# taz.de -- Gedenkfeier zum Todestag von Ella: Die Behörden schützen nicht | |
> Vor einem Jahr nahm sich Ella Nik Bayan auf dem Alexanderplatz das Leben. | |
> Die Situation für trans* Menschen of Color bleibt schlecht. | |
Bild: Das Grab von Ella Nik Bayan auf einem Friedhof in Lichtenberg | |
Leises Gemurmel, bedrückte Stimmung. Auf dem Platz vor dem Roten Rathaus | |
haben sich circa 200 Menschen versammelt. Vor ihnen liegt ein Gedenkkranz | |
aus roten Blumen. Der Schriftzug: „Für Ella – in Trauer und Mahnung.“ Da… | |
eine große trans* Flagge in Rosa, Hellblau und Weiß. Die Menschen haben | |
sich versammelt, um [1][Ella Nik Bayan] zu gedenken. Vor genau einem Jahr, | |
am 14. September 2021, ging Ella wortlos auf den Alexanderplatz, übergoss | |
sich mit Benzin und zündete sich an. Wenige Stunden später starb sie im | |
Krankenhaus. | |
Ihr Tod in dieser Form, das sei wie jemanden anschreien, der nie hören | |
will, sagte Georg Matzel, ein Freund von Ella, damals der taz. Ella war | |
eine trans* Frau of Color, die ihr Herkunftsland Iran verließ, weil sie als | |
trans* Person um ihr Leben fürchtete. In ihrer neuen Heimat Deutschland | |
sollte alles besser werden: Doch auch hier ist sie [2][Transfeindlichkeit | |
und Rassismus] ausgesetzt. „Es gab keinen Tag Ruhe für Ella“, sagt Matzel. | |
Auf der Straße hätten ihr Passant*innen vor die Füße gespuckt, sie | |
angegafft und körperlich angegriffen. | |
„Ich bin heute hier, um einer vom System getöteten Schwester zu gedenken“, | |
sagt Felicia Ewert, die auch vor das Rote Rathaus gekommen ist. Die | |
Gedenkenden wenden sich in Richtung der Lautsprecher, wo nun die erste | |
Person zu reden beginnt. | |
Die Redebeiträge sind emotional. Und wütend: auf Gesellschaft und Politik, | |
weil sich die Situation für trans* Menschen, insbesondere für die of Color | |
nicht geändert hat. „Deutschland war Ellas Hoffnung“, sagt Matzel ins | |
Mikrofon. Doch an der Last hier sei sie zerbrochen: Diskriminierung von | |
jener Politik, die öffentliche Gebäude im Juni mit Regenbogenflaggen | |
schmückt. Er ist nicht der einzige Redner, der sagt, bei Übergriffen | |
könnten sich trans* Menschen ja immer an die Polizei wenden, um | |
Unterstützung zu erhalten. | |
## Transfeindliche Strukturen | |
Andere Redner*innen widersprechen: Insbesondere für trans* Menschen of | |
Color sei es nicht sicher, zur Polizei zu gehen. Denn auch dort träfen sie | |
auf transfeindliche und rassistische Strukturen. | |
Für Ella waren Gänge zu Ämtern meist eine Tortur. Beim Bundesamt für | |
Migration und Flüchtlinge (Bamf) sei sie mehrfach mit ihrem Todnamen | |
angeschrien worden. „Es war ihr so unangenehm“, sagt Matzel im Gespräch, | |
seine Stimme klingt aufgebracht. Weil das Bamf Ellas Antrag auf Asyl | |
zunächst ablehnte, konnte sie keine geschlechtsangleichenden Maßnahmen | |
vornehmen. Vier Jahre lang blieb ihr ihre Transition verwehrt: Nicht | |
anerkannte Geflüchtete haben in Deutschland kein Recht auf medizinische | |
Leistungen, die über Notfallmaßnahmen hinausgehen. | |
Die Kundgebung ist vorbei. Er sei kaputt von dem langen Tag, sagt Matzel. | |
Viel Zeit zu trauern hätte er nicht gehabt. „Das kommt dann bestimmt | |
morgen“, sagt er. Später wird er noch die Blumen, die Teilnehmer*innen | |
abgelegt haben, zu Ellas Grab in Lichtenberg bringen. Während sich der | |
Platz leert, geht eine Person nach vorne und legt einen kleinen Anstecker | |
neben den Blumenkranz. Es ist ein kleiner goldener Teddybär. Rest in Power, | |
Ella. | |
15 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Max Leyendecker | |
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