# taz.de -- Studierende aus Nicht-EU-Ländern: Nachweise, Nachweise, Nachweise | |
> Wer in Deutschland studiert und aus keinem EU-Staat kommt, braucht | |
> gesicherte Finanzen. Für eine Kolumbianerin wurde das zum Problem. | |
Bild: Mehr als 13.000 Studierende lernen an der Uni Bayreuth, darunter 1.500 au… | |
Als Kate R. das erste Mal im Juli zum Ausländeramt in Bayreuth geht, machte | |
sie sich keine Gedanken. Die kolumbianische Studentin hat die Papiere, mit | |
denen sie im vergangenen Dezember bereits ein Visum bekam, einen | |
Studienplatz in Bayreuth und jobbt sogar in einem Café. Sie kann also noch | |
mehr vorweisen als das letzte Mal bei der Deutschen Botschaft in | |
[1][Bogotá] – und da hat sie schließlich auch das Visum bekommen. Doch das | |
Ausländeramt Bayreuth sagt ihr, es könne ihr Visum nicht verlängern. | |
Ihre Finanzen seien nicht gesichert – ein Ausschlusskriterium für die | |
Aufenthaltserlaubnis. | |
„Ich verstehe es immer noch nicht“, sagt Kate R. Monate später. Schließli… | |
habe der Bruder ihres deutschen Freundes, den sie in Kolumbien kennen | |
gelernt hat, eine Bürgschaft für sie übernommen. Das Ausländeramt in | |
Freiburg, der Wohnort des Bruders, beglaubigte diese Zusage sogar. Doch dem | |
Amt in Bayreuth reicht dies offenbar nicht. Deshalb kündigte es Kate R. an, | |
ihren Antrag abzulehnen und erwähnte bereits die Abschiebung. Über diese | |
Zeit erzählt Kate R., dass sie Albträume hatte. „Von Polizisten, die mich | |
zu Hause abholen.“ | |
Ihren vollen Namen möchte Kate R. nicht in der Zeitung lesen. Sie fürchtet, | |
benachteiligt zu werden. Das Studium in einer Fremdsprache und das in der | |
Coronapandemie sei schon stressig genug. Die Ankündigung des Ausländeramts, | |
ihren Antrag abzulehnen, habe es nicht besser gemacht. „Wegen der Frist | |
konnte ich mich nicht mehr auf das Studium konzentrieren.“ | |
Es ist nicht das erste Mal, dass ausländische Studierende in Bayreuth Ärger | |
mit dem Amt haben. In der Vergangenheit kritisierten Professor*innen, | |
ausländische Studierende und Asylsuchende, das Amt lege Gesetze besonders | |
streng aus. [2][„Bloß nicht Bayreuth“, titelte die Süddeutsche Zeitung] | |
schon vor Jahren. An der Universität Bayreuth sind aktuell 1.580 | |
Studierende aus Nicht-EU-Staaten eingeschrieben, mehr als 80 Prozent der | |
ausländischen Studierenden. Bundesweit belief sich die Zahl im vergangenen | |
Wintersemester laut Statistischem Bundesamt auf mehr als 300.000 Personen. | |
## Verschiedene Wege, den Lebensunterhalt zu sichern | |
Für sie alle gilt: Sie müssen der Ausländerbehörde beweisen, dass sie genug | |
Geld für ein Studium in Deutschland besitzen. Das Aufenthaltsgesetz | |
schreibt für sie den BAföG-Höchstsatz vor – aktuell 861 Euro im Monat oder | |
10.332 Euro im Jahr. | |
Es gibt verschiedene Wege, wie sie nachweisen können, dass ihre Finanzen | |
gesichert sind. Eine Möglichkeit ist die sogenannte | |
Verpflichtungserklärung, unterschrieben von Personen, die in Deutschland | |
leben. In Kates Fall haben der Bruder ihres Freundes und dessen Frau diese | |
Bürgschaft bereits vor ihrer Einreise nach Deutschland unterzeichnet. Falls | |
Kate R. nicht für ihren Lebensunterhalt sorgen kann, könnte das Geld von | |
den beiden gepfändet werden. Die Verpflichtung gilt für fünf Jahre ab | |
Einreise. Für die deutsche Botschaft in der kolumbianischen Hauptstadt | |
Bogotá war dieser Nachweis ausreichend – Kate R. erhielt ein Visum für | |
sechs Monate. | |
Im April zog Kate R. nach Deutschland und begann in Bayreuth zu studieren. | |
Und damit begannen die Probleme. Denn für das Studium brauchte sie eine | |
neue Aufenthaltserlaubnis, Ende Juli ging sie das erste Mal aufs | |
Ausländeramt in Bayreuth. Aber dort hieß es, die Verpflichtungserklärung | |
des Bruders sei unvollständig. Neben der Bürgschaft müsse Kate R. jeden | |
Monat die 861 Euro tatsächlich überwiesen bekommen. Manche Ämter wollten | |
das so, sagt Johannes Glembek der taz. Der Geschäftsleiter des Bundes | |
ausländischer Studierender (BAS) kennt durch zahlreiche Beratungen, welche | |
Hürden für ausländische Studierende in Deutschland bestehen. Teils | |
unterschieden sich die Ansprüche in den Behörden aber stark, so Glembek: | |
„Manchmal kommt es sogar auf die einzelnen Sachbearbeiter an.“ | |
Kate R. sagte dem Amt, dass sie keine 861 Euro im Monat von den | |
Verpflichteten brauche. Sie hat etwas Geld aus Kolumbien mitgebracht und | |
arbeitet in einem Café in Bayreuth. Doch wie sich später herausstellte, gab | |
es auch mit dem Arbeitsvertrag ein Problem: Er war befristet und galt nicht | |
bis zum Ende ihres beantragten Visums. Das sei häufig so, gibt Glembek an, | |
denn die Arbeitgeber*innen richteten sich oft nach der bestehenden | |
Aufenthaltserlaubnis. | |
Kate R. hatte immer wieder Kontakt mit dem Amt und mittlerweile waren schon | |
Wochen vergangen. Ihr Freund, der als Doktorand an der Uni Eichstätt | |
arbeitet, unterstützte sie mit Übersetzungen, Anrufen und Mails. Im Juli | |
noch schlug das Ausländeramt Kate R. vor, mit ihrem Ersparten ein | |
Sperrkonto anzulegen – eine häufig genutzte Lösung, wie Studierende ihre | |
Finanzierung sichern und das den Ämtern belegen. Auf Sperrkonten zahlen die | |
Studierenden Geld für die Visumsdauer ein, meist die 10.332 Euro für ein | |
Jahr. | |
## Ein Sperrkonto kam für sie nicht infrage | |
Für die [3][meisten Studierenden sehr viel Geld] und für viele schwierig, | |
neben dem Studium zu organisieren, kritisiert Glembek. Hinzu kämen noch | |
Gebühren. Die Dienstleister, ob Banken oder andere, überweisen monatlich | |
einen Teilbetrag wieder an die Studierenden zurück. Es kam allerdings auch | |
schon vor, dass Dienstleister nicht mehr auszahlten. [4][Im Juli 2021] war | |
das bei einem der Fall, den das Auswärtige Amt auf seiner Website empfohlen | |
hatte. | |
Für Kate R. kam das Sperrkonto jedoch nicht infrage. Zum einen umfasste ihr | |
Erspartes nicht die benötigten 10.332 Euro. Zum anderen hatte sie schon | |
genug Kosten für die Verpflichtungserklärung gehabt. Die war doch auch bei | |
der Ausländerbehörde in Baden-Württemberg gültig. Das mit den monatlich | |
eingehenden 861 Euro ließe sich schon irgendwie klären, denkt sie, und | |
verweist beim Amt auf die Verpflichtungserklärung. | |
Von allen Fällen, die das Amt jährlich prüft, ginge es in „weniger als 5 | |
Prozent“ um eine Verpflichtungserklärung, erklärt das Amt gegenüber der | |
taz. Ob es auch genehmigte Anträge gibt? „Ja“, lautet die knappe Antwort. | |
In Kates Fall wollten die Beamt*innen die Bonität des | |
Verpflichtungsgebers prüfen. Das Ergebnis: Seine Finanzen reichen nicht aus | |
– die Verpflichtungserklärung genügt damit nicht als Finanzierungsnachweis | |
für Kate R. | |
Wieso die Erklärung im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald anerkannt wurde | |
und in Bayreuth nicht, können beide Behörden nicht erklären. Das Amt in | |
Baden-Württemberg verweist auf das in Bayern und Letzteres antwortet, dass | |
es unter Ämtern „grundsätzlich nicht üblich ist, sich in Fälle | |
einzumischen“. Sprich: Die Ämter haben sich nicht ausgetauscht. | |
Eine Vermutung, die für Kate R. und ihren Freund im Raum steht: Das Amt im | |
Breisgau habe das gesamte Einkommen des Ehepaars beachtet, da beide auf dem | |
ursprünglichen Antrag unterschrieben hatten. Das Amt in Bayreuth gibt | |
hingegen an, nur das Einkommen des Ehemanns berücksichtigt zu haben, weil | |
nur er auf der Urkunde unterschrieben hat. | |
## Ein Kompromiss | |
Nina Hellbach ist Anwältin in Bayreuth und hat sich auf Migrationsrecht | |
spezialisiert. Zurzeit sitzt sie auch im Stadtrat und nimmt bereits seit | |
2020 keine juristischen Mandate mehr an. Auch den Fall von Kate R. möchte | |
sie nicht bewerten. Aber sie kennt das Ausländeramt. Frühere Entscheidungen | |
seien eher „eng am Gesetz orientiert“. Daran sei nichts falsch, aber es | |
bedeute für die Antragsteller*innen häufig, mögliche | |
Ermessensspielräume zu ihren Gunsten blieben ungenutzt. Aus Bayern heraus | |
habe sie immer wieder mitbekommen, dass Ämter in anderen Bundesländern „das | |
Ermessen teilweise deutlich großzügiger fassen, als wir es hier gewohnt | |
sind“. | |
Das Bayerische Innenministerium gibt an, eine „möglichst einheitliche | |
Anwendungspraxis“ sicherzustellen, aber den letztlichen Ermessensspielraum | |
müsste die einzelne Behörde nutzen, um zwischen den Interessen der | |
Antragsteller*innen und der Allgemeinheit abzuwägen. Bei Kate R. habe | |
es sich aber um keine Ermessensentscheidung gehandelt, erklärt das | |
Ausländeramt Bayreuth gegenüber der taz. | |
Auch die Universität möchte sich zum konkreten Fall nicht äußern. Für die | |
Studierenden aus dem Ausland ist grundsätzlich das Internationale Office da | |
und berate sie beim Umgang mit Behörden. „Bei Bedarf seitens einzelner | |
Studierender oder Wissenschaftler*innen“ nehme es auch direkt Kontakt auf. | |
Kate R. sagt, in ihrem Fall sei das auch so gewesen. Dank der Vermittlung | |
durch die Uni habe sie einen Kompromiss mit dem Ausländeramt erwirken | |
können. Sie eröffnete im November doch ein Sperrkonto, allerdings zahlte | |
sie weniger ein und das Visum gilt entsprechend nur bis Ende Mai 2022. Dann | |
musste sie wieder warten, das Amt gab bis Mitte Dezember nicht Bescheid, ob | |
ihr Antrag nun genehmigt wird. | |
Mit ihrem Freund meldete sich Kate R. dann bei der Presse, auch bei die | |
taz. Der lokale Nordbayerische Kurier [5][berichtet zunächst über sie] und | |
ihren Fall. Dann veröffentlicht die Zeitung eine Stellungnahme der | |
Stadtverwaltung. Darin behauptet diese, schon im Juli den „jetzt | |
beschrittenen Weg“ aufgezeigt zu haben. Auf Nachfrage der taz gibt das | |
Ausländeramt aber zu, dass es im Juli noch nicht um einen genauen Betrag | |
auf dem Sperrkonto ging. | |
Immer wieder beteuert das Ausländeramt, auch gegenüber der taz, es gebe bei | |
ausländischen Studierenden kaum Probleme. Von 1.000 Fällen habe es nur 5 | |
abgelehnt, keinen einzigen wegen mangelnder Finanzierung. Auch den Antrag | |
von Kate R. lehnt es letztlich nicht ab. Am 21. Dezember konnte sie ihre | |
Aufenthaltserlaubnis abholen. | |
Kates Ärger mit dem Ausländeramt ist damit aber nicht beendet. Bis Ende Mai | |
hat sie Zeit, die Nachweise über ihre Finanzierung zu besorgen. Dann läuft | |
ihr Visum ab. | |
30 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Kolumbien/!t5008471 | |
[2] https://www.sueddeutsche.de/bayern/auslaenderbehoerde-in-der-kritik-studier… | |
[3] /Studiengebuehren-in-Baden-Wuerttemberg/!5808232 | |
[4] https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/studierende-sperrkonten-existenz… | |
[5] https://www.kurier.de/inhalt.drohende-abschiebung-kolumbianerin-kaempft-fue… | |
## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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