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# taz.de -- Steigende Preise von Gas und Strom: Teurer Billigstrom
> Die Energiepreise ziehen kräftig an, viele Versorger stellen sogar die
> Lieferung ein. Für Verbraucher bedeutet das saftige Aufschläge.
Bild: Alles leuchtet – derzeit nicht ganz billig
Berlin taz | Die [1][rapide gestiegenen Preise von Erdgas und Strom] im
europäischen Großhandel haben für Verbraucher bislang nicht gekannte
Folgen: Wenn Versorger Verträge kündigen, bekommen die Haushalte oft keinen
Anschlussvertrag mehr mit vergleichbaren Konditionen. Einige Anbieter haben
den Abschluss von Verträgen mit Neukunden derzeit grundsätzlich
eingestellt, andere erheben von Neukunden oft einen saftigen Aufschlag im
Vergleich zu Bestandskunden. Die örtlichen Grundversorger, die verpflichtet
sind, jeden Kunden zu versorgen, sind ohnehin oft teurer.
Hunderttausende Haushalte dürften betroffen sein, weil bis Jahresende laut
[2][Bundesnetzagentur deutschlandweit mindestens 38 Stromversorger ihre
Lieferverträge gekündigt] haben. Ähnliches ist auf dem Gasmarkt geschehen.
Die Unternehmen hatten sich offenbar nicht ausreichend gegen steigende
Großhandelspreise abgesichert – also schlicht verspekuliert. Damit stellen
sich für Kunden interessante Fragen. Etwa diese: Haben sie einen
Schadensersatzanspruch gegen den bisherigen Lieferanten, wenn dieser einen
noch laufenden Vertrag einseitig kündigt?
Die Verbraucherzentrale NRW hat diese Frage am Beispiel des Gasversorgers
gas.de durchgespielt, der im Dezember seine Lieferung aufgrund „einer nie
dagewesenen Preisexplosion an den europäischen Energiehandelsplätzen“
einstellte. [3][Nach Auffassung der Verbraucherschützer existiert
allerdings „keine Rechtsgrundlage für die Kündigung der Lieferverträge“.]
Schadensersatzforderungen gegenüber gas.de seien daher angemessen, weshalb
die Verbraucherzentrale dazu Musterbriefe vorbereitet hat.
Auch Leonora Holling vom [4][Bund der Energieverbraucher] rät, sofern eine
außergerichtliche Einigung nicht gelingt, zur Klage: „Rechtswidrige
Kündigungen dürfen nicht Schule machen“. Verbraucherschutzministerin Steffi
Lemke (Grüne) sagte, die Regierung beobachte die Entwicklung und prüfe, ob
weiterer Handlungsbedarf besteht. Im Fall von Insolvenzen, die es auch
schon gab, ist allerdings ohnehin fraglich, ob es noch was zu holen gibt.
## Grundversorger muss einspringen
Im Dunkeln und in der Kälte muss niemand sitzen, wenn sein Strom- oder
Gasversorger kündigt. Denn dann muss laut Gesetz der Grundversorger
einspringen. Das ist jenes Unternehmen, das im betreffenden Netzgebiet die
meisten Haushalte beliefert – also in der Regel der einstige Monopolist vor
Ort. Kunden in der Grundversorgung sind zum einen jene Haushalte, die – oft
aus Bequemlichkeit – keinen anderen Vertrag abgeschlossen haben, oder eben
solche, die aufgrund des Wegfalls eines anderen Versorgers in diesen Tarif
zurück fallen.
Dass die Tarife der Grundversorgung teurer sind als die Angebote der
anderen Anbieter, liegt auf der Hand. Denn: Grundversorger tragen ein
höheres Risiko, weil sie zum Beispiel auch Kunden mit schlechter Bonität
beliefern müssen, die kein anderer Anbieter mehr nimmt.
Derzeit kommt aber eine Frage auf, die sich bisher nie gestellt hatte: Ist
es rechtmäßig, dass Grundversorger von Neukunden höhere Preise verlangen
als von Bestandskunden? Nachvollziehbar wäre das, denn für ihre
Bestandskunden konnten die Unternehmen frühzeitig Strom beschaffen, für
Neukunden hingegen müssen sie aktuell die erforderlichen Mengen teuer
nachkaufen. Die Verbraucherzentrale NRW berichtet von Fällen, in denen
Neukunden in der Grundversorgung derzeit mehr als doppelt so viel bezahlen
wie Bestandskunden.
## Auffangversorgung für alle gleich?
Die Branchenvereinigung BDEW betont, in der Strom- und Gasgrundversorgung
seien grundsätzlich mehrere Tarife zulässig – wobei der Verband sich auf
ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 2011 stützt. Der Bund der
Energieverbraucher sieht das anders. Diese Praxis sei „nicht rechtmäßig“,
die Grundversorgung solle „als Auffangversorgung allen gleich zur Verfügung
stehen“, sagt Verbraucherschützerin Holling.
Wesentliche Rechtsgrundlage der Preisfestsetzung in der Grundversorgung ist
das Bürgerliche Gesetzbuch (Paragraf 315), das regelt, dass die Tarife der
„Billigkeit“ entsprechen, also angemessen sein müssen. Derzeit ist es für
die Anbieter aber leicht, hohe Preise für Neukunden zu begründen:
Versorger, die vor einem Jahr an der Strombörse ihren Bedarf für das Jahr
2022 deckten, bezahlten rund 5 Cent je Kilowattstunde. Wer aktuell
Kilowattstunden nachkaufen muss, zahlt zeitweise weit mehr als 20 Cent.
Geben die Versorger diese Einkaufspreise an ihre Neukunden weiter, kostet
die Kilowattstunde Haushaltsstrom dann rund 50 statt bisher 30 Cent. Das
beschert manchem Kunden gerade die bittere Erkenntnis, dass ein scheinbar
billiger Energieversorger, wenn er in die Knie geht, am Ende ganz schön
teuer werden kann.
11 Jan 2022
## LINKS
[1] /Inflation-in-Deutschland/!5826747
[2] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Vportal/Energie/start.html
[3] https://www.verbraucherzentrale.nrw/pressemeldungen/presse-nrw/anbieter-gas…
[4] https://www.energieverbraucher.de/
## AUTOREN
Bernward Janzing
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