| # taz.de -- Kleine Putz-Umfrage unter Müttern: Dreck, Scham, Politik | |
| > Sind Putzkräfte okay, wenn man sie gut bezahlt? Immerhin Lohnarbeit oder | |
| > antifeministisch? Ist überhaupt Zeit, darüber nachzudenken? Mütter | |
| > erzählen. | |
| Bild: Was geht Ihnen beim Wort „Putzhilfe“ durch den Kopf? | |
| Haushalte mit Kindern [1][sind schon wieder am Limit]. Kitas schließen, | |
| Support bricht weg, und noch immer wagt niemand, [2][das 40-Stunden-Dogma] | |
| anzupacken. Und so bleibt Hausarbeit das Naheliegendste, was man loswerden | |
| kann, wenn alles zu viel wird. Vorausgesetzt, man kann sich’s leisten. Ich | |
| habe Mütter im Freundinnenkreis gefragt, was ihnen beim Wort „Putzhilfe“ | |
| durch den Kopf geht. Fünf haben geantwortet. | |
| Mutter A, die Pragmatische: „Ich finde es grundsätzlich total okay, | |
| Menschen für jegliche Tätigkeiten zu beschäftigen, solange man sie in | |
| Ordnung bezahlt. Ich lasse ja auch für mich kochen. Wir holen ein- bis | |
| dreimal pro Woche Essen von Restaurants, weil ich’s nicht schaffe – oder | |
| nicht so lecker hinkriege.“ | |
| Mutter B, die Selbstkritische: „Rational sehe ich das auch so. Aber | |
| emotional hab ich eine Barriere. Als ich Kind war, hatten im Umfeld nur | |
| echt reiche Leute eine Putzfrau. Ein Teil von mir will nicht so sein wie | |
| die. Die Haushalte in meiner klein- bis mittelbürgerlichen Familie sind | |
| ausnahmslos tadellos gepflegt, und zwar ohne Hilfe. Ich hab den Anspruch | |
| verinnerlicht, das auch schaffen zu müssen.“ | |
| Mutter C, die Politische, hat eine Putzfrau – und ist unglücklich darüber. | |
| „Eigentlich verdienen wir zu wenig, um uns eine leisten zu können.“ Aber | |
| durch die chronische Erkrankung ihres Partners sehe sie keine Alternative. | |
| „Das löst bei mir Scham aus. Wir schaffen es nicht, unseren Dreck | |
| wegzumachen und suggerieren jetzt eine Art Mittelschicht, die wir nicht | |
| sind.“ Politiktheoretisch immerhin kann sie der Sache etwas abgewinnen: | |
| „Was ich gut finde, ist, dass diese Tätigkeit von unbezahlter Care-Arbeit | |
| in bezahlte Lohnarbeit überführt wird.“ | |
| ## Bloß Diplomatie für Hetero-Paare | |
| Mutter D, die Radikale, regt sich auf. Oft wollten Hetero-Paare per | |
| Putzkraft bloß Streit über gerechte Arbeitsteilung vermeiden. „Friede, | |
| Freude, Eierkuchen im Pärchenland, aber aus feministischer Perspektive nix | |
| gewonnen“, sagt sie. „Die weiße deutsche Mittelschichtsfrau verteilt ihre | |
| Hausarbeit um, an eine oft migrantische Frau, die meist ohne Versicherung | |
| und für wenig Geld den Zankapfel aus der Welt putzt. Warum muss die Wohnung | |
| eigentlich aussehen wie bei Schöner Wohnen, wenn das Kind krank, der Mann | |
| auf Dienstreise und die Deadline zwei Tage weit weg ist? Weil die | |
| Schwiegermutter neulich tadelnd übers Regal gewischt hat?“ Gerecht sei das | |
| Ganze nur, wenn man der Putzkraft exakt das bezahle, was man selbst pro | |
| Stunde verdient. Oder man solle sich entspannen. „Dann ist es eben mal | |
| dreckig. Fürs kindliche Immunsystem eh besser.“ | |
| Mutter E schickt eine Sprachnachricht, das Baby lässt sie nicht in Ruhe | |
| tippen. „Finde ich es gut, dass jemand meine Care-Arbeit macht? Ehrlich | |
| gesagt hab ich diese ganzen politischen Fragen über Bord geworfen. Weil | |
| ich’s halt brauche.“ Der Partner von Mutter E arbeitet Vollzeit, alle zehn | |
| Tage kommt eine Putzkraft. „Das Einzige, was uns wichtig ist, ist, dass wir | |
| die Leute vernünftig bezahlen.“ Wie viel das ist, erfahre ich nicht. Das | |
| Baby schreit. | |
| 10 Dec 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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