# taz.de -- Schnarchen statt Verpesten: Wie das Murmeltier | |
> CO2 und Material sparen? Da könnten wir doch einfach von November bis | |
> März Winterschlaf halten. Alle wären fit und ausgeruht und hätten mehr | |
> Platz. | |
Bild: Erwacht aus dem Winterschlaf: Murmeltier | |
Im dichten Nebel stolperten wir durch den Harz. Vom Gipfel des Brocken | |
stapften wir durch den Schnee ins Tal, um uns die Bäume voller nassem | |
Schnee, neben uns die Dampflok der Besucherbahn. Vielleicht war es das | |
permanente Zwielicht an diesem stürmischen und grauen Ferientag, dieser | |
Eindruck, dass man auf den höchsten Berg Norddeutschlands klettern kann und | |
sich trotzdem wie ein Schlafwandler fühlt. Jedenfalls sagte unser Sohn: | |
„Wie wäre das eigentlich, wenn auch wir Menschen Winterschlaf machten? | |
Eigentlich ganz cool, oder?“ | |
Wir dachten das mal durch: Wie wäre es, wenn sich Homo Sapiens wie Bär oder | |
Murmeltier in der dunklen Jahreszeit einfach die Decke über den Kopf ziehen | |
würde – wie sähe die Welt dann aus? | |
Besser, so viel ist mal klar. Man stelle sich vor: Anfang November ziehen | |
wir uns ins Schlafzimmer zurück, fahren den Stoffwechsel herunter und | |
träumen bis Mitte März nur noch. Vier Monate von Winterleben werden einfach | |
weggeschnarcht. Keine Erkältung, keine nassen Füße, keine klammen Hände. | |
Und vor allem: vier Monate, in denen wir außer unserem eigenen Körperfett | |
keine fossilen Energien und keine sonstigen Ressourcen verbrauchen. Ein | |
Drittel des Jahres ohne Heizen, ohne Licht anlassen, Autofahren, Skifahren, | |
Gänsebraten. Ohne überflüssigen Krempel zu Weihnachten, ohne | |
energiefressende Saunabesuche, ohne plastikverseuchende Fleecepullover oder | |
tierwohlfragliche Wollsocken. | |
Die Variante Winterschlaf wäre also ein großer Beitrag zu Umwelt-, Klima- | |
und Ressourcenschutz. In der Zeit, wo wir sonst am meisten CO2 rausballern, | |
atmen wir nur aus. Alle Diäten sind überflüssig, denn auch nach den großen | |
Lachs- und Schweineschmalz-Orgien vor dem Winterschlaf stehen wir rank und | |
schlank und fit nach vier Monaten Fasten auf. Wladimir Putin muss sich eine | |
geregelte Arbeit suchen, denn Gas brauchen wir nur noch für den | |
Campingkocher beim Zelten. | |
Niemand hatt dann mehr Winter-Depressionen, keiner muss nach Fuerteventura | |
fliehen. In der gefürchteten Dunkelflaute ohne Strom aus Wind oder Sonne | |
drehen wir uns einfach im Bett nochmal um. Arbeiten und Konsumieren auf | |
zwei Drittel bei Wärme und Sonne reduziert, das schrumpft unseren | |
ökologischen Fußabdruck auf Größe 23. | |
## Aber: Chillen in Chile, Skifahren in Australien? | |
„Aber was wäre mit den Leuten auf der Südhalbkugel?“, fragte mein Sohn. N… | |
ja, die schlafen, wenn wir hier bei Sonne unser Leben genießen. Und | |
umgekehrt. Auf dem Planeten Welt ist mit einem Schlag doppelt soviel Platz. | |
Allerdings wäre Schluss mit Fernreisen: Wer wollte schon für eine Safari | |
nach Kenia düsen, wenn da nicht nur die Löwen dösen, sondern das ganze | |
Land? | |
Es könnte allerdings auch so kommen: Die verschlafene Zeit wird gnadenlos | |
nachgeholt. In den zwei Monaten im Frühjahr und Herbst, wo die ganze | |
Menschheit gemeinsam wach ist, wird gereist, dass es nur so kracht, um mit | |
den Freunden in Chile zu chillen. Weihnachten plus Konsumterror wird auf | |
den 24. Juni verlegt. Skifans fliegen im August in die Australischen Alpen | |
zum Pulverschnee. | |
Am Ende der Wanderung, in der sogenannten Zivilisation, wurde uns klar: | |
Gute Idee, aber naja. Es bringt nichts, vor den Problemen die Augen zu | |
schließen. Auch wenn es gerade richtig schwer fällt: Wach bleiben ist die | |
einzige Lösung. | |
17 Feb 2022 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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