. „Eine ganz andere Frage ist, | |
ob neue LNG-Terminals aus geopolitischen Gründen notwendig sein könnten. | |
Das müsste man dann prüfen.“ | |
24 Feb 2022 | |
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[1] /LNG-Terminal-in-Brunsbuettel/!5833943 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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