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# taz.de -- Russlands Energiepolitik: Energiekrise made in Russia
> Die Republik Moldau sucht die Nähe zur EU. Seitdem steigen die Preise für
> Gas aus Russland stark an. Jetzt wurde der Energienotstand ausgerufen.
Bild: Schwindelnde Höhen: Gaspromtochter Moldovagaz hebt Energiepreise an
Die Republik Moldau zieht die Notbremse: Am Donnerstag hat das Parlament in
Chişinău mit 58 von 101 Abgeordneten für einen Ausnahmezustand im
Energiesektor gestimmt. Dieser soll zunächst für 60 Tage gelten. Bereits am
Mittwoch hatte die Regierung ein entsprechendes Vorhaben angekündigt und
die Abgeordneten um ihre Zustimmung gebeten.
Die Regierung kann nun bestimmte Maßnahmen ergreifen, zum Beispiel eine
Rationierung des Gasverbrauchs anordnen. Auch kann sie Gelder aus dem
Staatshaushalt einsetzen, um für Gas zu zahlen.
Ein Abgeordneter des oppositionellen Bündnisses aus Kommunisten und
Sozialisten (BKS) nannte das Parlamentsvotum einen Versuch, den Aufruhr im
Volk zu unterdrücken. Die russischsprachige Zeitung Komsomolskaja Prawda
Moldowa, die jeder Sympathie für die Westorientierung der Regierung
unverdächtig ist, schrieb: „Jetzt fangen wir ein neues Leben an – ein Leben
im Ausnahmezustand.“
Grund für diesen Schritt ist ein Drohbrief des russischen Gasgiganten
Gazprom an seine moldauische Tochter Moldovagaz, dem
2,6-Millionen-Einwohner-Land ab diesem Donnerstag wegen nicht vollständig
geleisteter Zahlungen den Gashahn abzudrehen. Laut Angaben der Regierung
geht es um Außenstände in Höhe von umgerechnet 22,4 Millionen Euro. Gazprom
hatte sich einem Zahlungsaufschub jedoch strikt verweigert.
## Kosten in schwindelnden Höhen
Die Republik Moldau ist fast vollständig von Energielieferungen aus
Russland abhängig. An der Moldovagaz hält Gazprom 50 Prozent der Anteile,
die Regierung in Chişinău 35,3 Prozent. Auf die abtrünnige Region
Transnistrien, die seit dem Bürgerkrieg Anfang der 1990 Jahre de facto von
Chişinău unabhängig ist, entfallen 13,4 Prozent.
Bis zum September vergangenen Jahres hatte Russland einen 2007
geschlossenen Liefervertrag jährlich erneuert, bestand dann jedoch
plötzlich darauf, die Vereinbarung rundum zu erneuern. In diesem
Zusammenhang war von rund umgerechnet 680 Millionen Euro Schulden Chişinăus
die Rede, während das wesentlich kleinere Transnistrien bizarrerweise
angeblich mit knapp 6,2 Milliarden Euro in der Kreide stand.
[1][Im Oktober] verhängte die moldauische Regierung daraufhin einen
30-tägigen Ausnahmezustand und kaufte erstmals kleinere Mengen Gas in Polen
und den Niederlanden ein. Ende Oktober unterzeichneten Moldau und Gazprom
einen neuen Vertrag mit einer Laufzeit fünf Jahren. Der sieht unter anderem
vor, dass Chişinău nicht nur für erhaltene Lieferungen zahlt, sondern
anteilig für den Folgemonat in Vorleistung geht.
Laut Angaben der russischen Zeitung Kommersant sind die Kosten für 1.000
Kubikmeter Gas stetig gestiegen – von 450 Dollar im November auf 647 Dollar
im Januar.
## Das Gerede vom „Energozid“
Vor wenigen Tagen meldete sich auch der Chef von Moldovagaz, Wadim Scheban,
zu Wort. Sollten diese Preissteigerungen anhalten, werde man nicht
umhinkommen, auch die Tarife für die Verbraucher*innen zu erhöhen.
„Doch, was sollen die Menschen tun, die maximal 10.000 Lei (umgerechnet
knapp 480 Euro) verdienen. Wie sollen sie in dieser kalten Jahreszeit
leben?“, fragte er auf Facebook. Der Durchschnittslohn in der Republik
Moldau liegt bei rund 460 Euro.
Dass Gazprom ausgerechnet im vergangenen Herbst auf neue
Vertragsbedingungen pochte, halten Beobachter*innen nicht für
zufällig. 2020 wurde [2][Maia Sandu zur Präsidentin] gewählt, die eine
ambitionierte Reformagenda verfolgt und dezidiert in Richtung Westen
unterwegs ist. Im Jahr darauf holte ihre Partei „Aktion und Solidarität“
(PAS) mit 58 Stimmen [3][den Sieg bei der Parlamentswahl.]
Sandu sieht den Platz Moldaus, das 2016 ein Assoziierungsabkommen mit
Brüssel unterzeichnet hat, in der EU. Und sie will, dass die rund 2.000
russischen Soldaten aus Transnistrien abziehen. Besonders prorussische
Kräfte machen gegen diesen Kurs Stimmung. Angesichts der jüngsten,
angeblich von der Regierung verschuldeten Krise sprachen sie von einem
„Energozid“ und kündigten Proteste an.
„Das Jahr 2022 wird von Versuchen Russlands gekennzeichnet sein, die
Reformen in Moldau zu sabotieren. Die Gasfrage wird dabei im Mittelpunkt
stehen, zumindest bis zum Frühjahr“, zitiert das Onlineportal „Balkan
insight“ den Politikwissenschaftler Mihai Isac. Nach Lage der Dinge liegt
er damit genau richtig.
20 Jan 2022
## LINKS
[1] https://www.sueddeutsche.de/politik/gas-moldau-russland-1.5451682
[2] /Neue-Praesidentin-von-Moldau/!5725349
[3] /Parlamentswahl-in-Moldau/!5784895
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Transnistrien
Republik Moldau
Gaslieferungen
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Stromkosten
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