# taz.de -- Verbrechen der Colonia Dignidad in Chile: Archiv eröffnet in Berlin | |
> Das „Oral-History Archiv Colonia Dignidad“ öffnet im Berliner | |
> Humboldtforum. Zur Wiedergutmachung der Opfer fehlt jedoch noch einiges. | |
Bild: Die Straße im ehemaligen Standort der Colonia Dignidad | |
BERLIN taz | Ein [1][chilenisch-deutsches Oral History-Archiv], das an | |
diesem Donnerstag mit einer Feier im Berliner Humboldtforum eröffnet wird, | |
soll die Aufarbeitung der Verbrechen der Colonia Dignidad befördern. Als | |
„Denkmal anderer Art“ bezeichnet das Lateinamerika-Institut der Freien | |
Universität Berlin und einer chilenischen Partner-Uni das Interview-Archiv. | |
Es soll zum einen den persönlichen Erfahrungen von Zwangsarbeit und | |
sexualisierter Gewalt in der 1961 in Chile gegründeten [2][deutschen | |
Sektensiedlung] Raum geben. Zum anderen soll es die chilenischen | |
Oppositionellen, die während Pinochet-Diktatur Folter und Mord auf dem | |
Gelände ausgesetzt waren, vor Vergessen schützen. Die Perspektiven | |
verschiedener Opfergruppen sollen abgebildet werden. | |
Alle 64 ausführlichen lebensgeschichtlichen Video-Interviews mit | |
Betroffenen und anderen Zeitzeug:innen wurden transkribiert, | |
wissenschaftlich erschlossen und übersetzt. Auf Spanisch und Deutsch werden | |
sie in einem zweisprachigen Online-Recherche-Portal für Bildungs- und | |
wissenschaftliche Zwecke zugänglich gemacht. Registrierung und Nachweis | |
eines berechtigten Interesses sowie Wahrung von Persönlichkeitsrechten der | |
Interviewten sind Voraussetzung. Eine Aufbereitung zur pädagogischen | |
Nutzung ist als Anschlussprojekt geplant. | |
Das mit über einer Million Euro von der Bundesregierung finanzierte Projekt | |
geht auf einen [3][Beschluss des Deutschen Bundestags von 2017]. | |
„Deutschland war zu langsam beim Beginn der Aufarbeitung eigener Fehler“, | |
sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast. Das Auswärtige Amt und | |
die deutsche Justiz hätten über Jahrzehnte zu wenig getan, um | |
Menschenrechtsverletzungen in der deutschen Siedlung zu unterbinden. | |
Mit einem grün geführten Außenministerium und der neuen linken Regierung | |
unter Gabriel Boric in Chile gibt es nun die Chance auf eine konsequentere | |
Aufarbeitung. Künast hofft auf bessere Zusammenarbeit, denn „für beide | |
Länder gilt, dass wir nun hoffentlich weiter kommen mit der Entwicklung der | |
Gedenkstätte und des Lernortes auf dem Gelände der ehemaligen Colonia | |
Dignidad“. | |
Deutschland müsse sich außerdem um einen Fonds zur Altersabsicherung von | |
Opfern kümmern, so Künast. Sie und [4][die Deutsch-Chilenin Isabel | |
Cademartori] von der SPD werden in einer „Gemeinsamen Kommission“ aus | |
Abgeordneten und Regierungsvertreter:innen daran arbeiten. | |
Cademartori möchte bei der Aufarbeitung mit der neuen chilenischen | |
Regierung „Hand in Hand und nach Möglichkeit in einem regelmäßigen | |
Austausch“ zusammen arbeiten. „Dieses dunkle Kapitel gehört aufgearbeitet. | |
Es ist an der Zeit!“, zeigt sich Cademartori entschlossen. | |
An der Zeit ist es auch für Juan Rojas Vásquez. Er ist in der Nähe der | |
Colonia Dignidad aufgewachsen. Sein Vater und sein älterer Bruder wurden | |
1973 mutmaßlich in die Colonia Dignidad verschleppt und sind bis heute | |
verschwunden. Rojas, der inzwischen deutscher Staatsangehöriger ist, | |
fordert mehr Unterstützung der Bundesregierung. Bei der | |
Eröffnungsveranstaltung des Archivs will er einen Brief mit Forderungen an | |
Staatsminister Tobias Lindner (Grüne) aus dem Auswärtigen Amt überreichen. | |
17 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.cdoh.net/ | |
[2] /Colonia-Dignidad-Opfer-fordern-Gerechtigkeit/!5073852 | |
[3] https://dserver.bundestag.de/btd/18/129/1812943.pdf | |
[4] /SPD-Politikerin-Isabel-Cademartori/!5838209 | |
## AUTOREN | |
Ute Löhning | |
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