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# taz.de -- Dokumentarfilm „The Lost Leonardo“: Die männliche Mona Lisa
> „Salvator Mundi“ ist das teuerste Bild der Welt und wurde für 450
> Millionen Dollar verkauft. Warum es die Kunstwelt spaltet, zeigt eine
> neue Doku.
Bild: Still aus dem Film „The Lost Leonardo“; zeigt das Gemälde „Salvato…
Der saudische Prinz Mohammed bin Salman ist einer der reichsten Männer der
Welt und erwarb statusträchtige europäische Kulturgüter wie ein
französisches Chateau oder Fußballclubs. Ebenso wie den „Salvator Mundi“,
der 2017 beim New Yorker Auktionshaus Christie’s als neu entdecktes Gemälde
Leonardo da Vincis für den bisher höchsten für ein Kunstwerk erzielten
Preis von 450 Millionen US-Dollar an ihn ging.
Offiziell verkündet wurde dieser Erwerb nie. Doch er gilt als offenes
Geheimnis spätestens seit dem Streit mit dem Louvre über die Anwesenheit
des Gemäldes in der großen Leonardo-Retro im Winter 2019/20.
Zwölf Jahre zuvor hatte der Kunsthändler Robert Simon den „Salvator Mundi“
bei einer Auktion in New Orleans noch als „Kopie nach Leonardo“ für gerade
1.175 Dollar erworben und das übermalte und stark beschädigte Gemälde
aufwendig restaurieren lassen. Dabei überzeugte vor allem eine kleine
Stelle am Rand der Oberlippe des Salvators die Restauratorin Dianne
Modestini davon, einen Original-Leonardo vor sich zu haben.
In der Folge konnte sie auch den damaligen Italien-Kurator der Londoner
National Gallery anfixen, der das Werk nach Rücksprache mit anderen
Experten in einer Retrospektive seines Hauses 2011 offiziell als Leonardo
präsentierte.
## Umstrittene Originalität
Umstritten ist diese Zuschreibung bis heute. Dies und der wundersame
Wertzuwachs des Gemäldes führten zu vermehrter medialer Aufmerksamkeit und
brachten dieses Jahr gleich zwei Dokumentarfilme in die Welt, von denen
einer jetzt in deutschen Kinos läuft.
Wie „The Savior for Sale“ (von Antoine Vitkine) ist auch „The Lost
Leonardo“ des dänischen Regie-Routiniers Andreas Koefoed ein in
verschiedene Richtungen ausgreifendes Resümee des Hypes um das Gemälde, das
auf einen großen Strauß unterschiedlichst positionierter Erzählstimmen von
– in diesem Fall – Simon und Modestini selbst bis zu dem Leipziger
Leonardo-Forscher Frank Zöllner setzt, die in den genreüblichen Statements
die Erzählung füttern und treiben.
Zöllner schreibt eine Hauptrolle an der Aufwertung des Gemäldes der allzu
umfassenden Leistung der erfahrenen Restauratorin zu („more leonardesk than
Leonardo had done it“), deren großzügiges Honorar sich nach eigener
Auskunft an dem Verkaufspreis orientiert hatte, zu dem das Gemälde 2012 von
Simon mit weiteren Wertsprüngen über den Genfer Zwischenhändler Yves
Bouvier an den russischen Oligarchen Dmitri Rybolowlew ging.
Ein weiterer wichtiger Faktor war die im Film zitierte Marketingkampagne
von Christie’s vor dem Verkauf 2017, die das Gemälde auf eine Welttour
schickte und gezielt als „männliche Mona Lisa“ präsentierte.
## Mystifizierung der Kunstwelt
Auch an der Mystifizierung von Bild und Käufer wurde hier gestrickt, sodass
der saudische Prinz im Spiel zwischen Verrätselung und Aufdeckung die
eigene Rolle in der strategischen Neuausrichtung Saudi-Arabiens vom
religiösen Ölstaat zu einem kulturell gleichberechtigten (und touristisch
attraktiven) Player in die öffentliche Aufmerksamkeit bringen konnte. So
erläutert es Evan Beard vom Global Art Service der Bank of America.
Aufschlussreiche Exkurse zeigen die Rolle Frankreichs im Poker und die
Funktion sogenannter Freeports, wo wertvolle Kunstobjekte in riesigen
Bunkern in der Nähe internationaler Flughäfen an Justiz und Steuersystem
vorbei gelagert werden. Insgesamt also mehr als genug Stoff für einen Film,
der mit unzähligen Wortbeiträgen ein weit aufgefächertes Mosaik anbietet,
dieses allerdings um die Statements herum mit treibender Musik, vielen
Drohnenflügen und effektvollen Animationen weniger aufklärend als suggestiv
inszeniert.
29 Dec 2021
## AUTOREN
Silvia Hallensleben
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