# taz.de -- Studie über teure Autos: Auto statt Altersvorsorge | |
> Die gesellschaftlichen Kosten für einen Pkw sind enorm. Warum wird die | |
> Mobilität von Menschen ohne Auto eigentlich nicht entsprechend | |
> subventioniert? | |
Bild: Autos sind keine Spielzeuge | |
Wer 50 Jahre lang einen bescheidenen Opel Corsa besitzt, fährt damit satte | |
600.000 Euro an Kosten ein – wovon rund 40 Prozent die Gesellschaft trägt. | |
Autofahren ist immens teuer, und zwar nicht nur für die, die einen Pkw | |
besitzen. „Alle die, die kein Auto haben, finanzieren die mit, die eines | |
haben“, sagt der Mobilitätsforscher Stefan Gössling vom [1][Freiburger | |
Institut T3 Transportation Think]. Er hat das Institut gemeinsam mit dem | |
Bundesverband Zukunft Fahrrad (BVZF) gegründet. | |
Gössling, der auch an der schwedischen Universität Lund lehrt, hat | |
untersucht, wie viel Geld Bürger:innen aufbringen müssen, wenn sie über | |
50 Jahre lang ein Auto fahren. Er hat die Kosten für die vergangenen und | |
die kommenden 25 Jahre berechnet. Dazu hat er 23 private und 10 | |
gesellschaftliche Ausgabenpositionen für drei Automodelle analysiert. Dazu | |
gehören Wertminderung, Betriebsausgaben oder Zeitkosten für im Stau | |
verbrachte Tage. Gesellschaftliche Ausgaben entstehen etwa beim Bau der | |
Infrastruktur oder der Bewältigung von Umwelt- und Gesundheitsfolgen. | |
Bei den drei Modellen handelt es sich um den Opel Corsa, den VW Golf und | |
den Mercedes GLC. Die Auswahl fiel auf sie, weil sie nach den Daten des | |
Kraftfahrtbundesamts die jeweils populärsten aus den Klassen Klein- und | |
Kompaktwagen sowie SUV sind. Dabei ging Gössling von 15.000 gefahrenen | |
Kilometern im Jahr aus. | |
Der Wissenschaftler hat die Kosten auf 50 Jahre berechnet, weil das in etwa | |
der Zeitraum ist, in dem Menschen ein Auto besitzen – während der | |
Berufstätigkeit, aber auch darüber hinaus. In dieser Zeit fließt richtig | |
viel Geld in die Karre. Wer sein ganzes Autoleben einen Kleinwagen wie | |
einen Opel Corsa fährt, muss rund 353.000 Euro aufbringen, beim VW Golf | |
sind es 403.000 Euro und beim Mercedes GLC stolze 679.000 Euro – also ein | |
kleines bis großes Einfamilienhäuschen oder eine mehr oder weniger | |
veritable Eigentumswohnung. | |
## Auto als Wertverpuffer | |
Dabei werden sich Gutverdienende und Vermögende neben dem Auto durchaus | |
noch eine Immobilie leisten können. Menschen mit wenig Geld aber nicht. Der | |
Anteil am Einkommen, den sie für das Fahrzeug aufwenden müssen, ist | |
wesentlich höher. Dieses Geld steht nicht nur nicht für den Konsum zur | |
Verfügung, sondern auch nicht für Altersvorsorge oder Vermögensaufbau. | |
Während Immobilien ihren Wert im Laufe der Zeit steigern, verpufft das in | |
ein Auto gesteckte Geld einfach. Hinzu kommt: Wer wenig Geld hat, kauft | |
eher einen Gebrauchtwagen – der ist im Unterhalt wegen der größeren | |
Reparaturanfälligkeit im Betrieb weitaus teurer als ein fabrikneues | |
Fahrzeug. Das zeigt: Eine Politik, die mangels alternativer | |
Mobilitätsangebote den Besitz eines Autos erforderlich macht, und eine | |
Gesellschaft, die den Besitz eines Autos zur Norm erklärt, vertiefen die | |
soziale Spaltung. | |
Eine Reihe von Studien sind bereits zu dem Ergebnis gekommen, dass | |
Autohalter:innen die Kosten für ihr Fahrzeug drastisch unterschätzen. | |
Ausgaben für regelmäßige Reparaturen, Reifenwechsel oder den TÜV fallen | |
ihnen kaum auf. Auch Gössling ist davon überzeugt, dass vielen | |
Autobesitzer:innen das finanzielle Ausmaß nicht klar ist. „Viele | |
sehen diese Kosten als unvermeidbar an“, sagt er. Wie Miete oder Ausgaben | |
für Lebensmittel werden sie nicht in Frage gestellt, sondern hingenommen – | |
bis auf den Spritpreis, der als alleiniger Maßstab gilt. Er ist oft Anlass | |
dafür, dass sich Autofahrende abgezockt fühlen – obwohl davon keine Rede | |
sein kann. | |
„Wenn man Autofahrer fragt, ob sie für alle Kosten aufkommen, die sie | |
verursachen, nicken sie mit dem Kopf“, sagt Gössling. „Ihnen ist nicht | |
klar, wie stark das Auto subventioniert wird.“ Denn obwohl die von | |
Autofahrer:innen aufgebrachten Ausgaben – auch aufgrund Steuern und | |
Abgaben – hoch sind, werden damit die für die Gesellschaft anfallenden | |
Kosten keineswegs gedeckt. Wer einen Opel Corsa fährt, wird der Studie | |
zufolge von der Allgemeinheit mit jährlich 4.674 Euro subventioniert, bei | |
einem VW Golf sind es 4.755 Euro, bei einem Mercedes GLC 5.273 Euro – | |
wohlgemerkt jedes Jahr. Denn ohne gebaute und in Stand gesetzte Straßen | |
könnten die Fahrzeuge nicht fahren, auch Platz fürs Parken muss geschaffen | |
werden. „Wer mit dem Auto zum Supermarkt fährt und dort auf dem Parkplatz | |
parkt, hat schon eine Subvention bekommen“, sagt Gössling. [2][Denn die | |
Fußgänger:innen und Radfahrer:innen, die dort ebenfalls einkaufen, | |
finanzieren den Parkplatz mi]t. Immens sind die finanziellen Folgen für die | |
Gesundheit. „Der größte Kostenfaktor ist die Belastung durch Feinstaub und | |
Stickoxide“, sagt der Wissenschaftler. | |
Wenn das Auto so großzügig bezuschusst wird – dann müsste auch und gerade | |
die Mobilität von Menschen ohne eigenen Pkw subventioniert werden. [3][Denn | |
sie gefährden nicht die Gesundheit oder das Leben anderer.] Doch das wird | |
nicht belohnt, im Gegenteil. Gerade erst haben viele Verkehrsverbünde die | |
Ticketpreise erhöht. | |
## Frei=wohlhabend | |
Umweltorganisationen und Verbraucherschützer:innen fordern mit Recht | |
seit Langem eine Mobilitätsprämie für Zuschüsse etwa zu Bahncards, Rädern | |
oder ÖPNV-Abos statt weiterer Prämien etwa für E-Autos oder steuerliche | |
Vergünstigungen für Dienstwagen. Denn über die von Gössling berechneten | |
gesellschaftlichen Kosten fließen viele, viele weitere Milliarden jährlich | |
in die Autowelt. Das muss sich ändern, wegen der Klimakrise, aber auch | |
wegen der viel zu vollen Straßen und der viel zu vielen Unfallopfer. | |
Und: Nicht nur bei den Kosten, auch bei den Regeln fürs Autofahren ist ein | |
Umsteuern überfällig. Fehlende Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen | |
spiegeln die Freie Fahrt für Freie Bürger wider, und „frei“ ist hier wie … | |
Alten Rom als wohlhabend zu verstehen. Wer sich ein schnelles Auto leisten | |
kann, hat auch ein Interesse daran, dass es kein Tempolimit gibt. | |
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der tschechische Milliardär Radim | |
Passer in seinem Bugatti mit 417 km/h über einen Autobahnabschnitt zwischen | |
Berlin und Hannover gerast ist. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hat | |
Ermittlungen aufgenommen wegen Verdachts eines illegalen Straßenrennens. | |
Angemessen wären Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung. | |
26 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.t3freiburg.de/ | |
[2] /Gruener-Vorstoss-in-Autohilfen-Debatte/!5681123 | |
[3] /Neue-Parkgebuehren-fuer-AnwohnerInnen/!5815759 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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