# taz.de -- Human Rights Watch zu Mali: „Sie nahmen die Schwächsten“ | |
> Menschenrechtler und UN-Ermittler werfen Malis Armee schwere Verbrechen | |
> und Massaker an Zivilisten vor. Auch russische Söldner sind demnach | |
> beteiligt. | |
Bild: Soldaten der malischen Armee in Bamako im Mai 2021 | |
Berlin taz | „Ich sah Reifen- und Motorradspuren und den Deckel einer | |
20-Liter-Plastikflasche, der nach frischem Benzin roch. Die Leichen lagen | |
in Gruppen herum, unter Bäumen, in der Sonne. Bei manchen sahen die Köpfe | |
aus, als habe man sie erschossen; andere hatten Löcher in der Brust. Ihre | |
Kleidung war verbrannt, einige hatten gefesselte Hände und verbundene | |
Augen.“ | |
Diese Zeugenaussage findet sich in einem am Dienstag veröffentlichten | |
Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) über | |
Hinrichtungen von Zivilisten in Mali. Der Bericht behandelt [1][Übergriffe | |
von islamistischen Gruppen], lokalen Milizen und [2][Regierungstruppen]. | |
Die zitierte Szene bezieht sich auf ein Massaker durch Malis Armee in | |
Danguère Wotoro in der Nähe des Dorfes Diabaly in der zentralmalischen | |
Region Ségou, dem mutmaßlich am 2. März 35 Männer zum Opfer fielen. HRW | |
spricht von der „schwersten Anschuldigung gegen Regierungssoldaten seit | |
2012“, also seit Beginn des bewaffneten Konflikts in Mali. | |
Videoaufnahmen der verkohlten Leichen zirkulieren seit dem 3. März und | |
sorgen in Mali für Diskussionen. Vom „Massengrab von Niono“, benannt nach | |
dem betroffenen Landkreis, ist oft die Rede. Der Tatort wird mal der | |
Gemeinde Diabaly, mal der Nachbargemeinde Dogofry zugeschrieben, beide nahe | |
der Grenze zu Mauretanien. | |
Auch ein UN-Team hat das Massaker untersucht und in einem noch | |
unveröffentlichten Bericht schwere Vorwürfe gegen Malis Armee erhoben. | |
Mehrere französische Medien haben weitere Zeugenaussagen eingeholt. Malis | |
Generalstab hat das Video als „Montage“ zurückgewiesen und gegenüber HRW | |
von „Fake News“ gesprochen. | |
## Razzia mit tödlicher Folge | |
In der Region zwischen Niono und der mauretanischen Grenze operiert Malis | |
Armee gemeinsam mit [3][russischen Kämpfern der privaten Söldnertruppe | |
Wagner]. Zahlreiche Zivilisten seien dort in jüngster Zeit verschwunden, | |
berichtet die französische Zeitung Le Monde. „Humanitäre Quellen“ werden | |
zitiert, wonach in zwei Dörfern sieben Leichen voller Einschusslöcher | |
gefunden wurden, nachdem eine malisch-russische Patrouillle zwei Dörfer | |
durchsucht und Zivilisten mitgenommen hatte. | |
Russische Kämpfer seien im Militärcamp von Diabaly stationiert, wohin auch | |
Gefangene gebracht worden seien. Immer wieder sagen Augenzeugen und | |
Überlebende, sie hätten bewaffnete Weiße gesehen, die eine ihnen unbekannte | |
Sprache sprächen – also nicht Französisch. Unter den Toten sind auch Hirten | |
aus Mauretanien, was die dortige Regierung vergangene Woche dazu brachte, | |
Malis Armee Verbrechen vorzuwerfen. | |
Die 35 Leichen des „Massengrabs von Niono“ sind den Berichten zufolge das | |
Ergebnis einer Razzia durch Malis Armee am 20. Februar gegen Rückkehrer von | |
einem Viehmarkt. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen und ins | |
Militärcamp von Diabaly gebracht. | |
Nachdem einem die Flucht gelang, seien die Soldaten wütend geworden und | |
hätten in der Nacht beschlossen, die völlig überfüllte Arrestzelle zu | |
leeren, so HRW. Ihr Bericht zitiert einen Überlebenden der Haft: „Sie | |
nahmen die Schwächsten – die mit gebrochenen Armen und Beinen und die, die | |
keine Kraft mehr hatten – und befahlen ihnen, in die Lastwagen zu steigen. | |
Ein alter Mann war so schwach, dass er zusammenbrach. Die Soldaten hoben | |
ihn auf und warfen ihn hinein wie einen Sack Reis.“ | |
Malis Armee wird von der EU-Trainingsmission EUTM Mali ausgebildet, [4][an | |
der die Bundeswehr beteiligt ist]. Das Mandat dafür läuft Ende Mai ab. Die | |
Bundesregierung entscheidet in diesen Tagen über ein neues Mandat. | |
15 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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