# taz.de -- Öffentlicher Suizid einer trans* Frau: Gegen Tote noch mal nachget… | |
> Im September verbrannte sich die trans Frau Ella am Berliner | |
> Alexanderplatz. Zum zweiten Mal wurde ihr Grab nun verunstaltet. | |
Bild: Eigentlich wollte Ella in Berlin ein neues Leben anfangen | |
Es gibt Geschichten, an denen könnte man verzweifeln, wenn man sie denn zu | |
nah an sich heranließe. Der Fall Ella Nik Bayan ist so eine Geschichte. | |
Nicht einmal mit Ellas Tod endete sie. Die transfeindlichen Menschen, die | |
Ella ihr Leben lang peinigten, traten nach. In den vergangenen Tagen haben | |
Unbekannte ihre letzte Ruhestätte geschändet. Ella offenbar verhöhnen | |
wollend platzierten sie einen Kanister auf ihrem Grab, einen Feuerlöscher | |
daneben, traten ein Blumengedeck um, an dem eine Pride Flag befestigt war, | |
zerstörten Kerzen, zertrampelten die Erde. | |
So berichtet es der Lesben- und Schwulenverband LSVD, die Polizei hat den | |
Sachverhalt der taz bestätigt. Schon zuvor kursierten Fotos von Ellas teils | |
nacktem Leichnam in Chatgruppen, die offenbar noch im Krankenhaus | |
aufgenommen wurden. Im Internet entlud sich der Hass auf die bloße Existenz | |
dieser geflüchteten trans* Frau. | |
Am 14. September 2021 hatte sich Ella mit Benzin übergossen, ihren eigenen | |
Körper in Flammen gesetzt und sich so das Leben genommen. In aller | |
Öffentlichkeit, mitten auf dem Alexanderplatz. Dabei war Ella nach | |
Deutschland geflüchtet, hatte hier Sicherheit gesucht. | |
Geboren wurde sie im Iran, wo sie um ihr Leben fürchten musste, weil sie | |
sich nicht mit dem männlichen Geschlecht identifizierte. Sie kämpfte sich | |
durch die iranische Wüste, überquerte das Meer gen Griechenland, wanderte | |
durch Osteuropa bis nach Deutschland. Doch auch hier wurde sie bespuckt, | |
attackiert und von den Behörden diskriminiert, berichten Freund:innen. | |
Schließlich müssen ihre Kräfte am Ende gewesen sein. | |
## An Fassungslosigkeit nicht zu überbieten | |
Es ist eine dieser Geschichten, die wir aus Büchern und Filmen nicht | |
kennen, weil sich Geschichten nicht vermarkten lassen, wenn die Hauptperson | |
leidet, bis sie stirbt. | |
Der Fall macht fassungslos. Was ist das für eine Gesellschaft, eine Welt, | |
in der Menschen solche Dinge tun? Welche Hoffnung auf eine – wie auch immer | |
geartete – solidarische Utopie existiert angesichts solcher Taten | |
überhaupt? Wie gesagt, man könnte verzweifeln. Aber verzweifeln bringt | |
nichts. | |
Was bleibt also, außer zu hoffen, dass die Schuldigen gefunden und zur | |
Rechenschaft gezogen werden? Nun, was bleibt, das ist die politische | |
Bedeutung der Geschichte. Was bleibt, ist die abermalige Erkenntnis, dass | |
der Kampf um die Rechte von trans* Menschen nicht einfach Ausdruck | |
irgendeiner „Identitätspolitik“ ist, wie es meistens von rechts, aber | |
gelegentlich auch von links heißt – wobei der Ausdruck in aller Regel nicht | |
näher definiert, aber mit abfälliger Konnotation verwendet wird. Um es | |
abermals zu sagen: Der Kampf von trans* Menschen um ihre Rechte ist für | |
viele von ihnen ein Kampf ums nackte Überleben. Das ist ein Fakt. | |
## Miteinander statt gegeneinander | |
Geschichten wie die von Ella führen das auch cis und heterosexuellen | |
Menschen – zu denen auch der Autor gehört – vor Augen. Ohne diese | |
Geschichten gibt es für sie nun mal keine Möglichkeit nachzuvollziehen, mit | |
welchem Ausmaß von Gewalt trans* Menschen tagtäglich zu kämpfen haben. | |
Vielleicht findet sich ja in der Beharrlichkeit, mit der Aktivist:innen | |
diese Geschichten immer wieder erzählen, der Silberstreif. Denn wenn das | |
bewirkt, dass auch nur einige wenige cis bzw. heterosexuelle Menschen das | |
nächste Mal nicht mit den Augen rollen, sondern zuhören, wenn trans* | |
Menschen von ihren Lebenserfahrungen berichten, dann wäre das doch ein | |
kleiner Funken Licht im großen Dunkel. | |
6 Jan 2022 | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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