# taz.de -- Blockade der A100: Fiese, feine Nadelstiche | |
> Der Protest der „letzten Generation“ zeigt Wirkung – er erhält mehr und | |
> mehr Aufmerksamkeit. Doch nun braucht es mehr als Blockaden: Inhalte. | |
Bild: Ersatzpolizisten im Einsatz bei der Autobahnblockade am Montag | |
Seit rund zwei Wochen beginnt der Tag in Berlin meist mit der Nachricht, | |
dass Aktivist*innen „[1][erneut Autobahnen blockiert]“ haben. Und nicht | |
nur in der Hauptstadt verleiht die selbst ernannte „letzte Generation“ | |
ihrer [2][Forderung nach einem Bundesgesetz gegen | |
Lebensmittelverschwendung] auf diese Weise Nachdruck, sondern auch in | |
anderen deutschen Städten. | |
Normalerweise ist die Phrase, dass etwas „wieder passiert“, ein | |
untrügliches Zeichen dafür, dass die Bedeutung von Ereignissen abflaut – | |
sie sind ja nicht mehr neu und erhalten deshalb weniger öffentliche | |
Aufmerksamkeit. In diesem Fall ist es umgekehrt: Der höchst effiziente | |
Protest einiger weniger Menschen zeigt Wirkung, in mehrfacher Hinsicht. | |
Das liegt nicht nur daran, dass das Engagement der Aktivist*innen nicht | |
nachlässt und sie ihre Aktionen im morgendlichen Berufsverkehr fast schon | |
stoisch wiederholen. Vielmehr fachen einige direkt Betroffene mit | |
martialischen Auftritten der Selbstjustiz die Debatte an: Mehrere in den | |
sozialen Medien verbreitete Videos zeigen wütende Autofahrer, die auf die | |
auf der Straße sitzenden Aktivist*innen mit Gewalt losgehen, ohne dass | |
die Polizei einschreitet. Die Aktion – das ist die Botschaft der Filme – | |
hat einen Nerv der deutschen Gesellschaft getroffen: Wer die „freie Fahrt | |
für freie Bürger“ einschränkt, muss sich auf einiges gefasst machen. | |
Auf diese Weise entwickelt dieser Protest seine eigene Geschichte. Sie | |
leidet allerdings darunter, dass sie sich immer mehr von ihrem Anlass löst. | |
Denn die Autofahrer werden mutmaßlich ja nicht handgreiflich, weil sie für | |
die Verschwendung von Lebensmitteln sind. Wenn sich demnächst | |
Tierschützer*innen oder Atomkraftgegner*innen auf der A 100 | |
festkleben: Weiß man dann noch, aus welchem Grund? Zudem stellt sich die | |
Frage, wie die nächste Eskalationsstufe nach Protest und rabiater Gegenwehr | |
aussehen kann und sollte. | |
## Risikoreicher Einsatz | |
Das allein entzieht dem Protest nicht die Legitimation; der persönliche, | |
risikoreiche Einsatz der Aktvist*innen ist bewundernswert. Es zeigt sich | |
jedoch, dass punktuelle Aktionen wie die Blockade der Autobahnen immer nur | |
ein Element einer auf Medien angewiesenen Überzeugungsarbeit sein können. | |
Wenn am Ende der Eindruck der blinden Erpressung überwiegt, sei es durch | |
die Formulierung der Forderungen, sei es durch Gewalt oder der Gefährdung | |
der eigenen Gesundheit, steht das Ego der Aktivist*innen im | |
Vordergrund, und nicht das „wir“ einer besseren Gesellschaft. | |
Denn am Ende geht es um die Frage, ob ein Protest nicht nur Aufmerksamkeit | |
erzeugt, sondern auch etwas bewirkt im Sinne der ursprünglichen Intention. | |
7 Feb 2022 | |
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[1] /Aktivistinnen-blockieren-A100/!5833367 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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