Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Drohende Dublin-Rückführung: Vom Kirchenasyl in den Hörsaal
> Der blinde Syrer Mheddin Saho studiert seit dem Wintersemester an der
> Münchner Universität. Nun wurde ein Ermittlungsverfahren gegen ihn
> eröffnet.
Bild: Mheddin Saho ist teilweise bis zu vier Stunden vom Haus seiner Betreuerfa…
Nach sechs Wochen im Kirchenasyl kann Mheddin Saho sich wieder durch den
öffentlichen Raum bewegen. Unbeirrt geht der blinde Syrer seinem Ziel nach
und pendelt von dem kleinen Ort in Niederbayern aus, der ihm Zuflucht
geboten hat, in die Münchner Maxvorstadt. Seit Beginn des Wintersemesters
besucht Saho an der Müncher Ludwig-Maximilian-Universität Seminare. Er will
hier seinen Master machen und [1][an der Entwicklung neuer Methoden zum
Spracherwerb bei blinden Menschen mitarbeiten].
Da Saho aus der Türkei über Spanien nach Deutschland eingereist war, sollte
er im Sommer aufgrund des Dublin-Verfahrens nach Barcelona überstellt
werden. Humanitäre Gründe, die einen Verbleib in Deutschland zu
Studienzwecken erfordern, wollten weder das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) noch das Regensburger Verwaltungsgericht gelten lassen.
Einen Tag vor dem zweiten Rückführungstermin ging Saho deshalb am 21.
August [2][in Rottenburg ins Kirchenasyl].
Das eingereichte Härtefalldossier wurde zwar am 17. September abgelehnt,
gleichzeitig setzte allerdings das BAMF die Vollziehung der Rückführung
aus. Nun muss das Regensburger Verwaltungsgericht mündlich verhandeln, ob
ein Blinder nach Spanien überstellt werden kann. Rottenburger Christ*innen
haben Unterschriften gesammelt und eine Petition beim Bundesinnenminister
eingerichtet. Die liegt im Ministerium allerdings noch auf dem Stapel
unbearbeiteter Papiere.
Bis das Gericht tagt, hat Saho eine Aufenthaltsgestattung und einen
Schwerbehindertenausweis. Damit kann er seinen Studienplatz an der LMU
wahrnehmen. Mit dem Semesterticket ist der blinde Student teilweise bis zu
vier Stunden unterwegs, um die Distanz zwischen dem Haus seiner
Betreuerfamilie in Rottenburg und der Uni zurückzulegen. An den Bahnhöfen
assistieren ihm Bahnmitarbeiter*innen beim Umsteigen, an der Uni lotsen ihn
studentische Helfer*innen durch die Gebäude.
## Zwischen Referat und Ermittlungsverfahren
Ein Platz in einem Münchner Wohnheim für Studierende mit besonderen
Bedürfnissen ist noch zu teuer, solange die Behörden jeden Tag erneut die
Ausreise nach Spanien anordnen können. Schon die fürs Studium notwendige
Krankenversicherung übernimmt das Sozialamt bei einem Asylbewerber nicht.
Am 7. November soll Saho gemeinsam mit Mitstudierenden sein erstes Referat
halten. „Die ersten Wochen an der Uni liefen ganz wunderbar“, sagt Saho.
„Da will ich einfach nicht die ganze Zeit über meinen unsicheren Status
nachdenken müssen.“ Er hat Besseres zu tun, als sich der Behördenwillkür zu
beugen. Deshalb überlässt er es seinem Anwalt, sich mit der Bundespolizei
auseinanderzusetzen. Die unterrichtete am 17. Oktober die Betreuerfamilie
über ein Ermittlungsverfahren gegen Saho.
Er steht im Verdacht, sich ohne Aufenthaltstitel unerlaubt am Münchner
Flughafen aufgehalten zu haben. Und zwar am 22. Juli 2019. Als Tatzeitraum
wird 8.55 Uhr bis 10.55 Uhr angegeben. Vermutlich sind die Beamten, die ihn
dort gesehen haben wollen, zuverlässige Zeugen. Denn an jenem Morgen
brachten sie ihn aus Rottenburg zum Flughafen, um ihn gegen seinen Willen
in eine Maschine nach Barcelona zu setzen. Da Saho jedoch Panik bekam und
der Pilot sich weigerte, ihn mitzunehmen, verließ er dann das deutsche
Staatsgebiet doch nicht pünktlich um 10.55 Uhr. Sahos Anwalt Thomas
Oberhäuser kann die Anzeige nicht nachvollziehen: „Jeden Betroffenen eines
Dublin-Verfahrens zum Straftäter zu machen, entspricht weder den
Vorstellungen des Bundesgesetzgebers noch den Vorgaben der Dublin
III-Verordnung.“
28 Oct 2019
## LINKS
[1] https://gazete.taz.de/article/?article=!5617162&searchterm=saho
[2] https://gazete.taz.de/article/?article=!5620397&searchterm=saho
## AUTOREN
Oliver Kontny
## TAGS
taz.gazete
Kirchenasyl
Abschiebung
taz.gazete
## ARTIKEL ZUM THEMA
Asyl in Bayern: Blinder Syrer darf bleiben
Der Student Mheddin Saho aus Niederbayern hat Asyl bekommen. Nun sucht er
einen Nebenjob – und arbeitet an seiner Master-Arbeit.
Blinder Syrer im bayerischen Kirchenasyl: Abschiebung ist vom Tisch
Mheddin Saho erhält nach sechs Monaten im Kirchenasyl ein reguläres
Asylverfahren. Sonst wäre er nach Spanien abgeschoben worden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.