| # taz.de -- Wahl des Bundespräsidenten: Soll Steinmeier Präsident bleiben? | |
| > Die Grünen wollen Frank-Walter Steinmeier in der Bundesversammlung ihre | |
| > Stimmen geben. Damit ist seine Mehrheit klar. Ein Pro und Contra. | |
| Bild: Ein weiteres Argument, das gegen Steinmeier spricht: Kanzler Scholz und e… | |
| ## Ja, bitte! | |
| Dass Frank-Walter Steinmeier Bundespräsident bleibt, [1][ist machtpolitisch | |
| naheliegend]. Die Alternative wäre eine schwarz-grüne Kandidatin gewesen. | |
| Die aber hätte signalisiert, dass die Grünen die Ampel für eine | |
| Verlegenheitslösung halten und auf einen Plan B mit der Union setzen. So | |
| ist es aber nicht. Deswegen wäre ein Nein der Grünen zu Steinmeier eine | |
| sinnfreie Kampfansage an die SPD gewesen, eine Schlacht ohne Ziel. | |
| Steinmeier ist aber nicht nur der Kandidat des machtpolitisch | |
| Naheliegenden. Er passt in die Zeit und hat schon 2016 das richtige Thema | |
| gewählt – die Krise der westlichen Demokratie. Seitdem hat er [2][den Kampf | |
| gegen Rechtsextremismus und die Solidarität mit dessen Opfern] konsequent | |
| und jenseits medialer Konjunkturen ins Zentrum gerückt. Das taucht zwar | |
| selten auf dem Radar der auf Spektakel und Ungewöhnliches geeichten | |
| Aufmerksamkeitsökonomie auf, ist aber keineswegs weniger wertvoll. Denn die | |
| gefährdete Demokratie bleibt auch nach Trumps Niederlage ein Thema, | |
| Steinmeier in dieser Hinsicht der richtige Bundespräsident. | |
| Auch manche Vorbehalte gegen ihn verlieren, je genauer man sie betrachtet, | |
| an Leuchtkraft. Zum Beispiel: Wo ist seine große Rede? Steinmeier redet | |
| seit Jahren einem reflexiven, leisen Patriotismus das Wort, der eine Art | |
| Immunschutz gegen nationalistischen Wahn und Demokratieverachtung bilden | |
| soll. Man kann dieses Konzept, der rote Faden seiner Präsidentschaft, | |
| kritisieren. Doch so zu tun, als hätte dieser Präsident keine Agenda, ist | |
| ignorant. | |
| Auch die bloße Fixierung auf die eine große Rede ist unterkomplex, zumal | |
| sie deren Bedingungen nicht in Blick nimmt. Die wirkmächtige präsidiale | |
| Großansprache wie Roman Herzogs Ruckrede oder Christian Wulffs „Der Islam | |
| gehört zu Deutschland“ braucht die Distinktion, die Abweichung vom | |
| Erwarteten. Demokratie aber ist ein Konsensthema – und muss dies sein. | |
| Auch das Argument, dass Kanzler Scholz und Steinmeier sich zu ähnlich | |
| seien, hat etwas Geschmäcklerisches. Der Antifaschist Gustav Heinemann war | |
| kein Konterpart zu Willy Brandt, der ostdeutsche Protestant Joachim Gauck | |
| keine Gegenbesetzung zur ostdeutschen Protestantin Angela Merkel. | |
| Bundespräsidenten wurden nie komplementär zum Kanzleramt erkoren. Warum | |
| auch? | |
| Es stimmt: Steinmeier ist ein Mann des Apparats. Er hat [3][die Agenda 2010 | |
| erfunden] und das größte Desaster der SPD in den letzten zwanzig Jahren | |
| angerichtet. Als Bundespräsident aber macht er seit 2016 eine gute Figur. | |
| Verlässlich und mit klarem Kompass. Das ist in Krisenzeiten nicht das | |
| Schlechteste. Stefan Reinecke | |
| ## Bitte nicht! | |
| Hand aufs Herz: Ist bei Ihnen eine Steinmeier-Rede der vergangenen fünf | |
| Jahre in Erinnerung geblieben? Vermutlich nicht, und das ist wenig | |
| überraschend. Frank-Walter Steinmeier sagt nichts Falsches, macht keine | |
| Fehler, aber er irritiert auch keine Denkroutinen, liefert keine neuen | |
| Gedanken, er riskiert nichts. Mit weiteren fünf Steinmeier-Jahren ist | |
| diskursive Langeweile garantiert und damit auch der weitere | |
| Bedeutungsverlust eines Amtes, das wie kein anderes von der öffentlichen | |
| Rede lebt. | |
| Steinmeier ist vom Typus immer noch der Büroleiter, der er einst für | |
| Gerhard Schröder in Hannover war. Er kann ordentliche, vorbereitete Reden | |
| halten, doch das beherzte Reagieren auf unvorhergesehene Krisen liegt ihm | |
| nicht. Im Frühjahr 2020 brauchte er nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie | |
| Wochen, um sich zu sortieren, bis er sich mit einer [4][kurzen, schnell | |
| vergessenen Ansprache] meldete. | |
| Es heißt, dass der Zusammenhalt sein großes Thema sei. Aber zur Analyse der | |
| gesellschaftlichen Bruchlinien gehört auch eine kritische Inspektion der | |
| Rolle von Staat, Politik und Wirtschaft. Hier ist Steinmeier auffallend | |
| zurückhaltend. Das verwundert nicht, ist er doch selbst seit Jahrzehnten | |
| Teil der Apparate und hat – das muss auch 20 Jahre danach erwähnt werden – | |
| als Architekt der Agenda 2010 eher nicht zum Zusammenhalt der Gesellschaft | |
| beigetragen. Selbstkritik, mit der man in Sachen Glaubwürdigkeit punkten | |
| könnte, ist seine Sache nicht. | |
| Ein weiteres Argument, das gegen Steinmeier spricht: Kanzler Scholz und er | |
| sind sich viel zu ähnlich (nicht nur weil beide Männer sind, was seltsam | |
| aus der Zeit gefallen wirkt). Sie sind nicht nur Parteifreunde, sondern | |
| auch politische Gefährten, die sich seit Jahrzehnten kennen. Und sie sind | |
| fast gleich alt, sie haben den Erfahrungshorizont derselben Generation. | |
| BundespräsidentIn und BundeskanzlerIn sollten sich idealerweise ergänzen, | |
| indem sie unterschiedlich sind. Richard von Weizsäcker war der | |
| intellektuelle Widerpart zu Helmut Kohl, [5][Gustav Heinemann] tat viel für | |
| die Durchlüftung der alten Bundesrepublik, als CDU-Mann Kurt Georg | |
| Kiesinger noch Kanzler war – und ergänzte als Großvater-Typus den späteren | |
| Kanzler Willy Brandt. | |
| Ist doch gut, dass wenigstens zwei – wenn auch sehr pragmatische – Sozis | |
| oben an der Spitze stehen, könnte man aus linker Sicht sagen. Aber dass die | |
| Ampel ausgerechnet Steinmeier routiniert für eine zweite Runde durchwinkt, | |
| ist mutlos und alles andere als ein Signal des Aufbruchs. Gunnar Hinck | |
| 4 Jan 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Bundespraesident-Frank-Walter-Steinmeier/!5823498 | |
| [2] /Gedenken-an-antisemitischen-Anschlag/!5719243 | |
| [3] /Halbzeit-fuer-Bundespraesident-Steinmeier/!5627380 | |
| [4] https://www.youtube.com/watch?v=7iQKjrYhO2U | |
| [5] https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Heinemann | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
| Gunnar Hinck | |
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