# taz.de -- SPD stimmt für Regierungsprogramm: Friede, Freude, Koalitionsvertr… | |
> Der SPD-Parteitag sagt mit überwältigender Mehrheit Ja zum Ampel-Bündnis. | |
> Olaf Scholz tänzelt über die Bühne und hält eine emotionale Rede. | |
Bild: Grünes Licht von den Roten für den Ampel-Koalitionsvertrag: Bald-Kanzle… | |
BERLIN taz | „Vor vier Monaten hätte niemand gewettet, dass wir die Wahl | |
gewinnen“, sagt [1][Lars Klingbeil, Noch-SPD-Generalsekretär und | |
Bald-Parteichef]. Im Atrium des Willy-Brandt-Hauses in Berlin haben sich an | |
diesem Samstag ein paar Dutzend SPD-SpitzengenossInnen versammelt. Das Gros | |
der 635 Delegierten sitzt vor dem Stream zu Hause. Es werden viele | |
Lobeshymnen gesungen. Parteichefin Saskia Esken beschwört die Einigkeit der | |
Partei, die aus gemeinsamer Überzeugung wachse. „Der Fortschritt kommt | |
nicht allein, den muss man wagen“, sagte sie. Sie klingt immer mehr wie | |
Olaf Scholz. | |
Der Applaus ist warm und spontan, die Stimmung grundentspannt. Man | |
beklatscht sich ja auch selbst – den Wahlsieg und den Koalitionsvertrag. | |
„Die Sozialdemokratie ist die führenden Kraft in diesem Land“, sagt Norbert | |
Walter-Borjans, der freiwillig als SPD-Chef abtreten wird. Er mahnt | |
nebenher, dass die Partei in der Aufgabenteilung nicht „zum Lautsprecher“ | |
der Regierung werden dürfe. Es ist ein sanfte kritische Anmerkung, eine der | |
wenigen. | |
Olaf Scholz scheint über die Bühne neben der Willy-Brandt-Statue zu | |
tänzeln. „Es ist ein ganz besonderes Gefühl“, sagt er als erstes. Als er | |
appelliert, sich impfen zu lassen, hebt er fast beschwörend die Hände. Es | |
ist eine für seine Verhältnisse sehr emotionale Rede. Scholz, der sich am | |
Mittwoch zum vierten SPD-Kanzler der Republik wählen lassen will, erinnert | |
an Willy Brandt 1969 und Gerhard Schröder 1998. | |
Wie damals gebe es einen Aufbruch. Er ballt die Fäuste, und sagt: „Wir | |
müssen die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen, sonst wird es | |
nichts mit dem Fortschritt.“ Der werde allen zugute kommen – das ist das | |
sozialdemokratische Credo. Die Ampel werde keine Regierung, die bloß aus | |
der Not geboren sei. Er wolle mit den „Freunden bei FDP und Grünen“ länger | |
als vier Jahre regieren. | |
Und Scholz erinnert an den Moment, als für ihn Wesentliches begann. Im | |
Sommer 2020 traf er sich mit Rolf Mützenich, Walter-Borjans, Klingbeil und | |
Esken „in einem Restaurant hier um die Ecke“. Dort wurde besiegelt, dass er | |
Kanzlerkandidat werden soll. Diese Entscheidung blieb bis zum Spätsommer | |
2020 geheim, es war auch ein Vertrauenstest. Scholz grinst. Er ist noch | |
heute stolz, dass dies gelang. | |
## Keine Vorab-Infos an die Medien | |
Seitdem herrscht in der SPD ein neuer Stil, der Scholz-Stil. Bei den | |
Koalitionsverhandlungen drang kaum etwas nach draußen. Auch die Nominierung | |
der SPD-MinisterInnen verläuft nach Plan. Scholz wird, so war zu hören, die | |
sechs MinisterInnen und drei StaatsministerInnen erst Sonntagabend | |
informieren. Am Montag werden die SPD-MinisterInnen dann öffentlich | |
präsentiert. Nur Scholz weiß offenbar Bescheid. Keine Vorab-Infos mehr an | |
Medien – das war in der SPD nicht immer so. | |
In der Debatte zum Koalitionsvertrag ist das Meinungsbild eindeutig: Das | |
Lob ist fast überschwänglich. Auch Juso-Chefin Jessica Rosenthal betont die | |
Erfolge wie die Ausbildungsplatzgarantie und die anvisierte Bafög-Reform. | |
Die Jusos würden die Regierung „kritisch-solidarisch“ begleiten und dem | |
Vertrag zustimmen. | |
Daniela Kolbe, SPD-Linke aus Leipzig, die nicht mehr für den Bundestag | |
kandidiert hatte, kritisiert das Verfahren der SPD beim Ja zur | |
[2][Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen]. Die Zustimmung der | |
Arbeitsgruppe in der SPD sei viel zu hektisch erfolgt, moniert sie. Aber | |
solche Anmerkungen sind in der Aussprache selten. | |
Kevin Kühnert, der Generalsekretär werden soll, unterstreicht, dass die SPD | |
mit dem Bauministerium ja auch ein Klimaministerium habe. Er wiederholt, | |
allerdings rhetorisch weit dezenter [3][als beim Juso-Kongress vor einer | |
Woche], seine Kritik, dass bei der Mietenpolitik manches an der FDP | |
gescheitert sei. Und er versucht, die Notwendigkeit der eigenständige Rolle | |
der SPD heraus zu präparieren. „Wir sollten als Partei hungrig bleiben“, | |
sagt er. Nur so könne die Sozialdemokratie die Hegemonie in der | |
Gesellschaft erobern. Heute aber gehe es „mit angemessener Fröhlichkeit“ | |
darum, Ja zum Koalitionsvertrag zu sagen. | |
Nach drei Stunden ist der Kurzparteitag vorbei. 98,8 Prozent der | |
Delegierten votieren für das Regierungsprogramm. | |
4 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Lars-Klingbeil-fuer-SPD-Vorsitz/!5813458 | |
[2] /Waffen-fuer-Bundeswehrdrohnen/!5808594 | |
[3] /Bundeskongress-der-Jusos/!5818367 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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