# taz.de -- EuGH über Regenbogenfamilien: Urteil stärkt queere Familien | |
> Der Europäische Gerichtshof bekräftigt die Rechte von | |
> gleichgeschlechtlichen Elternteilen. Verbände sprechen von einem | |
> richtungsweisenden Urteil. | |
Bild: Fröhliche Regenbogenfamilie in einer Kinderzeichnung | |
LUXEMBURG dpa | Der Europäische Gerichtshof hat die Rechte von Familien mit | |
zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen in einem wegweisenden Urteil | |
gestärkt. In dem Fall eines Mädchens mit zwei Müttern entschied das Gericht | |
am Dienstag, dass die von einem EU-Staat anerkannte Beziehung zwischen Kind | |
und Eltern auch von allen anderen EU-Staaten anerkannt werden müsse. Dabei | |
verwiesen die Richter vor allem auf das Recht des betroffenen Mädchens, | |
sich frei in der EU bewegen zu können. | |
„Die Entscheidung ist für [1][Regenbogenfamilien] europaweit von | |
Bedeutung“, sagte die Rechtsanwältin Gabriela Lünsmann vom Lesben- und | |
Schwulenverband in Deutschland. „Ein ähnlicher Fall könnte auch in | |
Deutschland auftreten.“ Der europäische Dachverband der Lesben-, Schwulen-, | |
Bisexuellen-, Trans- und Intersexorganisationen Ilga sprach von einem | |
richtungsweisenden Urteil. | |
Konkret geht es um zwei verheiratete Frauen, eine Bulgarin und eine Britin, | |
die in Spanien leben und dort eine Tochter bekommen haben. In der | |
spanischen Geburtsurkunde werden beide Frauen als Mütter des Kindes | |
aufgeführt. Doch die bulgarischen Behörden lehnten einen Antrag für eine | |
bulgarische Geburtsurkunde des Mädchens ab, und wollten wissen, wer die | |
leibliche Mutter sei. Die Angabe zweier Elternteile weiblichen Geschlechts | |
laufe der öffentlichen Ordnung des Landes zuwider. | |
Ohne bulgarische Geburtsurkunde bekommt das Mädchen jedoch keinen | |
bulgarischen Personalausweis oder Reisepass und kann sich somit nicht frei | |
in der EU bewegen. Seine Rechte als EU-Bürger wären eingeschränkt. | |
Da das Mädchen die spanische Staatsbürgerschaft nicht bekommen konnte, | |
drohte die Staatenlosigkeit. Dem Verband Ilga zufolge kann das Mädchen | |
Spanien ohne Dokumente nicht verlassen, zudem ist sein Zugang zu Bildung | |
oder medizinischer Versorgung eingeschränkt. Die Mutter mit bulgarischer | |
Nationalität klagte gegen die Entscheidung. Das zuständige Gericht rief den | |
EuGH an und ging davon aus, dass das Kind die bulgarische | |
Staatsangehörigkeit hat. | |
## Ähnlicher Fall in Deutschland möglich | |
Der EuGH entschied nun, dass Bulgarien dazu verpflichtet ist, dem Mädchen | |
einen Personalausweis oder Reisepass auszustellen, ohne zuvor eine | |
Geburtsurkunde der eigenen Behörden zu verlangen. Bulgarien und auch die | |
anderen EU-Staaten müssten die spanische Geburtsurkunde anerkennen. | |
Rechtsanwältin Lünsmann betonte, das Urteil [2][zwinge Bulgarien nicht] | |
dazu, gleichgeschlechtliche Elternschaft anzuerkennen, aber es müsse die | |
spanische Geburtsurkunde anerkennen. Auch in anderen EU-Ländern wie Polen | |
oder Ungarn werde die gleichgeschlechtliche Ehe nicht akzeptiert. | |
In Deutschland dürfen [3][gleichgeschlechtliche Paare heiraten], doch | |
Lünsmann zufolge, die Fachanwältin für Familienrecht ist, könnte ein | |
ähnlicher Fall hier dennoch auftreten. „Nach deutschen Recht gilt nur die | |
leibliche Mutter als Mutter. Die andere Mutter müsste das Kind adoptieren.“ | |
Sollte das Paar in einem ähnlich gelagerten Fall also nicht angeben, wer | |
die leibliche Mutter ist, würden die deutschen Behörden keine | |
Geburtsurkunde und somit auch keinen Pass ausstellen. | |
Die [4][neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP] möchte das jedoch | |
ändern. In ihrem Koalitionsvertrag heißt es: „Wenn ein Kind in die Ehe | |
zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des | |
Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist. Man wolle dafür eintreten, | |
„dass Regenbogenfamilien und in der EU geschlossene gleichgeschlechtliche | |
Ehen/Lebenspartnerschaften in allen Mitgliedsstaaten mit allen Rechtsfolgen | |
anerkannt werden“. | |
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat das Problem bereits | |
benannt. Die CDU-Politikerin sagte im September 2020, sie werde sich für | |
die gegenseitige Anerkennung familiärer Beziehungen in der EU einsetzen. | |
„Wenn Sie in einem Land Vater oder Mutter sind, sind Sie in jedem Land | |
Vater oder Mutter.“ | |
14 Dec 2021 | |
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