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# taz.de -- Russland-Nato-Krise: Der Weg ist nicht das Ziel
> Der Konflikt mit Russland kann nur dann dauerhaft gelöst werden, wenn der
> Westen – anders als in Afghanistan – weiß, was er eigentlich erreichen
> will.
Bild: Nebelkerze oder Rückzug in die Kaserne? Pressebild des russischen Milit�…
Wer Zweifel hatte, ob [1][Olaf Scholz] die Rolle des Bundeskanzlers
ausfüllen kann, wurde diese Woche eines Besseren belehrt. Sein Auftritt mit
Wladimir Putin in Moskau war großes Kino. Souverän und wortgewandt konterte
er die Behauptungen des russischen Präsidenten. Die Bälle flogen hin und
her – selten ist eine Pressekonferenz so spannend und aufschlussreich
verlaufen. Gekrönt wurde Scholz' Besuch in der russischen Hauptstadt von
der Nachricht, dass die ersten Soldaten von der russisch-ukrainischen
Grenze [2][zurück in ihre Kasernen] beordert worden seien.
Doch was zunächst wie ein Schritt in Richtung Entspannung und Frieden
aussah, hat sich inzwischen als eine weitere Nebelkerze des Kremls
entpuppt. Tatsächlich hat sich die Lage weiter zugespitzt, denn Putin hat
inzwischen mit der Behauptung, in der umkämpften Ostukraine drohe ein
Genozid, eine Rechtfertigung für eine Invasion auf den Verhandlungstisch
geknallt. Von Truppenabzug ist offenbar keine Spur und zum ersten Mal seit
gut 30 Jahren nimmt Russland an diesem Wochenende nicht an der [3][Münchner
Sicherheitskonferenz] teil.
Die diplomatischen Kanäle dürften gerade glühen und auch in München wird
sich alles um die Frage drehen: Wie kann ein Krieg verhindert werden? Doch
dieses kurzfristige und unbestreitbar wichtige Ziel reicht nicht, um außen-
und sicherheitspolitisch handlungsfähig zu sein. Gerade die vergangenen
Tage haben gezeigt, dass Putin nach Belieben die Alarmlampen aus- und
wieder anknipsen kann und der Westen dabei keine gute Figur macht.
Der Grund dafür ist einfach: Die Nato-Staaten und die EU haben kein
langfristiges Ziel. Was wollen sie sicherheitspolitisch im Umgang mit
Russland gemeinsam erreichen? Will der Westen durchsetzen, dass alle
Staaten, auch die in Osteuropa, frei darüber entscheiden können, welche
Bündnisse sie wählen und wohin sie sich orientieren? Oder ist das
vorrangige Ziel, Russland sicherheitspolitisch zu integrieren, selbst wenn
es bedeutet, dass man russische „Einflussphären“ anerkennt? Frei nach dem
Motto: Hauptsache, es bleibt friedlich.
## Kein zweites Afghanistan
Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, doch es hilft niemandem, sie
beiseite zu schieben. Der Weg ist ja nicht das Ziel. Verhandeln allein
bringt wenig, wenn man das Ende nicht mitdenken kann. Auch der Streit
darüber, was der Westen Russland in Bezug auf Nato-Osterweiterung
versprochen hat oder auch nicht, bringt nicht weiter. Die Gespräche sind
lange her und Zusagen, so es sie denn gab, können nicht für alle Zeiten und
unter allen Umständen gelten.
Wie fatal eine ziellose Sicherheitspolitik des Westens sein kann, hat der
[4][Einsatz in Afghanistan] gezeigt. Während die einen nur irgendwie ein
bisschen Frieden zu sichern gedachten, wollten andere Al-Kaida vernichten,
die Taliban dauerhaft vertreiben und einen „Regime Change“ erreichen. Die
einen sprachen von Krieg, bei anderen war es das Wort, das nicht genannt
werden darf. Ob der lange Einsatz in Afghanistan am Ende Sieg oder
Niederlage war, kein niemand sagen. Denn was war nochmal das Ziel? Genau,
es gab kein gemeinsames.
Und Afghanistan ist keine Ausnahme. Auch bei anderen Einsätzen und
Konflikten – Mali oder Irak etwa – bleibt im Nebel, welches Ende anvisiert
ist. Selbst die besten Strategien sind aber nur dann wirksam und
erfolgreich, wenn klar ist, was man erreichen will.Schon bei der Annektion
der Krim war außer scharfen Verurteilungen und Sanktionen, die Putin nur
mäßig beeindruckten, nicht klar, wohin die Reise gehen soll. Will man
erreichen, dass Russland die [5][Krim] wieder verlässt?
Oder soll verhindert werden, dass sich eine solche kalt durchgezogene
Landnahme wiederholt? Und mit welcher Strategie soll sie verhindert werden?
Es wird deshalb höchste Zeit, dass die Nato-Staaten und die EU sich über
die aktuelle Krise hinaus verständigen, wie die zukünftige
Sicherheitsarchitektur in Bezug auf Russland aussehen soll und wieviel sie
kosten darf. Schließlich treffen harte Sanktionen nicht nur Putin.
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist der ideale Ort, um solche Ziele zu
besprechen und Strategien zu entwickeln. Aber Reden allein ist noch keine
Außen- und Sicherheitspolitik.
18 Feb 2022
## LINKS
[1] /Russland-Nato-Krise/!5835794
[2] /Truppenaufmarsch-an-Grenze-zur-Ukraine/!5835926
[3] /EU-Begeisterung-in-Osteuropa/!5833616
[4] /Taliban-auf-dem-Vormarsch/!5784912
[5] /Politische-Unzufriedenheit-in-Russland/!5614582
## AUTOREN
Silke Mertins
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Sicherheitskonferenz
Olaf Scholz
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