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# taz.de -- Ampelkoalition macht Schulden auf Vorrat: Operation Eichhörnchen
> Die Ampel legt einen Schuldenvorrat an. Sie will nicht genutzte Kredite
> aus diesem Jahr in den Bundeshaushalt 2022 verschieben – für den
> Klimaschutz.
Bild: Hoffentlich übernimmt sich die Regierung nicht mit ihrer „Operation Ei…
Berlin taz | Die neue Bundesregierung stockt das finanzielle Polster für
die kommenden Jahre auf. Am Montag soll das Kabinett einen
Nachtragshaushalt für 2021 beschließen, den Bundesfinanzminister
[1][Christian Lindner] (FDP) ihm an diesem Freitag vorlegte. Wesentlicher
Inhalt: 60 Milliarden Euro nicht genutzte Kredite würden aus diesem ins
nächste Jahr transportiert. Lindner sieht darin einen „Booster für die
Wirtschaft“, die CDU/CSU-Opposition kritisiert das Verfahren.
Im Bundeshaushalt 2021 hat die Regierung die Möglichkeit, Kredite von bis
zu 240 Milliarden Euro aufzunehmen. Dieses Volumen, das weit über die
Schuldenbremse im Grundgesetz hinausgeht, soll dazu dienen, die Folgen der
Coronapandemie zu mildern. Weil sich die Wirtschaft schneller erholte, wird
so viel Geld aber jetzt nicht gebraucht. Deshalb wollen die neuen
Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP 60 nicht benötigte Milliarden in den
Bundeshaushalt 2022 verschieben.
Wirtschaftsweise Achim Truger hält diese Operation für „anspruchsvoll, aber
machbar“. Damit diese einer möglichen Klage vor dem
Bundesverfassungsgericht standhalte, brauche es eine überzeugende
Begründung. Die Regierung müsse darlegen, dass die 60 Milliarden Euro
nächstes Jahr im Zusammenhang mit der Coronakrise gebraucht würden –
beispielsweise, um die durch die Pandemie unterbrochene Konjunktur
anzuschieben oder um Investitionen zu finanzieren, die wegen der Krise
unterblieben.
Genau so argumentierte Lindner am Freitag. Infolge der Gesundheitskrise
hätten die Unternehmen 2021 weniger investiert als unter normalen
Umständen. Die 60 Milliarden Euro würden dazu beitragen, diese Lücke
künftig zu schließen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warf der
Koalition eine Umgehung der Schuldenbremse „durch Verschiebe-Bahnhöfe“ vor.
Kritik übt auch der Bundesrechnungshof.
## Corona-Schulden für Klimaprogramme?
Die Ampel macht nun, was sie in ihrem Koalitionsvertrag ankündigte. Dort
heißt es: „Wir werden im Haushalt 2021 Mittel aus nicht genutzten
Kreditermächtigungen über einen Nachtragshaushalt dem Klima- und
Transformationsfonds (KTF) für zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen und zur
Transformation der Wirtschaft zur Verfügung stellen.“
Der Klima- und Transformationsfonds ist ein Teil des Bundeshaushaltes, aus
dem beispielsweise Förderprogramme zum Abschied von den fossilen
Energiequellen bezahlt werden können. Teilweise speist sich der Fonds aus
den Einnahmen des Kohlendioxidpreises auf Autotreibstoff und Heizwärme.
Doch diese Mittel dürften in Zukunft nicht reichen. Ein Grund: Die
Regierung will die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz abschaffen,
die bisher die Privathaushalte und Firmen im Rahmen ihrer Stromrechnungen
entrichten. Alleine für die Finanzierung der Umlage bräuchte der Fonds
Dutzende Milliarden. Ob bei diesen Ausgaben aber die Coronaschulden aus
2021 helfen dürfen, ist fraglich – der Zusammenhang zur Pandemie wäre doch
etwas konstruiert.
Und im kommenden Jahr könnte die Ampel ihre Operation Eichhörnchen
wiederholen. Im Koalitionsvertrag steht: „Mit dem Bundeshaushalt 2022
werden wir prüfen, wie wir den Klima- und Transformationsfonds im Rahmen
der verfassungsmäßigen Möglichkeiten weiter verstärken.“ Nach der Planung
des ehemaligen Finanzministers und jetzigen Kanzlers Olaf Scholz (SPD) ist
für nächstes Jahr ohnehin vorgesehen, die Schuldenbremse nochmal außer
Kraft zu setzen und bis zu 100 Milliarden Euro neue Kredite aufzunehmen.
Wenn ein Teil davon nicht unmittelbar gebraucht werden sollte, könnten die
Mittel in den Vorrat wandern. Dort gibt es auch noch eine Rücklage von etwa
50 Milliarden Euro – übriggebliebenes Geld aus der Zeit der großen
Einwanderung nach 2015.
10 Dec 2021
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## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Christian Lindner
Das Milliardenloch
Staatsverschuldung
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