# taz.de -- Zwischen Krieg und Klimakrise: Die Blase der Unverwundbarkeit | |
> Das Leben in der Komfortzone fühlt sich gleichzeitig vertraut und seltsam | |
> an, wenn Bilder von Krieg und Zerstörung ins Haus fluten. | |
Bild: Friedensdemonstration in Köln am Rosenmontag | |
Ich blicke auf einen Innenhof, wo keine Raketen einschlagen. Meine Jungs | |
schauen zwei Zimmer weiter „Star Wars“ und melden sich nicht als | |
Freiwillige zur Armee. Im Hinterhof springen Eichhörnchen, Kohlmeisen und | |
Spatzen durch die Äste. Bei Edeka gibt es wieder Rittersport für 69 Cents. | |
Das Leben in der Komfortzone fühlt sich gleichzeitig vertraut und seltsam | |
an, [1][wenn die Bilder von Krieg und Zerstörung ins Haus fluten]. Wenn ich | |
darüber schreibe, wie in der Ukraine Atomkraftwerke beschossen werden. Oder | |
[2][wieder mal ein Horrorbericht des Weltklimarats] mit Negativrekorden bei | |
den CO2-Emissionen zusammenfällt. Die Einsicht, dass viele Dinge | |
gleichzeitig aus der Spur geraten. Das Gefühl: Das kann hier richtig | |
schiefgehen. | |
Über 30 Jahre war dieses Bewusstsein weg. Als Kind in West-Berlin, wo im | |
Osten, Westen und Süden meines Stadtteils Lichtenrade die Mauer stand, | |
fühlte ich mich diffus bedroht. Jetzt verhält sich das russische Militär | |
so, wie wir es damals erwarteten, wenn „die Russen kommen“. Dann fiel die | |
Mauer und wir begannen, in einer Blase der Unverwundbarkeit zu leben. Als | |
weißer Mann der Mittelschicht in einem der reichsten und friedlichsten | |
Länder der Welt richtete ich mich in einer klimatisierten Wellnesszone ein. | |
Krisen, Kriege, Krankheiten? Ja, aber anderswo und bei anderen. Und alles | |
mit Geld und gutem Willen zu lösen. | |
Seit 20 Jahren überzeuge ich mich selbst vom Gegenteil. Wer die Berichte | |
zum Klimachaos wirklich liest, den WissenschaftlerInnen wirklich zuhört und | |
die dafür (un)zuständige Politik wirklich beobachtet, dem läuft immer mal | |
wieder ein Schauer über den Rücken. Der kann es nicht fassen, wie langsam | |
zu wenig passiert und wie borniert viele Verantwortliche sind. Wir sorgen | |
uns, ob die Kinder die richtige Schule besuchen, ob man sich einen besser | |
bezahlten Job suchen sollte oder woher diese Zahnschmerzen kommen. Und | |
irgendwo unter den Alltagssorgen diese begründete Ahnung: Hier geht gerade | |
etwas richtig schief. | |
Mit Corona wechselten diese Gedanken von chronisch zu akut. Und nun das: An | |
einem Rosenmontag schießen sich russische Panzer durch ein europäisches | |
Land. Am selben Tag beschreibt der Weltklimarat das Ende der Welt, wie wir | |
sie kennen. Und in Köln sagen sie (auf Hochdeutsch übersetzt): „Es ist noch | |
immer gut gegangen!“ | |
Eine sympathische Einstellung. Aber wie jeck muss man dafür sein? | |
11 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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