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# taz.de -- Hamburg gedenkt NS-Deserteurs: Grünfläche wird Ludwig-Baumann-Park
> Ludwig Baumann desertierte 1941 von einem Marinestützpunkt in Frankreich.
> Nun wird in der Jenfelder Au eine Grünfläche nach ihm benannt.
Bild: Posthum geehrt: Ludwig Baumann, hier 2015 am Deserteurdenkmal am Stephans…
Bremen taz | Im Jahr 2023 will das Bezirksamt Wandsbek im Wohngebiet
Jenfelder Au eine Grünfläche nach dem Nazi-Deserteur Ludwig Baumann
benennen – ganz in der Nähe der Kurt-Oldenburg-Straße. Die beiden Männer
waren 1941 als 20- bzw. 22-jährige Soldaten in einem Marinestützpunkt im
besetzten Frankreich und desertierten. Das Hamburger Kriegsgericht unter
Marinegerichtsrat Dr. Lüder verurteilte sie daraufhin zum Tode.
Der Vater Baumanns war ein einflussreicher Tabakhändler – und ließ seine
Kontakte spielen: Das Todesurteil wurde in eine 12-jährige Zuchthausstrafe
umgewandelt. Oldenburg kam in einem „Bewährungsbataillon“ in Weißrussland
1945 ums Leben, Baumann wurde mit Schulterschuss ins Lazarett verlegt und
überlebte.
[1][2018 ist Baumann im Alter von 96 Jahren gestorben.] Der bescheidene
Mann hätte sich sicher über die späte Ehrung gefreut. Das
Bundesverdienstkreuz hat er nicht angenommen – weil er keinen Orden haben
wollte, „den auch ehemalige Nazis tragen“. Sein Vater hatte den Sohn nicht
mehr in den Arm genommen, weil er dessen Desertion als Familienschande
verstand.
Baumann hat Jahrzehnte gebraucht, um mit seinem [2][Wunsch nach
Rehabilitierung] an die Öffentlichkeit zu gehen. Als 70-Jähriger hat er
1990 schließlich einen „Verband der Opfer der NS-Justiz“ gegründet –
gemeinsam mit 37 weiteren Überlebenden. Er war der Einzige, der ein
Todesurteil überlebt hatte und wurde zum Gesicht der Bewegung. Nach zwölf
Jahren, im Jahr 2002, wurden pauschal alle Urteile der Wehrgerichte gegen
Deserteure aufgehoben.
## Beispiel für Zivilcourage
Die Haltung der westdeutschen Eliten kennzeichnet eine Bemerkung der
sozialdemokratischen Justizministerin Brigitte Zypries in einem Brief an
Baumann: Die abschreckenden Urteile gegen die Deserteure hätten den Sinn
gehabt, die „Lebensgefährdung für eine Vielzahl deutscher Soldaten“ zu
vermeiden.
Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der ehemalige NS-Richter Hans
Filbinger, hatte dasselbe mit anderen Worten erklärt: „Was damals Recht
war, kann heute nicht Unrecht sein!“ Filbinger-Nachfolger Erwin Teufel rief
zu Filbingers 90. Geburtstag aus: „Herr Filbinger, ich bewundere Ihr klares
juristisches Denken.“ Und Nachfolger Günter Oettinger erklärte noch 2007:
„Hans Filbinger war kein Nationalsozialist. Im Gegenteil: Er war ein Gegner
des NS-Regimes.“
In Baumanns späterer Heimatstadt Bremen war Karl Bode, 1933 in die NSDAP
eingetreten, an 350 Todesurteilen beteiligt – nach dem Krieg wurde er 1955
zum Senatspräsidenten beim Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt.
Während die Eliten sich so in der Geschichte der Bundesrepublik
reingewaschen haben und ihre Mitwirkung an der Nazi-Herrschaft mit dem
Druck, unter dem sie gestanden hätten, entschuldigen wollten, ist das
Beispiel der kleinen Gefreiten Baumann und Oldenburg ein leuchtendes
Beispiel dafür, dass in dieser Zeit auch Zivilcourage möglich war.
Die beiden sind 1941 übrigens vom Zoll erwischt worden. Sie hatten Pistolen
dabei und hätten die Zollbeamten erschießen können. „Aber wir konnten
einfach nicht. Ich habe nicht die Möglichkeit, einen Menschen zu
erschießen“, erklärte Baumann später.
22 Dec 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Klaus Wolschner
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