# taz.de -- Clara Zetkin und Pazifismus: Fürs Leben kämpfen statt den Tod | |
> Die Sozialistin Clara Zetkin rief einst die stille Mehrheit der | |
> Europäer*innen zum Widerstand gegen den Krieg auf. Was sie wohl heute | |
> sagen würde? | |
Bild: Eine Mutter auf der Flucht mit ihrem Kind am Bahnhof Nyugati in Budapest | |
Wenn die Männer töten, so ist es an uns Frauen, für die Erhaltung des | |
Lebens zu kämpfen“, schreibt [1][Clara Zetkin, die Erfinderin des | |
Frauentags], in einem ihrer „Kriegsbriefe“. Es ist der Erste Weltkrieg und | |
die Sozialistin Zetkin versucht es mit Verständigung. Mit ihren | |
Brieffreundinnen auf dem ganzen Kontinent stellt sie 1915 eine | |
feministische Friedenskonferenz in Bern auf die Beine, trotz Reiseverboten | |
und Zensur. | |
Verständigung von unten ist in diesen Tagen wieder wichtig, auch wenn Krieg | |
nicht mehr pauschal als „Männersache“ zu begreifen ist. Was nach wie vor | |
stimmt: Es gibt Menschengruppen, die im Krieg besonders verlieren. Frauen | |
sind während und nach kriegerischen Konflikten häufiger von Gewalt | |
betroffen, oft von sexualisierter Gewalt; sind häufiger unterernährt; | |
laufen eher Gefahr, an Schwangerschaft zu sterben; müssen pflegen, | |
arbeiten, Familien durchbringen. Außerdem [2][befördern Kriege | |
nationalistische und reaktionäre Stimmungen]. | |
Alte Hierarchien werden besungen, Menschen „an ihre Plätze verwiesen“. Ich | |
warte darauf, dass jemand wieder die Streiks in den Kitas geißelt oder die | |
Reform der Trans-Gesetze verhöhnt, weil alles „Gedöns“ jetzt zu warten | |
habe. Und so lässt sich die Gruppe ausweiten von (cis) Frauen auf Queers, | |
behinderte Menschen, People of Color, Alte, Arme, Kranke, Psychos und | |
Sensible. Clara Zetkin hielt nicht viel von Partikularismus | |
(„Identitätspolitik“), wusste aber: Die, deren Gedanken eh schon täglich | |
ums Überleben kreisen, können auf jeden mörderischen Kick gut verzichten. | |
Zetkin appellierte an eine entscheidende Mehrheit der Europäer*innen, von | |
der sie glaubte, dass sie in Wahrheit kein Interesse am Krieg hätte. Der | |
Krieg dauerte dennoch an, was ihr zugesetzt haben muss. Was sie wohl heute | |
sagen würde? Damals haute sie ihrer Partei, der SPD, die Kriegstreiberei um | |
die Ohren. Sie sah den Krieg als Verbrechen an den Arbeiter*innen | |
seitens der männlichen besitzenden Klasse. Damit könnte man heute manchen | |
linken Hot Take unterfüttern: Nato, Russland, alles Imperialisten! Würde | |
Zetkin sich heute mit Kritik am russischen Machthaber vornehm zurückhalten? | |
## Auch Pazifismus kennt Grauzonen | |
Eher würde sie die Position derer einnehmen, die am meisten betroffen sind | |
und am wenigsten profitieren. Auch Pazifismus kennt Grauzonen. Sie würde | |
wohl sehen, dass der Westen zwar ausbeutet, Russland aber angegriffen hat | |
(und auch ausbeutet). Würde sehen, dass es keine „Seiten“ gibt, dass Putins | |
Krieg niemandem nützt. Dass mehr Leid verhindert werden muss. Würde sie | |
sagen: „– mit allen Mitteln“? | |
In jedem Fall würde sie eine grenzenlose „Verständigung von unten“ forder… | |
Einen Universalismus all derer, die lieber fürs Leben kämpfen als für den | |
Tod. Sie würde vielleicht erneut an die entscheidende Mehrheit appellieren, | |
die eigentlich keinen Krieg wollen kann. Vielleicht hätte sie diesmal | |
recht. | |
Hoffentlich. | |
4 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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