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# taz.de -- Schlechte Umweltbilanz von Olympia: Nur die Vermarktung ist grün
> Kunstschnee und Wassermangel: Die Olympischen Winterspiele in Peking sind
> weitaus weniger nachhaltig, als dies die Organisatoren behaupten.
Bild: Pekings alpines Skigebiet Yanqing: Mehr braun und weniger weiß ist letzt…
Wenn Manuel Schöpf auf die Abfahrtspiste in Yanqing blickt, ist er
sichtlich stolz. Denn der 36-jährige Tiroler hat geschafft, was viele
vorher für unmöglich gehalten haben: Trotz zweistelliger Minusgrade,
stürmischen Böen und hohen Feinstaubwerten hat der Mitarbeiter von
„TechnoAlpin“ für Spitzenschnee auf den Berghängen gesorgt: Samt
Zubringerstraßen hat Schöpf sicher 30 Kilometer beschneit.
Doch wirklich nachhaltig sei seine Arbeit in den Pekinger Bergen nicht,
sagt der Österreicher selbstkritisch. Warum man ausgerechnet in einer
kahl-braunen Landschaft ein Skigebiet errichten müsse, habe er auch nicht
verstanden. Auch die monumentalen Bauten vom Olympischen Dorf bis hin zur
Rodelbahn sieht er skeptisch: „Sotschi war schon extrem, aber hier ist next
level“.
Die Umweltbilanz der Olympischen Spiele ist eine knifflige Angelegenheit.
Denn selten klafften Marketingsprüche und Realität weiter auseinander: Die
Organisatoren sprechen von den „grünsten“ Winterspielen in der
Olympia-Geschichte, Kritiker attestieren das genaue Gegenteil.
Fakt ist: Die Berghänge um Peking zählen besonders im Winter zu den
trockensten Gegenden ganz Chinas. In den Berchtesgadener Alpen fällt von
November bis Februar knapp ein Dutzend Mal so viel Niederschlag wie hier,
auch im südkoreanischen Pyeongchang – olympischer Gastgeber 2018 – ist es
deutlich mehr.
## Seit Mitte November sind 180 Schneekanonen im Hochbetrieb
So laufen die 180 Schneekanonen für die alpinen Abfahrten in Yanqing schon
seit Mitte November auf Hochtouren. 10 Liter Wasser pro Sekunde sprühen sie
in die staubtrockene Luft, für alle Anlagen werden rund 2 Millionen
Kubikmeter benötigt. Die kommen alle aus den umliegenden
Trinkwasserreservoirs und werden über unzählige Kilometer in die Berge
gepumpt.
Können das wirklich grüne Spiele sein? Li Xin, der sich um die
Schneeproduktion kümmert, meint ja. Bei einer Pressetour erklärt der
Experte, dass man ausschließlich grüne Stromquellen nutze, vorrangig Wind-
und Solarenergie. Und das Wasser des Kunstschnees würde, wenn es im
Frühling schmelze, wieder aufgefangen. Unabhängig überprüfen lassen sich
solche Aussagen nicht.
Gut dokumentiert hingegen ist, dass alle Anlagen in Yanqing – von der
Abfahrtspiste bis hin zur hochmodernen Rodelbahn – inmitten eines
Umweltschutzgebiets liegen. Das hat die Regierung kurzerhand verlegt. Nun
verlaufen seine Grenzen genau an den Olympiastätten vorbei.
Unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit sind solche Methoden äußerst
fragwürdig. Doch die Winterspiele als dystopische Umweltkatastrophe zu
porträtieren, wird ihnen auch nicht gerecht.
## Saubere Luft bei früherem Hochofen
Ausgerechnet die „Big Air“-Anlage in Shougang, die in sozialen Medien wegen
ihrer düsteren Industriearchitektur als abschreckendes Beispiel angeführt
wird, ist das genaue Gegenteilt: Noch vor 20 Jahren bliesen hier Stahlöfen
ihre Abgase in die dreckige Luft. Doch seit den Sommerspielen 2008 hat die
Stadtregierung alle Schwerindustrie aus Peking verbannt.
Ohnehin haben die Olympischen Spiele vor 14 Jahren umweltpolitisch einiges
bewegt. Das UN-Umweltprogramm bilanziert in einer aktuellen Studie, dass
die Organisatoren die eigens gesteckten Nachhaltigkeitsziele erreicht wenn
nicht gar übertroffen haben: „Durch Maßnahmen zur Minderung der
Luftverschmutzung, Investitionen im öffentlichen Verkehr und den Einsatz
von erneuerbaren Energien trug das Organisationskomitee der Sommerspiele
2008 dazu bei, die größte Sportveranstaltung der Welt umweltfreundlich zu
gestalten.“
Umgerechnet 17 Millionen Dollar seien in Umweltprojekte geflossen, etwa in
Verkehrsprojekte, Abfallwirtschaft und Aufforstung von städtischen
Grünflächen. So wurden im Rahmen der Spiele 8.800 Hektar Grünflächen neu
entwickelt und 30 Millionen Bäume und Rosenbüsche gepflanzt.
Ein ähnlicher Effekt ist jetzt jedoch zu bezweifeln. Dabei hätte alles noch
schlimmer kommen können: Ursprünglich hatten Pekings Organisatoren vom
Kunstschnee-Techniker Schöpf verlangt, für „weiße“ Fernsehbilder alle
umliegenden Berghänge zu beschneien. „Das haben wir versucht, aber der Wind
spielt da nicht mit“, so Schöpf. Ein Glück für die wasserarme Umwelt.
9 Feb 2022
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Wassermangel
China
GNS
Umweltbilanz
Olympische Winterspiele 2022
Schlaf
Olympische Winterspiele 2022
Südkorea
Schwerpunkt Klimawandel
Michael Vesper
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