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# taz.de -- Wandern auf Teneriffa: Gegen die Winterschwere
> Die kanarische Insel Teneriffa eignet sich besonders gut zum Wandern.
> Eine Tour durch Nebelwälder und Mondlandschaft.
Bild: Der Berg Teide liegt in einer wüstenartigen Landschaft
Das El Refugio liegt hoch oben auf 940 Meter. Mit Blick auf den Atlantik im
Süden der Insel, im Rücken den Teide, Teneriffas höchster Berg. Auf der
Nachbarinsel La Palma spuckt der Vulkan [1][Cumbre Vieja] gerade seine
letzte Lava aus. 85 Tage lang hatte er die Bewohner*innen der
spanischen Insel La Palma in Atem gehalten. Seine Rauchschwaden sind
manchmal zu sehen. Auch der Teide könnte irgendwann wieder aktiv und
ungemütlich werden.
[2][Alexander von Humboldt] hat 1799 auf seiner Fahrt nach Südamerika den
Teide bestiegen, diesen höchsten Gipfel Spaniens neu vermessen und en
passant die endemischen Pflanzen vor Ort bestimmt. Humboldt, das fleißige
Genie. Nur 7 Tage war er auf der Vulkaninsel Teneriffa, aber er hat seine
Spuren hinterlassen. Und die Insel hat ihm gefallen: „Kein Ort der Welt
scheint mir geeigneter, die Schwermut zu bannen und einem schmerzlich
ergriffenen Gemüte den Frieden wiederzugeben, als Teneriffa …“, schreibt
er.
Auch wir, eine Gruppe von 10 Leuten, wollen der Winterschwere entfliehen
und auf Teneriffa Wandern. Die Besitzer des [3][El Refugio], Andreas und
Carmen, bieten in Zusammenarbeit mit dem Grazer Veranstalter
Weltweitwandern geführte Wanderungen an. Christian Hlade, der Gründer von
[4][Weltweitwandern], ist auch dabei. Der passionierte Wanderer, der
eigentlich Architekt ist, hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Auf
dieser Reise will er seine Vorurteile gegenüber Teneriffa abbauen, das er
als Kind mit seinen Eltern als Retortenurlaubsort erlebt hat. Es wird
gelingen.
El Refugio liegt mitten im Wandergebiet, einige Wanderungen starten direkt
vor der Haustür. Carmen ist nicht nur eine sportliche Wanderführerin, sie
betreut ihre Gruppen charmant, humorvoll und mit sozialer Kompetenz. Da
bleibt keiner zurück. Etwa bei der Wanderung oberhalb der Masca-Schlucht.
Der Aufstieg hier ist beachtlich, die Blicke aufs Meer und die hier im
Nordwesten der Insel üppig grüne Vegetation auch. Buschlandschaften
wechseln sich mit ausgedehnten Pinienwaldgebieten ab, und immer wieder ein
Lorbeerbaum, ein Wilder Ölbaum, ab zu ein Drachenbaum, das Wahrzeichen der
Kanaren.
Die beliebte Wanderung durch die Masca-Schlucht ist inzwischen für
Touristen begrenzt. Drei Jahre lang war sie für Wanderer ganz gesperrt.
Ungefähr 1,2 Millionen Euro soll die kanarische Regierung in die Sanierung
der Wanderroute investiert haben. Seit dem 27. März 2021 ist die Schlucht
wieder zugänglich. „Im Vergleich zu früher gibt es für Wanderer jedoch
einige Regeln. Die wichtigste Änderung sind die festen Zugangszeiten, die
vorab gebucht werden müssen“, sagt Carmen.
## Die Gastgeber
Das Wandern in geführten Gruppen hat nicht nur den unschlagbaren Vorteil,
dass man durch unbekannte Gegenden sicher und kompetent geführt wird. Es
ist – vorausgesetzt, die Gruppe ist harmonisch und kein Selbstdarsteller
oder Alphatier hindert den Gruppenprozess – auch äußerst entspannend und
anregend zugleich. Man kann meditierend allein vor sich hinwandern oder
aber sich mit den Mitwanderern austauschen, in andere Lebensgeschichten und
Ansichten eintauchen oder sich einfach nur amüsieren. Unsere Gruppe
jedenfalls fühlt sich sichtlich wohl miteinander.
Beim gemeinsamen Abendessen im El Refugio herrscht anregender Austausch.
Andreas, der Koch, serviert jeden Abend kreative Mahlzeiten mit großer
Geschmacksvielfalt. Seine Gerichte sind regional, international und
mediterran zugleich. Immer lecker: Gemüse, Obst, fangfrischer Fisch,
regionaler Wein und Ziegenkäse. Das gute Leben.
Carmen und Andreas lernten sich Anfang der 90er Jahre in der Türkei kennen.
Beide arbeiteten in einer großen Ferienanlage. Andreas führte die
Hotelküche und Carmen, die Sport studiert hat, leitete die Aktivprogramme.
Gemeinsam zogen die beiden 1996 auf die Kanaren, um sich mit ihrer
Vorstellung von einem qualitativen Tourismus selbstständig zu machen. Sie
erkundeten die kanarischen Inseln. Ihre Wahl fiel auf Teneriffa, wo auch
ihr Sohn Luca aufwächst.
Die Halbnomaden mit ihrem selbstbestimmten Lebensstil bauen sich das Nature
Retreat abseits der touristischen Hochburgen auf. Aus dem hauseigenen
Permakulturgarten holt Andreas frisches Obst und Gemüse für die Küche. Das
gesamte Schmutzwasser wird mit einer Pflanzenkläranlage gereinigt und zur
Bewässerung der Pflanzen verwendet. Der Strom kommt aus der hauseigenen
Solaranlage. Ab 2022 soll damit auch der eigene elektrobetriebene Bus
aufgetankt werden, der für alle Insel-Transfers verwendet wird.
Halbnomaden sind sie trotzdem geblieben. Im Winter Teneriffa. Im Sommer
leben sie in der Provence. Seit 2012 betreiben Carmen und Andreas dort
ihren zweiten Standort: Eine Pension inklusive [5][Wanderreisen in der
Provence].
## Ein Minikontinent
Unsere Wanderungen sind abwechslungsreich. Die Insel gleicht einem
Minikontinent, auf engstem Raum finden sich Vegetations- und Klimazonen,
die anderswo tausende Kilometer auseinander liegen. Wir wandern durch die
Königsschlucht „Barranco del Rey“, die vor der Haustür startet, vorbei an
riesigen Feigenbäumen, Edelkastanien, Sukkulenten und Kakteen. Weiter oben
kommen wir durch duftende Kiefernwälder. Eine Rundwanderung am Teide führt
durch die vulkanische Mondlandschaft. Wir starten am dortigen Parador und
wandern über steinige Lavafelder bis zu beeindruckenden, vom Lavastrom
geformten roten Felsgebirgen.
Im Jahre 1954 wurden der Teide und die ihn umschließende Caldera als
Nationalpark ausgewiesen. 2007 wurde das Gebiet UNESCO-Weltnaturerbe. Es
ist einer der der meistbesuchten [6][Nationalparks] der EU. Seit Ende der
1990er Jahre wird die Einhaltung des Naturschutzes durch die permanente
Anwesenheit von Wildhütern verschärft kontrolliert. Wandern abseits der
vorgegebenen Wege wird nicht geduldet.
Wir sind mit den vorgegebenen Wegen ohnehin zufrieden. Wir haben uns als
Gruppe auf den Rhythmus von Carmen, ihre Geschichten über Teneriffa und
ihre Erklärungen am Wegesrand eingelaufen. Teneriffa gefällt uns ausnehmend
gut.
Auch den Touristenrummel von Los Christanos – der touristische Süden
unterhalb unserer Unterkunft – überstehen wir prächtig. Hier legen die
Fähren auf die kanarische Nachbarinsel La Gomera ab. Bemerkenswert: Los
Christianos ist ein [7][barrierefreier Urlaubsort]. Am Strand findet man
Rollstühle, mit denen die Besucher auf ausgebauten Holzstegen bis zum
Meeressaum rollen können. Die Strände, auch Duschen und Toiletten sind für
Menschen mit einer körperlichen Behinderung ausgebaut.
Teneriffa ist ohnehin eine gute Wahl für Urlauber, die im Rollstuhl sitzen
oder andere Einschränkungen haben. Ein Erfolg der Sociedad Insular de
Promoción de las Personas con Discapacidad (zu Deutsch: Gesellschaft zur
Förderung von behinderten Personen auf der Insel). Sie setzt sich dafür
ein, Teneriffa so behindertenfreundlich wie möglich zu gestalten.
Hier an der Küste ist es einige Grad wärmer als oben im El Refugio. Das Bad
im Meer erfrischt. Teneriffa in seiner ganzen Vielfalt eben.
7 Jan 2022
## LINKS
[1] /Vulkanausbruch-auf-La-Palma/!5824302
[2] https://wandermagazin.de/de/artikel/similar/685/humboldt-in-teneriffa.html
[3] https://www.el-refugio.com/htmt/index.htm
[4] http://www.weltweitwandern.at
[5] http://www.weltweitwandern.at/europa/frankreich/provence-zwischen-rosmarin-…
[6] http://www.webtenerife.de/besucherattraktionen/teide-nationalpark/?tab=1
[7] http://www.canary-vibes.com/teneriffa-barrierefreies-urlaubsziel/
## AUTOREN
Edith Kresta
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