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# taz.de -- Die Ampel-Verkehrspolitik und Berlin: Mehr Stillstand wagen
> Unterstützung für eine ambitionierte Verkehrswende darf sich Rot-Grün-Rot
> vom Bund nicht erhoffen. Das sollte aber kein Grund sein zu schwächeln.
Bild: Alles andere als der erhoffte Heilsbringer: Bundesverkehrsminister in spe…
Die Hoffnungen auf einen grundlegenden Politikwandel im Bund waren bei den
meisten BeobachterInnen aus dem Klima-, Mobilitäts- und Umweltbereich schon
während der Ampel-Koalitionsverhandlungen zerstoben, in Sachen Verkehr war
das dicke Ende dann aber noch dicker, als sich die meisten überhaupt
vorstellen konnten: [1][Ein FDPler übernimmt das Ressort], und der
Koalitionsvertrag ist bei diesem Thema so weich wie ein ganz alter
Papier-Führerschein.
„Erschreckend deutlich“ zeige der Text „die Angst vor Veränderung auf der
Straße: Der Verkehr ist das heiße Eisen des Klimaschutzes, das sich niemand
traut, anzufassen“, meint die Berliner Changing-Cities-Sprecherin Ragnhild
Sørensen, und sie hat recht: Bis auf ein paar grundsätzliche Bekenntnisse
zu mehr Verkehr auf der Schiene und mehr Elektroautos enthält das Dokument
nichts, was optimistisch machen könnte – und das wird auch in Berlin
schmerzlich zu spüren sein.
Hier hatten die Grünen im Wahlkampf immer wieder mit großer Zuversicht
darauf verwiesen, wie gut die Chancen stünden, dass eine oder einer der
Ihren das unter Andreas Scheuer zur Lachnummer verkommene Ministerium
übernehmen werde. Dann lasse sich die Mobilitätswende endlich noch
konsequenter umsetzen. Eine Reform der Straßenverkehrsordnung werde es noch
einfacher machen, Radinfrastruktur auch zu Lasten des Autoverkehrs
aufzubauen, und die Weiterführung der Stadtautobahn A100 bis Prenzlauer
Berg – aktuell beschlossene Sache – könne man getrost abhaken.
Ein letzter schwacher Widerschein dieser Hoffnung flackerte noch einmal
kurz vor der Präsentation des Koalitionsvertrags auf: Da hieß es, die Ampel
wolle den Bundesverkehrswegeplan, der das Projekt enthält, nach
Öko-Kriterien durchforsten und neu fassen. Am Ende stand da aber nur: „…
werden wir einen Dialogprozess mit Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschafts- und
Verbraucherschutzverbänden starten mit dem Ziel einer Verständigung über
die Prioritäten bei der Umsetzung“. Dieses herzlich nichtssagende
Versprechen in Kombination mit einem FDP-Minister und einer
autofreundlichen Berliner Regierenden – tja.
## StVO bleibt autofreundlich
Genauso trübe sieht es wohl bei der Radverkehr aus, der dem Ampel-Vertrag
noch nicht mal einen kompletten Absatz wert war. Als in Berlin letztes Jahr
ein [2][AfD-Mann gegen die Pop-up-Radspuren klagte] und die
Senatsverwaltung kurz in Bedrängnis brachte, wurde eines einer breiteren
Öffentlichkeit klar: Die StVO sieht nicht vor, dass Kommunen dem
Autoverkehr einfach ein bisschen Platz für mehr Velos abknapsen dürfen –
das muss alles aufwändig für den konkreten Straßenabschnitt mit
Sicherheitserwägungen begründet werden. So wird es nun vermutlich auch
bleiben.
Es wird in den kommenden Jahren noch öfter klar werden: Ohne Unterstützung
von der Bundesebene geht es hier nicht voran oder sogar in die falsche
Richtung. Man sollte aber ehrlicherweise dazu sagen: Als Ausrede für eine
lahme Berliner Verkehrspolitik kann und darf das niemand benutzen.
Innerhalb des bestehenden Handlungsspielraums lässt sich im Land genug
verändern in punkto Flächenverteilung, Förderung des Umweltverbunds oder
auch Regulierung der Kfz-Antriebsarten – wenn man nur will und im
Zweifelsfall ein bisschen kreativ wird.
Eher nicht gemeint ist damit, bei den von Franziska Giffey gewünschten
U-Bahn-Verlängerungen „fertige Planungen aus der Schublade“ zu ziehen, wenn
der Bund Geld zu verteilen habe – weil Berlin ja im Vergleich zu anderen
Bundesländern „den kürzesten Weg“ habe, [3][wie die Regierende in spe es
ausdrückte]. Dieses schon von der amtierenden Senatorin Günther angestoßene
Projekt wird enorme Planungskapazitäten binden und eine Menge CO2
freisetzen. Nicht gerade das, was derzeit angesagt ist.
Aber warten wir mal ab, was am Montag im rot-grün-roten Koalitionsvertrag
steht. Es gilt das geschriebene Wort.
26 Nov 2021
## LINKS
[1] /Ministerium-fuer-Verkehr-ohne-Gruene/!5817861
[2] /Verfahren-gegen-Pop-up-Radspuren/!5749881
[3] /Koalitionsverhandlungen-in-Berlin/!5816735
## AUTOREN
Claudius Prößer
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