# taz.de -- Soziologe über Sanktionen gegen Mali: „Die Lage verschlechtert s… | |
> Mohamed Amara rechnet mit einer Verschärfung der Krise in Mali. Jenseits | |
> von Wahlen brauche das Land einen Generationswechsel. | |
Bild: Von den Sanktionen betroffen: Lkw-Fahrer warten an der geschlossenen Gren… | |
taz: Herr Amara, sind aufgrund der komplizierten Situation die Menschen in | |
Mali mit Militär und Politik beschäftigt oder vor allem mit dem Überleben? | |
Mohamed Amara: Das Leben ist sehr schwierig. Schon seit 2012 gibt es | |
Flüchtlinge, der Verkehr wurde schwieriger, die Suche nach Arbeit. All das | |
war mit dem Terrorismus verbunden und der Lage in Libyen. Der Alltag heute | |
ist eine Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung. | |
Worin besteht die Hoffnung? | |
Der bisherige Präsident Ibrahim Boubacar Keïta ist nicht mehr an der Macht, | |
und das hat etwas verändert. Die Armee konnte mit ihrem [1][Staatsstreich] | |
dem Gegensatz zwischen Volk und Präsident ein Ende bereiten. Andererseits | |
ist es ein Zeichen der Instabilität, wenn die Armee die Macht übernimmt. | |
Was macht die Verzweiflung aus? | |
Sie lautet: Wir wissen nicht, ob wir morgen überhaupt noch Zucker oder Tee | |
haben. Alles ist teuer, und mit dem Gehalt gelingt es nicht, 15 oder 20 | |
Familienmitglieder zu ernähren. Wir wissen nicht, ob wir noch reisen | |
können. Mali ist ein Land, in dem man viel unterwegs ist. Doch diese | |
[2][Mobilität wird jetzt immer mehr eingeschränkt]. Hinzu kommen die | |
offenen Fragen zum Militär und zur Diplomatie. Diese Unsicherheit kann eine | |
Ursache für einen politischen oder sozialen Konflikt sein. | |
Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) hat am 9. Januar | |
[3][Sanktionen gegen Mali] verhängt, um Druck auf die Übergangsregierung | |
auszuüben. Welche Auswirkungen haben sie? | |
Die Sanktionen sind mittlerweile spürbar. Preise für Zucker und Gas sind | |
gestiegen. Nicht an allen Banken lässt sich noch Geld abheben. Die | |
wirtschaftliche Lage verschlechtert sich, und sie ist abhängig von einem | |
Dialog. | |
Dialog mit der Übergangsregierung gilt als sehr schwierig … | |
Es gibt viele Treffen, wie die im Dezember stattgefundene „nationale | |
Neugründungskonferenz“. Dort entstand der Vorschlag einer Übergangszeit von | |
bis zu fünf Jahren bis zu Wahlen. All das hat aber das Verhältnis zur | |
Ecowas und EU weiter verschlechtert. Die Situation ist angespannt. Auch | |
lässt sich feststellen, dass die Übergangsregierung mehr und mehr den | |
Kontakt zu jenen verliert, die mit allen Akteuren einen Dialog führen | |
könnten. Der Premierminister hat Schwierigkeiten, die Tür für einen Dialog | |
zu öffnen. Nicht alle Menschen wollen eine längere Übergangszeit. Die, die | |
dafür sind, gehen auf die Straße und sind sichtbar. Aber in Bamako ist es | |
aktuell schwierig, die Regierung zu kritisieren. Menschen sind im | |
Gefängnis, weil sie eine andere Meinung haben. | |
Ist die Übergangsregierung wirklich an einer [4][Rückkehr zum | |
Mehrparteiensystem] interessiert? | |
Es gibt Hinweise, dass sie – möglicherweise unbewusst – an der Macht | |
bleiben will. Sie sagt: Um Mali Sicherheit und Frieden zu bringen, braucht | |
es Zeit. Deshalb hat sie der Ecowas einen Übergang von fünf Jahren | |
vorgeschlagen. Das führt zu einer Reibung mit jenen, die die Rückkehr zur | |
Verfassung fordern. Dann stellt sich die Frage, ob diese Sichtweise legitim | |
oder nicht legitim ist. Mali ist eine Republik, und über die Machtfrage | |
wird an den Urnen entschieden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob | |
Wahlen stets transparent, sauber und glaubwürdig waren. | |
Die internationale Gemeinschaft pocht aber genau auf diese Wahlen. | |
Wahlen beenden das Problem nicht. Sie haben aber im demokratischen Prozess | |
ihren Zweck. Sie geben die Möglichkeit, denjenigen die Macht zu geben, die | |
sie wollen. Erfüllen die ihre Aufgaben nicht, kommt es zu einem Wechsel. Es | |
gab jetzt aber einen Staatsstreich. Bei regulären Wahlen weiß man, wann | |
etwas beginnt und wieder aufhört. Letzteres wissen wir gerade nicht. Es | |
gibt Unsicherheit, weshalb ein Fahrplan wichtig ist. | |
Dabei heißt es oft, dass die Demokratie ohnehin nicht funktioniert. | |
Ich sehe, dass es der Demokratie in Afrika an vielem mangelt. Wer ist aber | |
dafür verantwortlich? An erster Stelle die führende Klasse. Für mich geht | |
es um einen Generationswechsel. Es braucht junge Menschen an der | |
Staatsspitze, aber auch in Behörden, beispielsweise beim | |
Verfassungsgericht. Die einzigen Jungen, die heute an der Macht sind, haben | |
diese durch den Staatsstreich erhalten. | |
15 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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