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# taz.de -- Plastikmüll im Meer: Die Weltmeere als Müllkippe
> Die Ozeane ersticken im Plastikmüll, die Biodiversität ist in Gefahr. WWF
> und Alfred-Wegener-Institut fordern ein Abkommen.
Bild: Am Müll haftende Schadstoffe übertragen sich auf Tiere und Pflanzen und…
Berlin taz | Die UNO soll ein globales Abkommen gegen Plastikmüll
beschließen, ähnlich dem Klimaabkommen. Das fordern die Umweltorganisation
WWF und das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) am
heutigen Dienstag gemeinsam. Dabei berufen sie sich auf eine Analyse von
fast 3.000 Studien zum Thema „Müll im Meer“, die das AWI [1][in seiner
Datenbank Litterbase] gesammelt und nun ausgewertet hat.
Demnach verzeichnet die wissenschaftliche Literatur bei 90 Prozent der
untersuchten Arten negative Auswirkungen der marinen Plastikverschmutzung,
von Bakterien über Krebstiere bis hin zu Fischen, Schildkröten, Walen und
Robben. Besonders verschmutzt sind „die fünf großen Ozeanwirbel, in denen
der Plastikmüll kreist, die Küstengebiete, Mangrovenwälder und die
Tiefsee“, sagt Heike Vesper, die beim WWF den Fachbereich Meeresschutz
leitet.
Jährlich gelangen geschätzte 19 bis 23 Millionen Tonnen Plastikmüll in Seen
und Flüsse und schließlich auch ins Meer. „Pro Minute kippen wir zwei
Lkw-Ladungen Müll in unsere Gewässer“, sagt Vesper, „die planetaren Grenz…
sind in einigen Gebieten erreicht oder überschritten“.
Plastik gefährdet Lebewesen im Meer auf vielfache Weise: Tiere verstricken
sich darin, ziehen sich Wunden zu, erwürgen sich oder ertrinken, berichtet
Melanie Bergmann, eine der Studienautor:innen des AWI. Vögel nutzen
Plastikmüll zum Nestbau, ihre Küken erhängen sich darin. Plastiktüten oder
-planen legen sich über die Korallen und nehmen ihnen Licht und Luft. Eine
Studie aus Asien von 2010 zählt laut Bergmann 11,1 Milliarden Plastikteile
in den untersuchten Korallenriffs.
Am Müll haftende Schadstoffe oder Krankheitserreger übertragen sich auf
Tiere und Pflanzen und schädigen sie. Hormonell wirksame Stoffe
beeinträchtigen die Fortpflanzungsfähigkeit und führen zu
Verhaltensstörungen. Nicht zuletzt fressen Meerestiere den Müll, weil ihn
nach einiger Zeit im Wasser Biofilme überziehen und ihm den Geruch von
Nahrung verleihen. „90 Prozent aller Seevögel haben Plastikteile im
Verdauungstrakt, 52 Prozent aller Meeresschildkröten“, sagt Bergmann.
Vielen abgemagerten Walen und Delfinen habe der Müll volle Mägen
vorgegaukelt, sie verhungern mit gefülltem Bauch.
## Der Plastikmüll ist nicht rückholbar
„Der Müll trifft auf Ökosysteme, die sowieso schon stark belastet sind“,
sagt Vesper. Der Klimawandel, Überdüngung und Überfischung mache den
Ozeanen zu schaffen. Vielen Arten gebe der Plastikmüll nun den Rest.
Bislang seien alle Versuche, Plastikmüll wieder aus dem Meer zu entfernen,
gescheitert. Ein Grund dafür ist, dass die Tüten, Seile und Co sich zu
Mikroplastik zersetzen oder der Stoff als Reifenabrieb schon gleich in Form
kleinster Partikel dort landet. Das Problem sei so umfassend, dass nur ein
starkes, globales Plastikabkommen Abhilfe schaffen könne, sagt Vesper.
Schon auf der UN-Umweltversammlung vor drei Jahren sollte ein solches
Abkommen auf den Weg gebracht werden. Es scheiterte an der Uneinigkeit der
Mitgliedsländer, unter anderem die USA hatten sich gesperrt. Nun haben
Ruanda und Peru einen gemeinsamen Vorschlag für ein neues Abkommen
eingebracht, das inzwischen von 51 UN-Mitgliedsländern unterstützt wird,
[2][darunter auch Deutschland]. Beobachter loben die Vorlage unter anderem,
weil sie rechtsverbindliche, globale Ziele für weniger Müll vorsieht. Eine
konkurrierende, deutlich schwächere Vorlage Japans findet bislang zwar
weniger Unterstützung. In der Verhandlungslogik der UN-Umweltversammlung,
die häufig auf Konsens setzt, könnte es am Ende trotzdem zu einem
Kompromiss aus beiden Vorschlägen kommen – und damit zu einem weniger
schlagkräftigen Abkommen.
8 Feb 2022
## LINKS
[1] https://litterbase.awi.de/
[2] /Deutschland-will-UN-Konvention/!5758698
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
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Schwerpunkt Artenschutz
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