| # taz.de -- Debütalbum von OneTwoThree: Dreifach Schmackes vom Bass | |
| > Drei Bässe, drei unterschiedliche Biografien: Das Trio OneTwoThree aus | |
| > Zürich rollt den Postpunkfaden aus feministischer Perspektive neu auf. | |
| Bild: Bass erstaunt: OneTwoThree aus Zürich | |
| It’s All About That Bass, oder noch besser: it’s all about drei Bässe. Die | |
| Schweizer Band [1][OneTwoThree] besteht aus drei Bassistinnen, von denen | |
| jede ein beachtliches musikalisches Erbe mitbringt. Klaudia Schifferle, | |
| heute Malerin und Bildhauerin, war bis 1983 Mitglied der legendären | |
| Postpunkband Kleenex, die sich aus namensrechtlichen Gründen in | |
| [2][LiLiPUT] umbenennen mussten. Kostümdesignerin Madlaina Peer spielte bei | |
| den in der Tat ziemlich unbekannt gebliebenen Noknows, von denen es leider | |
| keine Aufnahmen gibt. | |
| Und Sara Schär stieg 1978 als 14-Jährige bei der [3][Zürcher Punkband TNT] | |
| als Sängerin ein, nachdem sie vorher schon in der Band Züri | |
| Selbstbefriedigungsgruppe („Züri SS“) Bass gespielt hatte. Schär ist von | |
| den dreien am ausdauerndsten musikalisch aktiv gewesen, sie war in den | |
| mittleren 1980ern Bassistin der Band The Kick, Sängerin von Souldawn und | |
| Jailbreak, die sich 2017 trennten. | |
| Drei Künstlerinnen, die sich lange kennen, aber erst im fortgeschrittenen | |
| Alter ein gemeinsames Projekt ins Leben rufen: Kann das gutgehen? Knappe | |
| Antwort: Sehr gut sogar. Die Basis des OneTwoThree-Sounds liegt klar in der | |
| Tradition des Postpunk. Alle drei Musikerinnen spielen Bass, aber nicht | |
| gleichzeitig. Man hört jeweils individuelle Unterschiede und Spielweisen | |
| heraus, zusätzlich kommen Schlagzeug, Farfisa-Orgel, Synthies und Gitarre | |
| zum Einsatz, die für pointierte Details in den durchgängig tanzbaren Tracks | |
| sorgen. | |
| ## Starke Musikerinnen | |
| Spontan kommen einem/r Delta 5, Au Pairs, Pylon, The Raincoats, Bush Tetras | |
| in den Sinn, Kleenex/LiLiPUT sowieso, spätestens aber im gepfiffenen Teil | |
| von „Oh Boy“ – lauter Bands, die von starken Musikerinnen geprägt waren … | |
| den Bass ins Zentrum stellten. Im Postpunk befreiten sich die Frauen vom | |
| straight-maskulin dominierten Punkrock, könnte man sagen. Allen voran die | |
| mächtigen [4][Slits], they heard it through the bass line, siehe und höre | |
| deren geniale Coverversion des Klassikers von Marvin Gaye. | |
| Natürlich profitierten auch Männer vom freieren Ansatz des Postpunk, man | |
| denke an die Dub-Experimente von PIL, die funkverliebte Pop Group oder Andy | |
| Gills Gang of Four, die im Lauf ihrer wechselvollen Geschichte zwei | |
| herausragende Bassistinnen hatten, Sara Lee und Gail Ann Dorsey. | |
| ## Kollektives Brodeln | |
| Nun ist OneTwoThree aber kein retroseliges Feierabendhobby, sondern 2018 | |
| aus dem Drang entstanden, sich endlich wieder musikalisch zu artikulieren. | |
| Die Zeit war reif. Schifferle ergriff die Initiative, die beiden anderen | |
| mussten nicht lange überredet werden. „Es brodelte bei allen“, erklärte | |
| Schär kürzlich in einem Interview. | |
| Und dieses Brodeln ist in allen elf Tracks dieses erstaunlichen späten | |
| Debütalbums spürbar, vom ersten Ton des elastischen Auftaktsongs „Perfect | |
| Illusions“ bis zum luxuriöse sechs Minuten dauernden Finale „Things“. | |
| Scheinbar assoziativ werden die unterschiedlichsten Dinge | |
| aneinandergereiht, „loud things, terrific things, tricky delicate wet | |
| things“, und „funky things, brilliant things, sharp tickling noisy | |
| things“. | |
| Auch „Bubble“, das auf der prägnanten Bassline von Cyndi Laupers „She Bo… | |
| aufgebaut ist, dekliniert die Idee allgegenwärtiger, sich überlagernden | |
| Blasen durch, „bubbles crash, bubbles clash, bubbles mash“. | |
| Der spielerische, klangverliebte Umgang mit Sprache verbindet OneTwoThree | |
| mit Schwestern im Geiste wie Chicks On Speed und Woog Riots (okay, bei dem | |
| Duo aus Darmstadt ist auch ein Bruder dabei), aber auch den MeisterInnen | |
| der „Wordy Rappinghood“, dem Tom Tom Club. Die Worte sollen aber nicht nur | |
| ästhetisch gut zueinanderpassen, Peer, Schär und Schifferle haben klare | |
| Ansichten und Anliegen. | |
| ## Konsum, Konsum, Konsum | |
| Konsum- und Kapitalismuskritik zum Beispiel: So wird in „Buy Buy“ streng | |
| und lapidar gefordert: „buy this and that and this and that“, während der | |
| Backgroundchor entrückt säuselt, „we want flowers from outer space“ – | |
| nichts ist unmöglich, oder? Die Message von „Fake“ ist so eindeutig wie | |
| punkig: von fake sugar über fake money bis zu fake drugs lässt man sich | |
| alles Mögliche andrehen und fühlt sich auch noch hip dabei. OneTwoThree | |
| singen Englisch, mit unkaschiert kehlig-harter Schweizer Intonation, was | |
| toll ist, weil gar nicht erst der Eindruck entsteht, es könne sich um | |
| Native Speakers handeln. | |
| Englisch fungiert bei OneTwoThree als Chiffre einer selbstverständlichen | |
| Weltoffenheit, zu der es passt, dass das Album beim US-Label Kill Rock | |
| Stars veröffentlicht, das Riot-Grrrl-Bands wie Bikini Kill, Sleater-Kinney, | |
| Huggy Bear und Bratmobile betreut – und das Frühwerk von Kleenex/LiLiPUT | |
| vorbildlich wiederveröffentlicht hat, wodurch auch der Kontakt zu Klaudia | |
| Schifferle entstand. Eine grandiose Fügung, denn die Schweiz allein wäre | |
| viel zu eng(stirnig) für OneTwoThree. | |
| 20 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://onetwothree.bandcamp.com/releases | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=MOgoSOqOkAs | |
| [3] https://www.youtube.com/watch?v=hj43CayFG20 | |
| [4] /Viv-Albertine-ueber-ihr-Leben/!5300067 | |
| ## AUTOREN | |
| Christina Mohr | |
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