# taz.de -- Inflation in Deutschland: Die Preise steigen rapide | |
> 2021 sind die Preise um 3 Prozent gestiegen. Für Menschen mit Sparbüchern | |
> und Tagesgeldkonten könnte es auch 2022 mau aussehen. | |
Bild: Die Inflation macht sich an der Kasse bemerkbar | |
Berlin taz | Butter, Kameras, Parkplatzmieten: Im vergangenen Jahr sind | |
neben den Energiepreisen die Kosten in vielen weiteren Lebensbereichen | |
gestiegen. Nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts von | |
Donnerstag sind in Deutschland die Lebenshaltungskosten gegenüber 2020 um | |
3,1 Prozent gestiegen. Im November und Dezember lag die Inflationsrate | |
sogar bei mehr als 5 Prozent. Für 2022 erwarten Experten deutlich | |
niedrigere Raten. Allerdings werden die Preise weiter kräftig steigen. | |
„Der Wert von 5,3 Prozent im Dezember war aus meiner Sicht der Höhepunkt“, | |
sagt Friedrich Heinemann, Wirtschaftsforscher am Zentrum für Europäische | |
Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim und Spezialist für öffentliche | |
Finanzen und den Euro. Er schätzt, dass die Inflationsrate in Deutschland | |
auch in diesem Jahr bei 3 bis 3,2 Prozent liegen wird. Der Bankenverband | |
war zuletzt etwas optimistischer: Präsident Christian Sewing hatte Ende | |
des Jahres von 2,5 bis 3 Prozent gesprochen. | |
Jeden Monat ermittelt das [1][Statistische Bundesamt] die Preise eines | |
Warenkorbs, der 650 Produkte enthält – von Eiern über Lippenstifte bis zum | |
Mobiltelefon, von der Autoreparatur über die Nettokaltmiete bis zur | |
Kilowattstunde Strom. Der Warenkorb soll die Ausgaben eines | |
durchschnittlichen Haushalts abbilden. | |
Die Statistiker vergleichen die Preise mit denen von vor einem Jahr und | |
berechnen, wie sie sich verändert haben. Jedes Produkt geht mit einem | |
bestimmten Gewicht ein. Eier etwa mit 0,00143 Prozent, Strom mit 0,02592 | |
Prozent. Daraus errechnet sich dann die durchschnittliche Teuerungsrate. | |
Weil Energiepreise ein großes Gewicht haben, verändern höhere Werte die | |
Inflationsrate stärker als etwa die Eierpreise. | |
Schon im Januar und Februar wird die Inflationsrate nach Ansicht des | |
ZEW-Experten allein aus statistischen Gründen sinken – also, ohne dass sich | |
die Preise tatsächlich verändern. „So entfällt der Mehrwertsteuereffekt. | |
Als Soforthilfe nach dem Ausbruch der Pandemie war die Mehrwertsteuer 2020 | |
teilweise gesenkt. Anfang 2021 stieg sie wieder. Das schlug sich | |
rechnerisch bis Ende 2021 in den Jahresteuerungsraten nieder“, erklärt | |
Heinemann. | |
Ein zweiter statistischer Effekt, der aus Heinemanns Sicht allerdings | |
langsamer verschwindet: „Nach dem Ausbruch der Pandemie waren die | |
Energiepreise 2020 zeitweise kräftig gefallen. Damals näherten sich etwa | |
die Spritpreise der Ein-Euro-Marke. Inzwischen sind die Energiepreise | |
wieder auf ein hohes Niveau gestiegen.“ | |
Und sie werden wohl weiter steigen, vor allem die Strompreise. „Bereits | |
jetzt haben sich die Preise an den Strombörsen verfünffacht“, sagt | |
Heinemann. Hier zeige sich eine Folge der Energiewende: Der Strombedarf | |
steige, das Angebot wachse nicht so schnell wie die Nachfrage. „Zudem | |
verteuert die CO2-Abgabe der alten Bundesregierung die Energie weiter.“ Die | |
neue Bundesregierung hat bereits angekündigt, daran nichts zu ändern. | |
Doch die Teuerung könnte auch neue Lohnabschlüsse nach sich ziehen. | |
Heinemann sagt: „Die Kaufkraft der Beschäftigten schwindet angesichts der | |
hohen Inflationsraten, entsprechend könnten sie deutlich mehr Geld fordern | |
als sonst in einer Lohnrunde.“ | |
Die im Vergleich zu den Vorjahren deutlich höhere Inflation in Deutschland | |
schlägt auch auf die Eurozone durch: „Die Inflationsrate in der Eurozone | |
wird 2022 über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank von gut 2 Prozent | |
liegen“, sagte Heinemann. Die Notenbank müsste also eingreifen. | |
Üblicherweise würde sie die Zinsen anheben. | |
Doch die EZB stecke in einem Dilemma, sagt Heinemann: „Auf dem Papier ist | |
es ihre Aufgabe, die Inflation zu bekämpfen. Andererseits beschwört sie | |
eine Schuldenkrise in einigen Ländern herauf, wenn sie die Zinsen anhebt.“ | |
Denn die Zentralbank müsse für Länder in der Krise Geld bereitstellen. | |
„Inflationsbekämpfung ist in einer solchen Phase schwierig.“ | |
## Die EZB will die Zinsen nicht anheben | |
Die EZB hat bereits im vergangenen Jahr angekündigt, die Zinsen [2][nicht | |
anheben zu wollen]. Derzeit liegt der Leitzins bei 0,0 Prozent, Banken | |
müssen für ihre Einlagen bei Notenbanken sogar Strafzinsen zahlen. Zudem | |
flutet die Zentralbank die Märkte mit Milliarden, indem sie Staats- und | |
Unternehmensanleihen am Markt kauft. | |
Für klassische Sparer bedeutet das auch 2022 wenig Gutes. Wenn das Geld für | |
0,5 Prozent Zinsen auf dem Festgeldkonto liegt, gleichzeitig die | |
Teuerungsrate 3 Prozent beträgt, verlieren die Anleger rein rechnerisch | |
Geld – genauer: Sie können am Ende des Jahres weniger für das Ersparte | |
kaufen als am Anfang. Ähnlich wie bei Festgeld sieht es bei Tagesgeld oder | |
gar auf dem Sparkonto aus. | |
Zudem werden Geschäftsbanken, Sparkassen und Volksbanken wie schon im | |
vergangenen Jahr wahrscheinlich vermehrt sogenannte Verwahrentgelte nehmen | |
– der Name der Institute für die Strafzinsen, die viele kassieren, wenn die | |
Sparer ihr Geld einfach auf dem Girokonto liegen lassen. | |
6 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.destatis.de/DE/Home/_inhalt.html | |
[2] /Keine-Zinserhoehung-der-EZB/!5818794 | |
## AUTOREN | |
Björn Hartmann | |
## TAGS | |
Inflation | |
Energiepreise | |
Verbraucher | |
Inflation | |
Stromkosten | |
Inflation | |
Inflation | |
Energiepreise | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Fed | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Hohe Inflation und EZB: Zentralbank tritt auf die Bremse | |
Um die Inflation zu dämpfen, lässt die EZB ihre Anleihekäufe auslaufen. | |
Unwägbarkeiten wegen der Pandemie und des Angriffs auf die Ukraine. | |
Wirtschaftsweise Truger über Inflation: „Die EZB handelt richtig“ | |
Wegen der Inflation dürften die Löhne dieses Jahr nicht mehr als 3 Prozent | |
erhöht werden, mahnt der Wirtschaftsweise Truger. | |
Inflation und steigende Energiepreise: Öl muss teuer sein | |
Besonders bei Heizung und Kraftstoff schlägt die Teuerung durch. Doch eine | |
Steuersenkung wäre der falsche Weg. | |
Inflation in Japan: Trauma der „Preiszerstörung“ | |
Nach über zwei Jahrzehnten kehrt die Inflation nach Japan zurück und | |
verschreckt alle: Konsumenten, Regierung, Notenbank und Unternehmen. | |
Steigende Preise von Gas und Strom: Teurer Billigstrom | |
Die Energiepreise ziehen kräftig an, viele Versorger stellen sogar die | |
Lieferung ein. Für Verbraucher bedeutet das saftige Aufschläge. | |
Die Wahrheit: Und gebe uns unser Fleisch … | |
Auch im blütenfrisch neuen Jahr muss mit dem Schlimmsten gerechnet werden. | |
Inflation und steigende Wurstpreise könnten die Grillsaison verhageln. | |
Profiteure fossiler Brennstoffe: Inflation und Klimakrise | |
Die Preiserhöhung für fossile Brennstoffe sollte durch die Erhöhung der | |
CO2-Steuer zustande kommen – nicht durch Profite der Anbieter. | |
Keine Zinserhöhung der EZB: Bittere Erkenntnis | |
Obwohl die US-Notenbank Fed die Zinsen erhöhen will, bleibt die EZB bei | |
ihrer Nullzinspolitik. Das ist plausibel, aber kein Trost für Sparer:innen. |