| # taz.de -- Hilfe in der Energiekrise: Wie EU-Nachbarn Gaskunden helfen | |
| > Einmalzahlung und Preisbremse: Der deutsche Weg, Kosten für Brennstoff zu | |
| > begrenzen, zog Kritik auf sich. Da lohnt ein Blick in die Nachbarländer. | |
| Bild: Idylle wie gemalt: Touristen warten aufs Gas. Eemshaven in den Niederland… | |
| Freiburg taz | Gibt es bessere Wege? Der „Gaspreisdeckel“ sei zu | |
| kompliziert, sozial unausgewogen und mit zu wenig Anreiz zum Energiesparen. | |
| Aber wie denn sonst? | |
| In Deutschland hat die [1][Kommission für dieses Jahr eine Einmalzahlung im | |
| Dezember vorgeschlagen], die sich am Gasabschlag vom September orientiert. | |
| Dieser rückwärtige Bezugspunkt ist zwingend, weil Kunden sonst ihren | |
| Abschlag noch schnell erhöhen könnten. Die Bemessung der Boni am Abschlag | |
| führt aber dazu, dass der Staat jene am meisten fördert, die in der | |
| Vergangenheit die meiste Energie verbraucht haben – ein sozial wie | |
| ökologisch zweifelhafter Ansatz. | |
| Die [2][Niederlande gehen da einen anderen Weg]. Dort soll im November und | |
| Dezember jeder Haushalt eine pauschale Erstattung auf seine Gasrechnung von | |
| jeweils 190 Euro bekommen. Damit wird also bewusst nicht derjenige stärker | |
| mit Staatsgeld bedacht, für den Energiesparen in der Vergangenheit ein | |
| Fremdwort war. | |
| Der Anreiz zum Energiesparen bleibt vollumfänglich erhalten. | |
| Unkomplizierter und rechtssicherer als das deutsche Modell dürfte der | |
| niederländische Ansatz ohnehin sein. Denn wie soll das funktionieren, wenn | |
| jemand zwischen September und Dezember umgezogen ist und/oder den Versorger | |
| gewechselt hat? Die Energielieferanten und – im Mehrfamilienhaus – | |
| Hausverwaltungen, die das Modell der Gaspreiskommission abwickeln müssten, | |
| wären in Hinsicht auf den bürokratischen Aufwand nicht zu beneiden. | |
| ## Gaspreisbremse in den Niederlanden, Gutschrift in Irland | |
| Auch die [3][2023 einsetzende Gaspreisbremse] wirkt in den Niederlanden | |
| anders. Statt jedem Haushalt 80 Prozent seines bisherigen Verbrauchs zum | |
| gedeckelten Preis zu garantieren, wie es in Deutschland diskutiert wird, | |
| wollen die Niederlande allen Haushalten einheitlich bis zu 12.000 | |
| Kilowattstunden zum gedeckelten Preis gewähren. Das Kontingent gilt also | |
| unabhängig vom Verbrauchsverhalten, womit verhindert wird, dass | |
| ausgerechnet Großverbraucher am meisten Staatsgeld bekommen. | |
| Ob die Grenze mit 12.000 Kilowattstunden zu hoch gelegt ist – gut gedämmte | |
| Häuser mit zugleich umsichtigen Bewohnern heizen längst deutlich sparsamer | |
| –, kann man diskutieren. Andere Länder konzentrieren sich vor allem auf den | |
| Strompreis. In Irland erhalten Verbraucher im November, Januar und März | |
| jeweils eine Stromkostengutschrift über 200 Euro. | |
| In Österreich bekommen Haushalte ein Kontingent von 2.900 Kilowattstunden | |
| Strom im Jahr zum gedeckelten Fixpreis von sagenhaften 10 Cent pro | |
| Kilowattstunde; der Staat trägt dann die Differenz zum Marktpreis. Erst den | |
| Verbrauchsanteil, der darüber liegt, bezahlt der Kunde wie marktüblich. Im | |
| Sinne eines sparsamen Umgangs mit Strom ist das nicht, da – erstens – 10 | |
| Cent extrem wenig sind und – zweitens – 2.900 Kilowattstunden mehr sind als | |
| der Bedarf vieler sparsamer Haushalte. | |
| Frankreich wiederum hat die Strom- und Gaspreise für Haushalte bereits seit | |
| Monaten gedeckelt. Das ist insofern kritisch, weil dort Strom besonders | |
| knapp ist und so die dringend nötigen Anreize zum Energiesparen ausgehebelt | |
| werden. In Frankreich ergibt sich damit eine ökonomisch bizarre und auf | |
| Dauer kaum haltbare Situation: Im Stromgroßhandel sind die Preise deutlich | |
| höher als die deutschen Börsenpreise – doch wenn der Strom in der Steckdose | |
| ankommt, ist er so weit heruntersubventioniert, dass er billiger ist als | |
| in Deutschland. Entsprechend liegt der Verbrauch französischer Haushalte | |
| deutlich höher als jener von deutschen. | |
| Dass sich der Markt auch auf europäischer Ebene nicht austricksen lässt, | |
| zeigt sich in Spanien. Spanien hat einen Preisdeckel für jenes Gas | |
| eingeführt, das zur Stromproduktion eingesetzt wird. Damit dämpft das Land | |
| den Strompreis im Großhandelsmarkt. Die Folge: Spanien subventioniert nun | |
| auch Frankreich, das inzwischen im Nachbarland gerne Strom einkauft; im | |
| Jahr 2022 wird Frankreich erstmals in der Gesamtbilanz Strom aus Spanien | |
| importieren. Zugleich ist der Gasverbrauch in Spanien gestiegen, was in | |
| Zeiten knappen Gases kaum sinnvoll sein kann. | |
| Schlichte Preisdeckel findet man in den unterschiedlichsten Varianten | |
| inzwischen in vielen europäischen Ländern – sei es für Gas, Strom oder | |
| Benzin. In Italien zum Beispiel beschloss die alte Regierung eine | |
| Subventionierung von Benzin und Diesel in Höhe von 30 Cent je Liter. | |
| Eine problematische Konsequenz haben alle diese bedingungslosen | |
| Preisdeckel, wie Ökonomen immer wieder betonen: Wenn sich die physische | |
| Knappheit eines Energieträgers nicht vollumfänglich im Preis widerspiegelt, | |
| wird man auf Dauer nicht um eine Kontingentierung herumkommen. Oder, wie es | |
| der Energieökonom Lion Hirth, Professor an der Hertie School, formulierte: | |
| „Wenn die EU morgen einen allgemeinen Gaspreisdeckel beschließt, sollte die | |
| Bundesregierung sofort die Notfallstufe aus dem Notfallplan Gas ausrufen.“ | |
| 13 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernward Janzing | |
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