Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fahrverbote in Kolumbiens Hauptstadt: Gegen den Verkehrskollaps
> In Bogotá gibt es ein Fahrverbot. Mal für Autos mit geraden Kennzeichen,
> mal für die mit ungeraden. Jetzt wurde es ausgeweitet. Das gefällt nicht
> allen.
Bild: Bogotáer*innen sollen auf Rad oder ÖPNV umsteigen, aber die Busse sind …
Bogotá taz | Bürgermeisterin [1][Claudia López] hat sich in der
Live-Sendung zum neuen Fahrverbot in Kolumbiens Hauptstadt in Rage geredet.
Auf die Frage, was sie all den Autofahrer*innen sage, die Steuern
zahlen, aber nun ihr Auto noch weniger nutzen können, sagt López [2][den
Halbsatz], den sie einen Tag später [3][zurücknehmen] wird: „Verkaufen Sie
es!“ Im Kontext klingt das etwas weniger harsch: „Wer ein Auto hat, muss
Steuern zahlen. Verkaufen Sie es, fahren Sie Rad, nehmen Sie den
öffentlichen Nahverkehr oder bilden Sie eine Fahrgemeinschaft. Es gibt kein
Recht (aufs Auto), es ist nicht rational, dass 20 Prozent der
Bogotaner*innen für 100 Prozent Stau verursachen und die Luft
verschmutzen.“
Mit dem „Verkaufen Sie Ihr Auto“ brach López im Internet einen Meme-Sturm
los: „Verkauf dein Handy, dann klaut es dir keiner.“ „Sind dir Eier, Milch
und Fleisch zu teuer, dann verkauf halt den Kühlschrank.“ Oder „Wenn das
Leben dir zu teuer ist, stirb halt.“ Und schlimmer. Offenbar hatte López
bei denen einen Nerv getroffen, die überraschenderweise 60 Prozent der
Autos in Bogotá besitzen sollen: [4][Menschen aus den unteren Schichten].
Seit anderthalb Wochen gilt in Kolumbiens Hauptstadt das neue Fahrverbot.
Bislang schon mussten Autofahrer*innen mit gerader
Nummernschild-Endung zu den Stoßzeiten zwischen 6 und 8.30 Uhr und von 15
bis 19.30 Uhr an geraden Tagen das Auto stehen lassen (und ungerade an
ungeraden). „Pico y Placa“ hieß das auf Spanisch (wörtlich: Stoßzeit und
Nummernschild). Wer kann, hatte sich deshalb längst einen Zweitwagen
besorgt, andere fuhren sehr früh ins Büro und blieben sehr lange dort. Seit
dem 11. Januar gilt die Regelung wochentags durchgängig und länger – von 6
bis 21 Uhr.
Damit beginnt laut López die „Ära der gemeinsamen Mobilität“. Auch wenn
ihre Pädagogik für einige Hauptstädter*innen penetrant und elitär
erscheint, bestreitet wohl niemand, dass Bogotá sich ändern muss. Seit
Längerem führt die Stadt die [5][Welt-Staustatistik] an oder belegt dort
einen [6][vorderen Platz]. Die Luft ist laut [7][Index] der Universität von
Chicago 2021 eine der schmutzigsten in Lateinamerika und kostet die
Einwohner*innen zwei Jahre Lebenserwartung – oder 2.000 Menschenleben
jährlich, wie Bürgermeisterin López vorrechnet.
## Radfahren ist trotz neuer Radwege zu unsicher
Es droht der Verkehrskollaps. Fünfhundert Baustellen gibt es derzeit –
wegen der Pläne für Metro und mehr Busspuren wird es noch schlimmer werden.
2021 wurden in Kolumbien 32 Prozent mehr Autos als im Vorjahr verkauft –
von denen nun über ein Fünftel davon zusätzlich Bogotás Straßen verstopfen.
Geht es nach López, sollen mehr Bogotáner*innen auf Rad oder Bus
umsteigen, Arbeitszeiten flexibler werden, das Auto anders genutzt. Die
neue Regelung setzt Anreize: Wer mindestens zu dritt eine Fahrgemeinschaft
bildet, darf trotzdem fahren, für Elektro- und Hybridautos und
medizinisches Personal gilt das Verbot nicht.
Doch es muss noch viel geschehen. Radfahren ist vielen trotz [8][neuer
Radwege] zu unsicher, und Bogotá ist berüchtigt für Fahrraddiebstähle. Der
Transmilenio-Bus gilt als langsam und überfüllt. Und just zum ersten Tag
des neuen Fahrverbots wurde der Bustarif um 150 Pesos angehoben. Das sind
zwar umgerechnet nur 2 Cent – für Arme aber ist das aufgrund der
Preissteigerungen auch bei Grundnahrungsmitteln und stagnierendem
Mindestlohn viel Geld. Es kam zu friedlichen [9][Protesten,] versuchtem
Massenschwarzfahren und [10][Festnahmen.]
Die ersten Tage des neuen Fahrverbots waren trotz des rumpelnden Starts
positiv: 20 Prozent weniger Autos waren auf der Straße, und zu den
Nicht-Spitzenzeiten floss der Verkehr [11][30 Prozent schneller] als
früher. Der Unterschied sei auffallend, sagten Taxifahrer der taz.
Ob die Entspannung von Dauer ist, bleibt abzuwarten – nicht nur, weil die
meisten Schulen erst kommende Woche öffnen und noch nicht alle
Hauptstädter*innen aus dem Urlaub zurück sind. Wer genug Geld hat, kann
sich vom Fahrverbot freikaufen. „Solidarisches Pico y Placa“ heißt das und
kostet umgerechnet bis zu 21 Euro pro Tag.
Kritiker*innen befürchten zudem, dass künftig nicht nur Menschen als
Platzhalter für Fahrgemeinschaften bezahlt werden, sondern dass es noch
mehr Zweitautos und dreckige Motorräder geben wird. Für Letztere gelten
auch in Zukunft keine Beschränkungen.
23 Jan 2022
## LINKS
[1] /Kommunalwahl-in-Kolumbien/!5636404
[2] https://youtu.be/ZOp0Szj9tCc
[3] https://www.elespectador.com/bogota/claudia-lopez-se-retracto-por-polemica-…
[4] https://www.elespectador.com/bogota/tener-carro-en-bogota-una-encrucijada-p…
[5] https://de.euronews.com/2020/01/21/254-stunden-pro-jahr-in-welcher-stadt-gi…
[6] https://www.cbsnews.com/pictures/worst-traffic-cities-in-the-world/
[7] https://www.eltiempo.com/vida/medio-ambiente/bogota-entre-las-ciudades-con-…
[8] /Fahrradboom-in-Kolumbiens-Hauptstadt/!5695349
[9] https://www.elespectador.com/bogota/bogota-se-registran-las-primeras-protes…
[10] https://www.elespectador.com/bogota/galeria-protestas-y-detenciones-en-est…
[11] https://www.instagram.com/tv/CY4Tk1ggZJp/?utm_source=ig_web_copy_link
## AUTOREN
Katharina Wojczenko
## TAGS
Kolumne Stadtgespräch
Kolumbien
Bogotá
Verkehr
Fahrverbot
Stau
Kolumne Stadtgespräch
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Klimawandel
IG
## ARTIKEL ZUM THEMA
Plattenklau in Kolumbiens Hauptstadt: Der plötzliche Sturz in die Tiefe
Immer wieder werden in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá wertvolle
Aluminium-Gehwegplatten von Fußgängerbrücken gestohlen. Wer nicht aufpasst,
fällt durch.
Pop-up-Fahrradwege auf dem Vormarsch: Seit einem Jahr bewegt sich was
Mit Corona entstanden die ersten temporären Radwege. Für den weiteren
Ausbau liefert ein Berliner Rechtsstreit anderen Städten wichtige
Erkenntnisse.
Zerstörte Schutzgebiete in Kolumbien: Wenn die Quelle versiegt
Das Wasser für die Bewohner*innen in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá kommt aus
umliegenden Wäldern. Doch die fallen Landraub zum Opfer.
Neue Radwege durch Coronakrise: Impuls aus Bogotá
Die Corona-Pandemie zeigt in vielen Städten: Wo ein Wille ist, ist auch
schnell ein Radweg. Egal ob in Berlin, Bogotá oder Budapest.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.