Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Blinder Syrer im bayerischen Kirchenasyl: Abschiebung ist vom Tisch
> Mheddin Saho erhält nach sechs Monaten im Kirchenasyl ein reguläres
> Asylverfahren. Sonst wäre er nach Spanien abgeschoben worden.
Bild: Mheddin Saho und seine Zieheltern Gisela und Gernard Zierer
München taz | Ein sehr gut gelaunter Mheddin Saho sagt am Montag während
seines Mittagessens bei einem Telefonat: „Jetzt habe ich wirklich Hoffnung.
Das erste Mal richtig, seit ich in Deutschland bin.“ Seit drei Jahren
bemüht sich der 28 Jahre alte blinde Syrer schon darum, als Flüchtling
anerkannt zu werden und eine Perspektive zu erhalten. Nun ist diese da,
nach sechs Monaten im Kirchenasyl hat Saho die Frist gemäß dem
Dublin-Abkommen überschritten und erhält ein reguläres deutsches
Asylverfahren.
Davor wäre er nach Spanien abgeschoben worden. Denn ursprünglich war er von
dort nach Deutschland eingereist. Mheddin Saho kam im Frühjahr 2019 nach
Rottenburg an der Laaber in Niederbayern, weil dort schon sein Cousin
lebte. Er freundete sich mit dem Ehepaar Gisela und Gerhard Zierer an, die
in der Flüchtlingshilfe und in einer freikirchlichen Gemeinde aktiv sind.
Ihre eigenen vier Kinder sind schon erwachsen, so haben sie Saho in ihr
Haus aufgenommen. „Mheddin ist zu unserem Adoptivsohn geworden“, sagt
Gisela Zierer. Zugleich studierte er, der perfekt Arabisch, Türkisch und
Englisch spricht, an der Münchner Uni Sprachen im Master-Studiengang. Seine
herausragenden Fähigkeiten sind bei ProfessorInnen und Mitstudierenden
anerkannt, er ist bestens integriert.
Allerdings beharrte das [1][Bundesamt für Migration und Flüchtlinge] (Bamf)
darauf, dass er nach Spanien ausreisen muss. Zu einem traumatisierenden
Erlebnis kam es am 22. Juli 2019: Am frühen Morgen kamen vier Polizisten
ins Haus, um ihn zu holen. Der Abschiebeflug wäre um 10.55 Uhr gewesen.
Mheddin Saho war allein, er ging mit. Auf seinem Platz im Flugzeug rief er:
„Helft mir, ich soll abgeschoben werden.“ Passagiere verständigten den
Piloten, dieser weigerte sich, den blinden Mann zu transportieren.
## Albträume wegen des Abschiebeflugs
Saho erzählt, dass er durch dieses Erlebnis bis jetzt schlecht schläft und
Albträume hat. Als auch das Verwaltungsgericht Regensburg seine [2][Klage
auf ein reguläres Asylverfahren] in Deutschland ablehnte, entschied er sich
nach Beratung mit den Zierers und Unterstützerkreisen zu sechs Monaten
Kirchenasyl. An welchem Ort dieses gewährt wurde, ist unbekannt. Die
Kirchen sind diesbezüglich sehr verschwiegen, um die Flüchtlinge nicht zu
gefährden.
Die Behörden waren aber über alles unterrichtet und hielten sich an die
Vereinbarung, niemanden mit Gewalt aus dem Kirchenasyl rauszuholen. Auch
Journalisten waren informiert, wurden aber sehr dringend gebeten, in dieser
Zeit „die Füße stillzuhalten“, wie Gisela Zierer sagte. In dieser heiklen
Phase des Falles wäre Berichterstattung nicht gut für Saho gewesen, meinten
die Beteiligten.
Nun besorgt sich Mheddin Saho wieder vorläufige Ausweispapiere. Er kann es
kaum erwarten, in der kommenden Woche an die Uni zurückzukehren und weiter
an seinem Master zu arbeiten. Nach Angaben der Behörden sollte sein
Asylverfahren in etwa vier Wochen abgeschlossen sein. Die Mehrzahl der
syrischen Flüchtlinge erhält hier aufgrund der Zustände in ihrer Heimat
einen Schutzstatus, es gibt fast keine Ablehnungen.
22 Feb 2022
## LINKS
[1] /Asylantraege-von-Gefluechteten-beim-Bamf/!5765177
[2] /Unmenschliche-Migrationspolitik/!5781808
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Abschiebung
Kirchenasyl
Syrer
IG
Frontex
Kirchenasyl
Hamburg
Bayern
Flüchtlinge
taz.gazete
## ARTIKEL ZUM THEMA
Umstrittene Abschiebepolitik: Abschiebe-Business von Airlines
Fluggesellschaften verdienen an Abschiebungen. Die Bundesregierung hält die
Namen der Unternehmen geheim, um sie vor Kritik zu schützen.
Asyl in Bayern: Blinder Syrer darf bleiben
Der Student Mheddin Saho aus Niederbayern hat Asyl bekommen. Nun sucht er
einen Nebenjob – und arbeitet an seiner Master-Arbeit.
Arya Suli über sein Leben im Kirchenasyl: „Die schlimmste Zeit ist die Nacht…
Arya Suli lebt im Kirchenasyl in Hamburg-Niendorf. Das Gelände verlässt er
nur in deutscher Begleitung. Ein Gespräch über das Leben im Dazwischen.
Kirchenasyl in Bayern: In Liebe gegen Abschiebungen
Die Äbtissin Mechthild Thürmer gewährt Kirchenasyl. Dafür droht ihr die
bayerische Justiz mit einer Freiheitsstrafe.
Angst und Unsicherheit trotz Kirchenasyl: Gott hilft den Geduldigen
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat wegen der
innereuropäischen Grenzschließungen den Zeitraum für Abschiebungen einfach
verlängert.
Drohende Dublin-Rückführung: Vom Kirchenasyl in den Hörsaal
Der blinde Syrer Mheddin Saho studiert seit dem Wintersemester an der
Münchner Universität. Nun wurde ein Ermittlungsverfahren gegen ihn
eröffnet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.